# taz.de -- Kampfpanzerlieferungen in die Ukraine: Das Wendemanöver des Kanzlers
       
       > Olaf Scholz begründet im Bundestag, warum Deutschland doch Kampfpanzer
       > nach Kyjiw liefert. Und versucht die Angst vor einer Eskalation zu
       > besänftigen.
       
 (IMG) Bild: Bundeskanzler Scholz macht sich im Juni 2022 ein Bild von der Zerstörung in Irpin bei Kyjiw
       
       BERLIN taz | Kanzler Scholz überzieht seine Redezeit. Bei der Fragestunde
       sind sechs Minuten für einen kurzen Lagebericht der Regierung vorgesehen,
       dann fragen Abgeordnete querbeet. Ein bisschen Basisdemokratie im
       Parlament. Scholz hat aber am Mittwochmittag Wichtiges mitzuteilen. „Wir
       werden der Ukraine Leopard-2-Panzer zur Verfügung stellen“ sagt er nach
       knapp zehn Minuten. Die Mahnung von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fällt
       eher milde aus, „Achten Sie auf die Zeit“, sagt sie. Eine doppelsinnige
       Anmerkung. Viele sind ja der Ansicht, dass sich Scholz für diese
       Entscheidung zu viel Zeit gelassen hat. Hat er?
       
       Formal ging alles eher schnell. Am Dienstagvormittag hatte Polen bei der
       Bundesregierung die Genehmigung beantragt, deutsche Leopard-Panzer der
       polnischen Armee an Kyjiw zu liefern. Keine 24 Stunden später ist das
       amtliche Ja aus Berlin da. Und die Ankündigung, 14 Leopard-A6-Panzer aus
       Deutschland zu liefern. Spanien, die Niederlande und Finnland wollen
       offenbar auch Leopard-Panzer nach Kyjiw schicken.
       
       Offizielle Anträge gibt es Mittwochmittag noch nicht. Deutschland will aber
       dafür sorgen, dass schon bald zwei Bataillone mit 84 Leopard-Panzern in der
       Ukraine rollen können. Insgesamt kann es um erheblich mehr gehen. Es ist
       von an die 300 Leopard-Panzern die Rede. In Europa gibt es rund 2.000
       Leopard-Panzer.
       
       [1][Scholz verteidigt im Bundestag seine Linie] und wiederholt seinen
       rhetorischen Dreischritt. Deutschland sei immer vorne dabei, „wenn es darum
       geht, die Ukraine zu unterstützen“. Er tue alles aber nur „im Einklang mit
       den Verbündeten“ und lasse sich nicht von „lauten Stimmen treiben“.
       Letzteres zielt wohl auch auf Stimmen in der Ampel – etwa die von der
       Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) – ab, die den
       Kanzler seit Monaten polemisch als Bremser bei Waffenexporten kritisiert
       hat.
       
       An dieser inneren Front scheinen am Mittwoch eher Friedensfähnchen
       geschwenkt zu werden. Die FDP-Frau fragt den Kanzler lammfromm, mit wem
       Deutschland bei dem „Bündnis für die Ukraine“ denn besonders intensiv
       zusammenarbeite. Es ist weniger eine bohrende Frage als eine Botschaft. Wir
       sind nett zueinander. Die Grüne Sara Nanni trägt im Bundestag ein
       Sweatshirt mit Leoparden-Muster, was nahtlos an die geschmacklich
       umstrittenen „Free the leopards“-Hashtags anknüpft.
       
       Den kritischen Part übernimmt Jürgen Hardt, CDU-Verteidigungsexperte. Der
       Kanzler habe mit seinem Abwarten und Zögern „außenpolitischen Flurschaden“
       angerichtet. Scholz reagiert mit einem harten Konter Richtung Union. „Wenn
       wir Ihren Ratschlägen gefolgt wären, wäre das eine Gefahr für Deutschland“,
       so der Kanzler.
       
