# taz.de -- Studie über Montagsdemonstrationen: Russlandverständnis und Grünenhass
       
       > Teilnehmende der rechten Montagsdemos haben ein grundlegend anderes
       > Verständnis von Demokratie. Eine neue Studie zu ihren Beweggründen.
       
 (IMG) Bild: Russlandversteher auf einer „Montagsdemo“ im thüringischen Nordhausen
       
       LEIPZIG taz | Die Teilnehmenden der rechten Montagsdemonstrationen, die vor
       allem im Osten des Landes stattfinden, haben ein grundlegend anderes
       Verständnis von Demokratie und ein anderes Bild von Deutschland als die
       Mehrheitsgesellschaft. Sie vereint eine tief sitzende Unzufriedenheit mit
       der Regierungspolitik. Das geht aus einer Studie des unabhängigen
       Thinktanks Progressives Zentrum und der Bertelsmann Stiftung hervor, die am
       Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
       
       Demnach ist das Deutschlandbild der Teilnehmenden oft nationalistisch
       geprägt: Verantwortung trage Deutschland zuallererst für das Wohlergehen
       der Deutschen, nicht für das der Ukrainer:innen oder Menschen anderer
       Nationen. Den Befragten zufolge solle Demokratie möglichst direkt sein,
       „der Volkswille“ müsse über Volksabstimmungen erhoben und durch
       „Volksvertreter“ umgesetzt werden.
       
       Für die Studie waren zwei Forscherteams an jeweils drei Montagen im
       November 2022 und Januar 2023 auf Demonstrationen in Gera und Chemnitz
       unterwegs und haben 195 Interviews mit 257 Personen geführt. Im Fokus
       standen dabei nicht die Organisator:innen, sondern [1][jene
       Demonstrierenden, die sich weder dem äußeren Anschein nach noch durch
       Redebeiträge oder Transparente der rechtsradikalen Szene zuordnen ließen].
       
       ## Unzufriedenheit über den Umgang mit dem Ukraine-Krieg
       
       Die Forscherteams fragten die Teilnehmenden, warum sie demonstrieren gehen,
       welche Erwartungen sie an die Politik haben und welchen politischen
       Akteur:innen sie zutrauen, Lösungen für die aktuellen Herausforderungen
       zu finden.
       
       Der am häufigsten genannte Grund für die Teilnahme an den Demos sei die
       Kritik am Umgang der Bundesregierung mit dem Ukraine-Krieg gewesen,
       [2][gefolgt von Unzufriedenheit über die Corona-Politik]. In fast der
       Hälfte der Interviews gaben die Befragten an, sich während der Hochzeit der
       Pandemie den Protesten angeschlossen zu haben.
       
       Auch die Energiekrise sei ein Faktor, der die Befragten zur Teilnahme an
       den Demos motiviere, aber bei Weitem nicht der bestimmende. Sorgen aufgrund
       der erhöhten Preise spielten für die Demonstrierenden eine untergeordnete
       Rolle, heißt es in der Studie. In knapp zwölf Prozent der Interviews
       nannten die Befragten Ost-West-Gegensätze oder ostdeutsche Erfahrungen als
       Grund für die Teilnahme an den Demos.
       
       ## Verständnis gegenüber Russland
       
       Im Hinblick auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine seien viele
       Demonstrierenden der Ansicht, dass dies nicht „unser Krieg“ sei und
       Russland „nicht der Feind“. Hingegen sähen sie die USA als
       „Strippenzieher“. Viele der Befragten fänden, die Nato-Osterweiterung sei
       unrechtmäßig erfolgt.
       
       Der Studie zufolge würden „nahezu sämtliche“ Interviewpartner:innen
       die Meinung vertreten, dass es keine Zukunft ohne Russland gebe und daher
       so schnell wie möglich freundschaftliche Beziehungen hergestellt werden
       müssten. „Ostdeutschland wird dabei als abhängiger von Russland beschrieben
       als der Westen“, schreiben die Autor:innen der Studie.
       
