# taz.de -- Rechtsextreme in Grevesmühlen: Skinheads mit angesengten Haaren > Nur wenige kennen den Ort Grevesmühlen. Dabei war er vor Jahren in der > Presse, nach einem tödlichen Brandanschlag auf eine > Flüchtlingsunterkunft. (IMG) Bild: Nach dem Brandanschlag auf ein Geflüchtetenheim in Lübeck, Januar 1996 Vergangene Woche demonstrierten mehrere Hundert Menschen vor dem Kreistag in [1][Grevesmühlen gegen eine geplante Unterkunft] für Geflüchtete, einige versuchten ins Gebäude zu gelangen. Dass vielen Leuten das mecklenburg-vorpommersche Grevesmühlen heute als unbekanntes Kaff gilt, liegt einerseits daran, dass es schon lange her ist, dass der Ort in aller Munde war. Andererseits liegt es daran, dass einer der größten Mordanschläge der Bundesrepublik, in dessen Kontext der Ort eine Rolle spielte, nie aufgeklärt wurde. Und bis heute nicht als rassistischer Anschlag erinnert wird. Am [2][18. Januar 1996 starben bei einem Brandanschlag] auf eine Flüchtlingsunterkunft in Lübeck 10 Menschen. Verdächtigt wurden zunächst drei jugendliche, rechte Skinheads, aus dem knapp 50 km östlich liegenden Grevesmühlen. Sie waren in der Nacht nach Lübeck gefahren, hatten an einer Tankstelle 1 Liter Cola und 5 Liter Benzingemisch 1:50 gekauft und bei ihrer Festnahme am nächsten Tag versengte Haare, Wimpern und Augenbrauen. Ihre Haarproben verschwanden im Laufe der Ermittlungen. Dass es sie überhaupt gab, wurde erst Wochen nach der Mordtat bekannt. Die Polizei ließ die drei schon am nächsten Tag laufen. Alles nur ein blöder Zufall: Der eine Beschuldigte hatte erklärt, er habe seinen Hund anzünden wollen, der andere habe sich beim Ofen anzünden und der dritte beim Mofareparieren an einer Stichflamme die Augenbrauen versengt. ## Blöder Zufall Diese hieb- und stichfesten Argumente reichten der Staatsanwaltschaft, um jeden weiteren Verdacht gegen die drei fallen zu lassen. Es gab sogar noch einen vierten Verdächtigen aus [3][Grevesmühlen], der in der Mordnacht mit in Lübeck war. Dessen Name wurde aber nicht in den Akten vermerkt. Experten und Medien mutmaßten, es habe sich um einen V-Mann gehandelt. Die Staatsanwaltschaft verfolgte jedoch die auf nichtigen Anhaltspunkten fußende These, einer der Bewohner des Hauses sei der Brandstifter. Obwohl der freigesprochen wurde, sah er sich jahrelang öffentlicher Hetze ausgeliefert. Versuche, den Fall erneut vor Gericht zu bringen, um die wahren Täter*innen ausfindig zu machen, scheiterten. Heute, fast 30 Jahre später, wird vor dem Kreistag in Grevesmühlen gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft demonstriert, mitunter militant. Sicher alles nur ein ganz blöder Zufall. 30 Jan 2023 ## LINKS (DIR) [1] /Ausschreitungen-in-Grevesmuehlen/!5911731 (DIR) [2] /Debatte-Neonazistische-Straftaeter/!5087296 (DIR) [3] /Grevesmuehlen/!t5911717 ## AUTOREN (DIR) Doris Akrap ## TAGS (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Polizei (DIR) Schwerpunkt Neonazis (DIR) GNS (DIR) Grevesmühlen (DIR) Mecklenburg-Vorpommern (DIR) wochentaz (DIR) Alternative für Deutschland (AfD) (DIR) Rechtsextremismus (DIR) Rechtsextremismus (DIR) Schwerpunkt Rechter Terror ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Unterbringung von Geflüchteten: Wer schafft was? Es kommen wieder deutlich mehr Menschen nach Deutschland. Wie man jetzt die Situation für Geflüchtete und deutsche Kommunen verbessern könnte. (DIR) Rechte Ausschreitungen in Ostdeutschland: Der Sturm auf die Malzfabrik Die „Nein zum Heim“- Bewegung gegen Geflüchtete hat im Osten spezifische Ursachen: die Siege der Rechten in den 1990er Jahren. (DIR) Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: Ausschreitungen vorm Kreistag Bei einem Protest gegen eine Geflüchtetenunterkunft wollen Demonstrierende eine Kreistagssitzung stürmen. Darunter Rechtsextreme. (DIR) Zersplitterte Rechtsextreme: Neonazis suchen Heimat Die radikale Kleinstpartei „Die Rechte“ löst sich in NRW auf. Sie soll mit der NPD fusionieren, aber nicht alle wollen mitmachen. (DIR) Debatte Neonazistische Straftäter: Bloß keine rechte Spur! Hinweise auf rechtsextreme Hintergründe bei Straftaten werden immer wieder systematisch ausgegrenzt. Das war nicht nur im Fall des Zwickauer Mordtrios so.