       ## Alle Panzer zusammen eben
       
       Scholz strotzt, mehr noch als sonst, vor Selbstbewusstsein. Das hat einen
       Grund. Die wie ein Mantra wiederholte Chiffre „enge Abstimmung mit den
       Verbündeten“ heißt heute übersetzt: Es ist Scholz gelungen, in der
       Kampfpanzerfrage die USA von ihrem vor ein paar Tagen noch ziemlich
       kategorischen Nein zur Lieferung von Abrams-Panzern aus US-Produktion
       abzubringen. In ein paar Monaten werden daher nicht nur viele
       Leopard-Panzer in der Ukraine Schlachten schlagen, sondern auch wenige
       französische Leclerc, ein paar britische Challenger 2 und voraussichtlich
       US-Abrams. In Scholz’ Lesart bedeutet das eine Minimierung „der Gefahr für
       Deutschland“. Alle zusammen eben.
       
       Auch die SPD-Fraktion ist am Mittwoch zufrieden. Die Parlamentarische
       Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, lobt das „besonnene“
       Vorgehen des Kanzlers. „Olaf Scholz lässt sich nicht kirre machen, er
       verfolgt lange Linien und ist sich seiner Verantwortung bewusst“, so Mast.
       Die 206-köpfige SPD-Fraktion stehe geschlossen hinter dem vorsichtigem Kurs
       des Kanzlers. „Niemand aus der Fraktion hat gesagt, dass Deutschland
       vorangehen soll“, so Mast. Das Ergebnis – eine Allianz mit den USA, die
       ebenfalls Kampfpanzer liefern wollen – sei ein riesengroßer diplomatischer
       Erfolg.
       
       Auch SPD-Mann Nils Schmid lobt Scholz vorsichtiges Vorgehen. Die Leoparden
       seien „eine neue Qualität von Waffenlieferungen“, so der SPD-Außenpolitiker
       zur taz.
       
       Ist dies, Abrams hin oder her, [2][ein Schritt Richtung Eskalation des
       Krieges?] Also genau das, was der Kanzler doch immer verhindern wollte? Die
       nervöse Frage lautet: Was kommt nach Kampfpanzern? Kampfjets? Drohnen?
       Scholz betont, wie klug und umsichtig es sei, dass er „Stück für Stück“
       vorgehe. Aber wo ist das Ende?
       
       In der Bundespressekonferenz warnt Regierungssprecher Steffen Hebestreit
       vor einer rhetorischen Eskalationspirale. „Immer mehr, immer schneller und
       immer doller“, sei der falsche Weg.
       
       Der Kanzler sendet im Bundestag eine Beruhigungsbotschaft an alle, denen
       die Ampel nicht zu zögerlich, sondern zu forsch bei Waffenexporten ist.
       Viele würden sich nun wegen der Kampfpanzer Sorgen machen. „Vertrauen Sie
       mir“, sagt Scholz – ein Aufruf, der nicht an den Bundestag oder den
       Fragesteller gerichtet ist, sondern an die Nation. Und Scholz versichert,
       dass es künftig nicht um Kampfflugzeuge oder gar Bodentruppen gehen werde.
       
       Auch SPD-Außenpolitiker Schmid ist bei der Lieferung von Kampfjets
       skeptisch. „Bislang standen Kampfflugzeuge aus gutem Grund nicht zur
       Debatte. Sie könnten weit in russisches Territorium vorstoßen. Das
       Eskalationspotential wäre noch einmal größer“, so Schmid zur taz. Nach
       einem kategorischen Nein für alle Zeit klingt das aber nicht.
       
       Dietmar Bartsch, Chef der Linksfraktion, warnt in der Debatte im Bundestag
       am Nachmittag. Kampfpanzer seien „kein Beitrag zum Frieden“. Dass Scholz
       nachgegeben habe, sei falsch. Bartsch fordert von der Bundesregierung
       vielmehr eine abgestimmte EU-Friedensinitiative.
       
       25 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
 (DIR) Tobias Schulze
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