# taz.de -- Proteste in Iran: Solidarität ist nicht zwecklos
       
       > Das Mullah-Regime versucht die feministische Revolution mit Gewalt
       > niederzuschlagen. Umso wichtiger, Solidarität zu zeigen und nicht
       > wegzuschauen.
       
 (IMG) Bild: Damit nicht noch mehr getötet werden: Exiliraner:innen demonstrieren in Berlin
       
       [1][„Frauen, Leben, Freiheit“] ist der Slogan unter dem die Menschen im
       Iran seit über einem Monat die Grundfeste des iranischen Regimes
       erschüttern. Trotz der rigorosen Internetsperre dringen täglich Videos der
       Proteste nach außen. Zu sehen sind Szenen, die zuvor angesichts massiver
       Unterdrückung im Gottesstaat undenkbar waren: Schülerinnen, die ohne
       Kopftuch ihren Direktor vom Schulhof jagen; Polizisten, die sich hilflos
       vor einer aufgebrachten Menschenmenge zurückziehen und Demonstrant:innen,
       die auf offener Straße das Ende der Diktatur und den Sturz des Machthabers
       Ayatollah Khameneis fordern.
       
       Die Ermordung der 22-Jährigen Jina Mahsa Amini löste eine Protestwelle aus,
       die in wenigen Tagen das ganze Land erfasste. Die ethnische Kurdin wurde
       von der Moralpolizei verhaftet und anschließend tödlich misshandelt, da sie
       ihr Kopftuch nicht „ordnungsgemäß“ getragen habe. Selbst Expert:innen
       waren erstaunt, dass sich diese Protestwelle im Gegensatz [2][zu früheren,
       erfolglosen Versuchen] nicht auf eine bestimmte Klasse, Ethnie oder
       Bevölkerungsgruppe beschränkt. Das zeigt sich auch in dem
       feministisch-revolutionären Slogan, der ursprünglich von den Frauen der
       kurdischen Freiheitsbewegung geprägt wurde.
       
       Obwohl Frauen an vorderster Front der Proteste stehen, geht es um weit
       mehr, als nur um die Abschaffung der Kopftuchpflicht – es geht um den Sturz
       eines diktatorischen Regimes, dessen Machterhalt auf der Unterdrückung von
       Frauen basiert. [3][Dass die Befreiung der Frau den Sturz des Regimes
       bedeutet], ist allen Iraner:innen klar, die auf die Straße gehen.
       
       ## Solidarität ist nichts vergebens
       
       Wenig überraschend also, dass die Machthaber [4][mit brutalster Härte gegen
       die Demonstrant:innen] vorgehen. Weit über 200 Menschen wurden bereits
       von den Sicherheitsbehörden getötet; täglich werden es mehr. Vom sicheren
       Berlin aus ist es schwer, diese Grausamkeiten einfach nur mitanzusehen. Das
       gilt besonders für die tausenden Exil-Iranier:innen, die in der Hauptstadt
       leben.
       
       Solidaritätsaktionen [5][wie Demonstrationen und Kundgebungen] sind
       wichtiger denn je, Öffentlichkeit für die Ereignisse im Iran herzustellen
       und nicht zuletzt Druck auf die Bundesregierung aufzubauen, entschlossener
       gegen die Machthaber im Iran vorzugehen. Trotz vollmundiger Ankündigungen
       von einer „feministischen Außenpolitik“, [6][hielt sich Außenministerin
       Annalena Baerbock (Grüne) zunächst auffällig zurück]. Schließlich ist die
       selbstbezeichnete „islamische Republik“ ein wichtiger Handelspartner, zu
       der man die Handelsbeziehungen gerne weiter ausbauen würde, wären da nicht
       die lästigen Sanktionen aufgrund des Atomprogramms.
       
       “Die Reaktionen Deutschlands sind absichtlich so gestaltet, dass sie den
       Wirtschaftsmechanismus des iranischen Regimes nicht stören und daher keine
       Auswirkungen auf dessen Verhalten haben.“ kritisieren daher die
       Aktivist:innen der [7][Gruppe feminisa.berlin] in ihrer
       Selbstbeschreibung. Seit über einer Woche campieren sie vor der
       Parteizentrale der Grünen. Im Camp kann man nicht nur mit Exil-Iraner:innen
       ins Gespräch kommen und sich über die Proteste informieren, es finden auch
       Performances statt (Täglich bis Sonntag, 23. Oktober, Platz vor dem neuen
       Tor 1).
       
       Weitere Perspektiven auf die Proteste im Iran wird es am Montag im
       [8][anarchistischen Infocafe] im New Yorck im Bethanien geben. Eine
       LGBTQIA+ Person aus dem Iran wird Einblicke in die Lebensrealität vor Ort
       geben, gemeinsam sollen dann weitere Möglichkeiten der Solidarität
       diskutiert werden (Montag, 24. Oktober, 20 Uhr, Mariannenplatz 2A).
       
       ## Großdemos am Samstag
       
       Zuvor ruft die iranische Community am Samstag zu einer Großdemo unter dem
       Motto „The Time has Come“ auf. [9][Mobilisiert wird nicht nur Deutschland,
       sondern auch europaweit]. Gut möglich, dass es die größte
       Iran-Solidaritätsdemo bislang wird (Samstag, 22. Oktober, 15 Uhr, Großer
       Stern).
       
       Möglichst groß soll auch die Demo „[10][Solidarischer Herbst“] werden, die
       wenige Stunden zuvor stattfinden soll. Nachdem die steigenden Lebensmittel-
       Energiepreise vor allem rechten Protestbewegungen Auftrieb verschafft
       haben, organisiert ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden
       und Nichtregierungsorganisationen eine zivilgesellschaftliche Antwort auf
       die kommende Krise.
       
       „Ob es in diesem Winter gelingt, unsere Gesellschaft vor dem
       Auseinanderbrechen zu bewahren und gleichzeitig die klimapolitischen
       Weichen zu stellen – das hängt entscheidend davon ab, wie viel Solidarität
       die Ampel einzufordern bereit ist,“ heißt es in dem Aufruf des Bündnisses
       (Samstag, 22. Oktober, 12 Uhr, Invalidenpark).
       
       18 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [7] https://www.instagram.com/feminista.berlin/?hl=de
 (DIR) [8] https://stressfaktor.squat.net/node/272935
 (DIR) [9] https://twitter.com/esmaeilion/status/1580032039704985601
 (DIR) [10] https://www.solidarischer-herbst.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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