       Besonders stark sorgten sich die Befragten um die Zukunft des
       Wirtschaftsstandortes Deutschland. Viele glaubten, die Sanktionen gegen
       Russland träfen in erster Linie die deutsche Wirtschaft. Neben den
       Sanktionen lehnten die Befragten auch Waffen- und Panzerlieferungen ab,
       weil sie eine Kriegsbeteiligung Deutschlands fürchteten.
       
       ## Scharfe Kritik an den Grünen
       
       Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die Demonstrierenden Parteien und
       Politiker:innen misstrauen. Vor allem die Grünen kritisierten die
       Befragten scharf. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sowie
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck würden den Demonstrierenden zufolge
       ihre eigenen Werte verraten.
       
       Für viele Befragte seien die Grünen für die „schlechten wirtschaftlichen
       Aussichten“ verantwortlich. Klimapolitische Maßnahmen wie der schnelle
       Umstieg auf erneuerbare Energie [3][würden den Industriestandort
       Deutschland gefährden.] Im Gegensatz zu den Grünen hätten die Befragten die
       anderen Regierungsparteien FDP und SPD so gut wie gar nicht erwähnt, heißt
       es in der Studie.
       
       Auf die Frage, welchen Politiker:innen sie Lösungen auf die aktuellen
       Herausforderungen zutrauen, nannten die Befragten in mehr als 30 Prozent
       der Interviews die umstrittene Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht und in
       fast 20 Prozent der Interviews Alice Weidel, Co-Vorsitzende der
       AfD-Bundestagsfraktion.
       
       ## Forderung nach mehr politischer Bildung
       
       Der AfD selbst wiederum werde – trotz der Akzeptanz zahlreicher Positionen
       – nur bedingt eine Lösungskompetenz zugeschrieben, heißt es in der Studie.
       In fast 40 Prozent der Interviews gaben die Befragten an, keiner Partei und
       keinen Politiker:innen Lösungen zuzutrauen.
       
       Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag,
       Hanka Kliese, findet „die starke Fokussierung der Kritik auf
       Einzelpersonen“ besorgniserregend. Bemerkenswert hingegen sei, „dass der
       AfD als Partei selbst weniger zugetraut wird, als es Wahlergebnisse
       vermuten lassen. Die AfD hat im Parlament enttäuscht – vor allem die eigene
       Klientel.“
       
       Laut Paulina Fröhlich vom unabhängigen Berliner Thinktank „Progressives
       Zentrum“ müsse die Politik dringend auf das „andere Demokratieverständnis“
       der Demonstrierenden reagieren. „Es braucht mehr politische Bildung. Die
       liberale Demokratie muss aktiv erklärt werden“, sagte die Co-Autorin der
       Studie am Mittwoch.
       
       ## Möglicher Einfluss auf die Landtagswahlen 2024
       
       Florian Ranft, ebenfalls Co-Autor, fordert die Regierung dazu auf, „die
       Machbarkeit von wohlstandssicherndem Klimaschutz“ besser zu argumentieren
       und kommunizieren. Schließlich lehnten die Befragten Klimaschutz nicht
       generell ab – sie sorgten sich nur um den Wohlstand in Deutschland.
       
       Obwohl die Montagsdemos bei Weitem kein Massenphänomen darstellten, sagte
       Kai Unzicker von der Bertelsmann Stiftung, seien sie dennoch ein
       erhebliches Risiko für die Demokratie – „vor allem dann, wenn sie politisch
       und gesellschaftlich unterschätzt werden“.
       
       Das sieht auch Co-Autor Erik Vollmann so. Er warnt davor, dass es den
       Organisator:innen der Demos gelingen könnte, bei den Landtagswahlen
       in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Sommer und Herbst 2024 „Diskurse
       antidemokratisch zu prägen“.
       
       1 Mar 2023
       
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