# taz.de -- Die Lobbyistin des Binnen-I: „Ich wusste kein Wort dafür“
       
       > Luise F. Pusch ist die feministische Sprachwissenschaftlerin der ersten
       > Stunde. Ein Gespräch über ihr spätes Coming-out und die Vorzüge des
       > Genderns.
       
 (IMG) Bild: „Ich musste mich aus der Nichtsagbarkeit herausarbeiten“, sagt Luise F. Pusch
       
       Wir treffen uns zum Lunch in einem Restaurant am Hauptbahnhof von Hannover,
       in der Luisenstraße. Luise F. Pusch lebt seit Langem in der
       niedersächsischen Landeshauptstadt, zweimal im Jahr hält sie sich für zwei
       Monate bei ihrer Frau Joey Horsley in Boston, USA, auf – und umgekehrt. Die
       Sprachwissenschaftlerin ist eine Legende, nicht nur in ihrem Fach: Durch
       ihre Impulse begann hierzulande die deutsche Sprache flüssiger zu werden,
       feministisch orientiert. Nun hat sie ihre Erinnerungen an ihre ersten
       Lebensjahre veröffentlicht: [1][„Gegen das Schweigen. Meine etwas andere
       Kindheit und Jugend“]. 
       
       wochentaz: Frau Pusch, erfolgreicher als Ihre ersten feministischen
       Sprachinterventionen in den frühen achtziger Jahren war ein Buch, das
       zornig und liebend zugleich die Geschichte von „Sonja“ erzählt. Warum haben
       Sie es [2][unter dem Pseudonym „Judith Offenbach“] veröffentlicht? 
       
       Luise F. Pusch: Es ging nicht anders, ich hätte sonst meine
       wissenschaftliche Karriere in den Sand gesetzt. Aber ich wollte das Buch
       schreiben, eine, meine Liebeserklärung an meine 1976 durch Suizid
       umgekommene Partnerin. Ich wollte ihr „ein Denkmal setzen“, wie ich damals
       schrieb. Vielleicht auch ein Mahnmal. Ich führte ihren Tod auch auf die
       unmenschlichen Bedingungen zurück, unter denen Lesben damals leben mussten.
       
       Ich bekam „Sonja. Eine Melancholie für Fortgeschrittene“ 1981 empfohlen und
       las es mit jeder Seite ergriffener. Es war ja auch eine Geschichte [3][über
       das Leben eines homosexuellen Paares], das am Schweigen über das Lesbische
       beinahe zerbricht. Aus schwuler Perspektive war ich fast ein bisschen
       neidisch: Solch ein Buch gab es mit zwei Männern als Hauptfiguren nicht. 
       
       Danke, dass Sie das sagen. Öffentliche Liebeserklärungen an mich als
       Autorin dieses Buches habe ich ja erst in jüngerer Zeit bekommen, das ist
       für mich natürlich überwältigend. Eine späte Anerkennung, umso mehr hat sie
       mich gefreut.
       
       Als Ihr Buch damals erschien, fiel auf, dass die Literaturkritik einen
       großen Bogen darum machte. Sie hätte darin ebenso gut ein Memoir erkennen
       können, so wie die Feuilletons es Jahrzehnte später in Édouard Louis’,
       Annie Ernaux’ und Didier Eribons Veröffentlichungen erkannten und diese
       hymnisch feierten.
       
       Vielleicht galt „Sonja“ nicht so viel, weil es „nur“ ein Taschenbuch war?
       Noch dazu feministisch inspiriert und „nur“ über Lesben? Die
       Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel kritisierte den Text als quasi
       unsäglich. Es hat mich zwar enttäuscht, aber es war auch okay, denn
       immerhin lasen mein Buch ja die richtigen Leute. Die würdigten es
       allerdings nicht literarisch, sondern nahmen es als Lebenshilfe.
       
       Wir fühlten uns gesehen. 
       
