# taz.de -- Zahlen zu Antiziganismus in Berlin: Rassismus ist auch Behördensache
       
       > Die neuen Zahlen der Dokumentationsstelle Antiziganismus zeigen: Corona
       > und Ukraine-Krieg haben den Rassimus gegenüber Rom*nja noch verschärft.
       
 (IMG) Bild: Die Roma-Flagge bei einer Demo vor dem Brandenburger Tor
       
       BERLIN taz | Manchmal hört man von Dingen, die kann man kaum glauben:
       „Einer bulgarischen Mutter wurde temporär das Sorgerecht für ihr Kind
       entzogen. Das Jugendamt bestätigt ihr, sie könne ihr Kind wiederhaben, wenn
       sie ‚Deutsch auf B1-Niveau‘ lernt.“ Oder so was: „Nach Bestehen des
       Mittleren Schulabschlusses (MSA) sagt eine Lehrkraft zu einer Schülerin mit
       Roma-Hintergrund: ‚Geh als Kassiererin bei Rossmann arbeiten, du willst
       doch immer schön sein.‘ “
       
       Oder dies: „Ein Sozialarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft schlägt einer
       Kollegin vor, einer jungen Bewohnerin der Unterkunft nicht so viel
       Aufmerksamkeit zu schenken. Diese habe einen Roma-Hintergrund und würde die
       Schule deshalb sowieso bald abbrechen und heiraten, da dies ‚zur Kultur‘
       gehöre. Die Kollegin antwortet entsetzt, dass sie selbst der Minderheit
       angehört, studiert und keine Kinder hat. Dann sagt dieser: ‚Ach, Sie sind
       auch Roma? Sie sehen aber nicht so aus.‘“
       
       Die drei Beispiele illustrieren die zahlreichen Formen von Antiziganismus,
       mit denen Menschen in Berlin, die als Rom*nja gelesen werden, täglich
       rechnen müssen. Versammelt sind sie [1][im neuen Bericht der
       Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA)], der seit 2014 alle zwei Jahre
       von der [2][Roma-Selbstorganisation Amaro Foro] herausgegeben wird. Am
       Mittwoch hat Amaro Foro die Zahlen für die Jahre 2021/22 vorgestellt – und,
       man ahnt es schon, sie sind nicht besser geworden.
       
       Vor dem Hintergrund von Coronapandemie und Ukrainekrieg verzeichnet DOSTA
       einen starken Anstieg an Diskriminierungsfällen: 2021 wurden 147 Vorfälle
       gemeldet, 2022 waren es 225 – die höchsten Jahresfallzahlen seit
       Projektbeginn. Vor allem im Lebensbereich Bildung verzeichnen sie im
       Vergleich zu den Vorjahren besonders viele Fälle.
       
       ## Bildungschancen in Pandemie verschlechtert
       
       Während der Pandemie, heißt es im Bericht, haben zum Beispiel Jobcenter
       wiederholte Male Zahlungen für Computer für die Schule abgelehnt – obwohl
       die Familien Anrecht darauf hatten. Oder Schulen gaben keine digitalen
       Lernmittel an Kinder aus Rom*nja-Familien heraus mit der Begründung, „diese
       Gruppe können mit den Sachen nicht umgehen“, so der Bericht. Dort heißt es
       weiter: „Die Coronapandemie hat die Bildungschancen von Rom*nja in Berlin
       zusätzlich erschwert.“
       
       Auch der Ukrainekrieg hat [3][Vorurteile gegenüber der Minderheit]
       forciert. Aus der Ukraine geflüchtete Rom*nja würden, anders als „weiße“
       Ukrainer*innen, nicht als Schutzsuchende akzeptiert, sondern als
       „illegitime Geflüchtete“ markiert – und sowohl in den Unterkünften als auch
       bei den Leistungsstellen benachteiligt, sagte Violeta Balog,
       Vorstandsmitglied von Amaro Foro und Projektleiterin von DOSTA. „Krieg und
       Krisen verstärken Antiziganismus – auch in Berlin. Die Konsequenzen sind in
       allen Lebensbereichen spürbar“, sagt sie. Und warnt: „Sie können
       lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.“
       
       30 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://amaroforo.de/wp-content/uploads/2023/03/Dokumentation202122_final_web.pdf
 (DIR) [2] /Antiziganismus-in-Berlin/!5785891
 (DIR) [3] /Film-ueber-Antiziganismus/!5908842
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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