# taz.de -- Enthüllung über Springer-Chef Döpfner: Das Monster, das wir schufen
       
       > Die „Zeit“ veröffentlicht persönliche Nachrichten von Springer-Chef
       > Mathias Döpfner. Die Empörung ist groß. Zu kurz kommt, wer ihn mächtig
       > gemacht hat.
       
 (IMG) Bild: Huch, wer lächelt hier so engelsgleich?
       
       Keine Überraschung! So lautet die vermutlich häufigste Reaktion auf die
       Döpfner-Causa am Donnerstagmorgen bei Twitter, dem Lieblingsnetzwerk der
       Journalist*innen. Anlass war eine Recherche der Zeit, die nach eigenen
       Aussagen E-Mails und Chats einsehen konnte, die Springer-Chef Mathias
       Döpfner in den vergangenen Jahren an Personen aus dem engsten Führungskreis
       geschickt haben soll. Viele davon sind voller Rechtschreibfehler,
       englischer Wörter und lesen sich, als hätte sie jemand in besoffenem
       Zustand abgeschickt. „Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten.
       Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“ Oder eine SMS an den damaligen
       Bild-Chefredakteur Julian Reichelt: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr
       stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und
       dann Jamaika funktioniert.“
       
       Aus der Zeit-Recherche ergibt sich das Bild eines mächtigen Mannes, der die
       Bundespolitik beeinflussen, Angela Merkel absägen und die Ostdeutschen
       fertigmachen will. Ein Mann, der den Klimawandel eigentlich ganz gut
       findet, [1][in Trump einen geeigneten US-Präsidenten sieht] und die Wahl
       Kemmerichs zum thüringischen Ministerpräsidenten mithilfe der Stimmen der
       AfD unproblematisch findet. Er selbst fasst sein Weltbild in einer
       Nachricht so zusammen: „free west, fuck the intolerant muslims und all das
       andere Gesochs.“
       
       Wer in den letzten Jahren die Berichterstattung der Springer-Medien, allen
       voran die der Bild, verfolgt hat, wird von diesen Aussagen wahrlich nicht
       überrascht sein. Döpfners rechtes Weltbild war bekannt. Dass der Mann an
       der Spitze eines der größten Medienunternehmen weltweit gegen
       journalistische Grundsätze verstoßen möchte, um Politik zu beeinflussen,
       ist skandalös – aber leider nicht verwunderlich.
       
       Jetzt mit dem Finger auf diesen einen fiesen Typen zu zeigen, der peinliche
       denglische Chats voller Fehler an seine Mitarbeiter*innen verschickt,
       ist wenig hilfreich. Denn, ob wir Journalist*innen das nun wollen oder
       nicht: Mathias Döpfner ist ein Kollege von uns. Und zwar nicht irgendeiner,
       sondern ein ziemlich mächtiger. Dass er an der Spitze eines Medienhauses
       sitzt und seine Macht willkürlich ausleben kann, ist gefährlich – aber er
       hat sich dort nicht alleine hingesetzt.
       
       ## Abgekumpel in der Branche
       
       In erster Linie liegt die Verantwortung natürlich beim Verlag selbst. An
       Döpfners steiler Karriere vom Welt-Chefredakteur zum Quasiherrscher über
       den Springer Verlag ist vor allem Friede Springer, die Witwe von Axel
       Springer, schuld. Sie übertrug ihm 2019 nicht nur Aktien im Wert von rund 1
       Milliarde Euro, sondern auch ihr Stimmrecht.
       
       Seitdem kann Döpfner eigentlich machen, was er will. Zuletzt zeigte sich
       das in der Reichelt-Affäre. Als Reichelt 2021 Machtmissbrauch und
       verschiedene Affären mit Mitarbeiterinnen vorgeworfen wurde, stellte
       Döpfner sich schützend vor ihn. In dem folgenden Jahr erschienen neben
       Recherchen vom Spiegel auch welche von der Financial Times und der New York
       Times, die Döpfner eine Mitschuld daran geben, dass Reichelt so lange seine
       Macht missbrauchen konnte. In diesem Zusammenhang wird eine SMS zitiert, in
       der Döpfner Reichelt als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland
       bezeichnet, der noch mutig gegen den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“
       aufbegehre. Infolge der Recherchen wurde Reichelt gefeuert, Döpfner blieb
       an der Spitze.
       
       Nicht nur innerhalb des Springer-Konzerns hat Döpfner nichts zu befürchten,
       auch ansonsten hat er ein gefestigtes Standing in der Branche. Dort wird
       lieber mit ihm abgekumpelt, als sich von ihm zu distanzieren – und das,
       obwohl seine Ansichten kein Geheimnis sind. 2016 wurde er Präsident des
       Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) – also Cheflobbyist der
       Journalismusbranche. Auch hierzu hat er sich nicht selbst ernannt, er wurde
       gewählt.
       
       Nach der [2][Reichelt-Affäre] gab es zwar einige, die Konsequenzen
       forderten: Madsack-Chef Thomas Düffert trat als Vize zurück, die Funke
       Mediengruppe trat zum Jahresende 2022 aus. Der BDZV nahm eine
       Entschuldigung von Döpfner damals an und ließ ihn im Amt. Peinlich für die
       Branche. Erst Ende Mai 2022 [3][kündigte Döpfner dann selbst an], sein Amt
       abzugeben.
       
       Die Enthüllungen der Zeit dürften niemanden überrascht haben. Konsequenzen
       sollten sie trotzdem haben: Für den Springer-Konzern, indem dieser Döpfner
       entlässt. Und für die Branche selbst. Sie sollte sich darüber Gedanken
       machen, ob es sinnvoll ist, mächtige Personen zu pushen, die niemand mehr
       kontrollieren kann und will.
       
       13 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
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