# taz.de -- Kundgebung in Berlin zu Iran: „Frau, Leben, Freiheit“
       
       > Auf Kundgebung gegen das Mullah-Regime wird „feministische Außenpolitik“
       > gefordert. Seyran Ates vermisst Solidarität hiesiger Muslima mit
       > Iranerinnen.
       
 (IMG) Bild: Viele junge Menschen auf der Kundgebung fordern ein Ende des Schleierzwangs – und des Mullah-Regimes
       
       BERLIN taz | Knapp 200 Menschen haben am Mittwochnachmittag vor dem
       Bundeskanzleramt gegen die „Appeasement“-Politik der Bundesregierung
       gegenüber dem iranischen Mullah-Regime protestiert und sich solidarisch
       gezeigt mit den [1][Protesten im Iran nach dem Tod von Zhina Amini]. Die
       junge Frau ist der Welt seit voriger Woche bekannt als Mahsa Amini – Zhina
       durfte sie offiziell nicht heißen, weil dies ein kurdischer Name ist. Viele
       Plakate der Berliner Demonstrant*innen zeigten das Bild der
       22-Jährigen, die in Teheran von der „Sittenpolizei“ wegen ihres angeblich
       zu „lockeren“ Schleiers verhaftet und zu Tode geprügelt worden war.
       
       Während in Iran deswegen vielerorts Zehntausende auf die Straßen gehen und
       das Regime sich so unter Druck sieht, dass es i[2][nzwischen soziale Medien
       teilweise sperrte], bleibt die Aufregung in der deutschen Hauptstadt also
       überschaubar. Die Frauenrechtlerin und liberale Muslima Seyran Ates fragte
       in ihrer Rede daher nach all jenen, die nicht zur Kundgebung kamen. Wo
       seien etwa die Kopftuch tragenden Muslima und sie unterstützende
       Politiker*innen, die hierzulande für dieses Recht streiten: „Warum setzen
       sie sich nicht dafür ein, dass andere es nicht tragen müssen?“
       
       Ebenso vermisse sie die tausenden Menschen, die nach dem Polizistenmord an
       Georg Floyd in den USA auf die Straße gegangen waren. Freiheit sei nur
       möglich, wenn sich alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptierten,
       sagte Ates – und hielt in der einen Hand einen Schleier, in der anderen die
       Regenbogen-Fahne hoch: „Wir müssen uns zusammen tun gegen diese Mörder“,
       rief sie unter Applaus.
       
       Eigentlicher Anlass für die Kundgebung war der Auftritt des iranischen
       Präsidenten Ebrahim Raisi vor der UN-Vollversammlung am Mittwoch in New
       York. Dass der „Holocaust-Leugner und Massenmörder“ ein US-Visum bekommen
       habe und seine Rede halten durfte, sei „ein Tiefpunkt in der Geschichte der
       Vereinten Nationen“, sagte Andreas Benl, Mitbegründer von Stop the Bomb, in
       seiner Rede. Die deutsch-österreichische Initiative war einer der
       Veranstalter, ebenso die Gruppen Alliance Against Islamic Regime of Iran
       Apologists (AAIRIA), Frauen für Freiheit und die International women in
       power (IWP) und die Notoexecution Campaign.
       
       ## „Wo bleibt die feministische Außenpolitik?“
       
       Benl und andere Redner*innen kritisierten zudem die Zurückhaltung der
       Bundesregierung gegenüber dem Regime. Dass die Bundesregierung weiter mit
       Iran verhandelt, nicht zuletzt um den so genannten „Atomdeal“ zu retten,
       sei ein „Schlag ins Gesicht nicht nur der Menschen im Iran, sondern aller,
       die für Menschenrechte kämpfen, auch im Ukraine-Krieg“, sagte Benl zur taz.
       
       Die Aktivistin Daniela Sepehri wies darauf hin, dass Außenministerin
       Annalena Baerbock (Grüne) seit ihrem Amtsantritt von „feministischer
       Außenpolitik“ rede, ebenso Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Wo bleibt die
       in Bezug auf Iran?“, fragte sie rhetorisch. Stattdessen sitze man mit Raisi
       in New York an einem Tisch. Scholz habe in seiner 15-minütigen Rede den Tod
       von Mahsa nicht einmal erwähnt.
       
       Auch Ates appellierte an Baerbock, jetzt sei die Gelegenheit,
       „feministische Außenpolitik zu machen“: Im Iran gingen „gläubige Muslime,
       Agnostiker und Liberale zusammen auf die Straße“ gegen die „Terroristen in
       der Regierung“, die Menschenrechte mit Füßen treten. „Es reicht nicht,
       einfach nur ihre Einhaltung zu fordern“, so Ates.
       
       Roter Faden in allen Reden blieb #[3][Zhina Amini], die offenbar zur
       [4][neuen Symbolfigur des iranischen Widerstands] geworden ist – auch wenn
       Frauen im Iran seit 43 Jahren gegen ihre Unterdrückung kämpfen, wie einige
       Redner*innen betonten. Als Ausdruck der Verbundenheit skandierte die
       Menge die aktuelle Losung der Proteste im Iran: „zan, zendegi, azadi“ –
       Frau, Leben, Freiheit. Dabei bekamen nicht wenige Teilnehmende, der Optik
       nach vor allem Exil-Iraner, feuchte Augen, manche streckten die geballten
       Fäuste in den Himmel.
       
       Allerdings geht das Gefühl der Verbundenheit bisher offenbar nicht so weit,
       dass es alte politische Gräben überwinden kann – was mit ein Grund sein
       dürfte für die relativ geringe Beteiligung. So blieb der in Berlin nicht
       unwichtige Verein iranischer Flüchtlinge der Kundgebung wegen politischer
       Differenzen mit den Veranstaltern fern. Der Verein hatte am Montagabend
       eine Mahnwache am Kottbusser Tor mitorganisiert, zu der [5][nach
       Medienberichten] ebenfalls etwa 200 Menschen gekommen waren.
       
       22 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Proteste-in-Iran/!5879746
 (DIR) [2] /Proteste-in-Iran/!5879784
 (DIR) [3] https://twitter.com/hashtag/MahsaAmini?src=hashtag_click
 (DIR) [4] /Frauenrechte-in-Iran/!5879645
 (DIR) [5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/trauer-und-wut-am-kottbusser-tor-iranische-und-kurdische-frauen-protestieren-gegen-die-unterdruckung-im-iran-8661610.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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