       Viele Leserinnen schrieben mir über den Verlag, sie hätten sich in mich
       verliebt und wollten mich jetzt kennenlernen. Manche waren in ihrem
       Versteck emotional so ausgehungert, dass sie dachten, sie hätten einen
       Anspruch auf mich. Eine fuhr sogar bis nach Hannover, sie hatte meine
       Telefonnummer herausbekommen, rief mich an und sagte, nun wolle sie mich
       besuchen. Ich sagte, nein, ich will keinen Besuch, und sie verstand die
       Welt nicht mehr. Aber ich musste mich vor diesen Ansprüchen schützen.
       Ansonsten war es mir recht, wenn „Sonja“ als Überlebenshilfe verstanden
       wurde. Das Buch hatte nicht den Anspruch auf künstlerische Qualität …
       
       … und hatte sie immens, falls ich mir die Bemerkung erlauben darf …
       
       Ich schrieb mein Buch im selben Stil, wie ich Briefe an Freundinnen
       schrieb, es sollte ja gut lesbar sein, verständlich, direkt, authentisch.
       Kein literarisches Auftrumpfen: „Seht her, wie schön ich schreiben kann!“
       
       Woher nahmen Sie die Kraft, ein Memoir zu schreiben, das ebenso gut andere
       lesbische Frauen in Ihrer bildungsbürgerlichen Sphäre hätten schreiben
       können – aber kniffen? 
       
       In der ersten Zeit der Trauer nach Sonjas Tod, im März 1976, ging gar
       nichts. Ich war buchstäblich fertig. Aber ich war schon seit Herbst 1975
       wieder in Psychoanalyse, mein Analytiker hat mich ermutigt, dieses Buch
       über die Zeit mit Sonja zu schreiben. Ihm las ich die ersten Passagen vor,
       dann die nächsten, das war, als lieferte ich Hausaufgaben ab. Und das war
       gut. Er regte auch an, dass ich in Zürich eine Lesbengruppe besuche, und
       dort las ich Ausschnitte vor. Ich wollte etwas dafür tun, dass das nicht
       wieder vorkommt, so ein Selbstmord wie bei Sonja. Die Gesellschaft war da
       an uns schuldig geworden, das verdiente, aufgeschrieben zu werden.
       
       Sie suchten psychoanalytische Hilfe? 
       
       Ja, ich hatte damals keine Wahl. Ich dachte, das, was mit mir ist, das ist
       nicht in Ordnung, das sollte weg.
       
       Dabei ist es womöglich das Beste an Ihnen: Ihre Art zu lieben, Frauen eben,
       was doch völlig normal ist. 
       
       Aber doch nicht damals! Ich suchte psychologische Hilfe, um mich umpolen zu
       lassen. Das ist ein erschreckendes Wort, aber ich konnte diesen Druck nicht
       mehr aushalten, dieses Anderssein, das nicht erkannt und gezeigt werden
       durfte. Der Analytiker winkte natürlich sofort ab, er gab mir stattdessen
       Alice Schwarzer und Kate Millett zu lesen, das war der Anfang meiner
       Heilung. Die Erkenntnis, dass ich normal bin, musste ich mir mühsam
       erarbeiten.
       
       Vier Jahrzehnte nach Ihrer Veröffentlichung von „Sonja“ erfahren wir von
       Ihnen nun etwas über die Dinge, die Sie davor erlebt haben. In „Gegen das
       Schweigen“ schildern Sie Ihre ergreifenden, beklemmend allgemeingültigen,
       manchmal kuriosen, aber auch sehr lustigen Erinnerungen an Ihre Kinder- und
       Jugendjahre. Wie kommt es, dass Sie nach so langer Zeit noch einmal ein
       literarisches Buchprojekt gestartet haben? 
       
       In der Coronazeit saß ich ja in Hannover fest. 18 Monate konnten meine
       Partnerin, die inzwischen meine Frau ist, und ich uns wegen der
       Reisebeschränkungen nicht sehen. Es war die Zeit der Lockdowns – und ich
       fühlte mich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen so alleine nicht
       einsam. Ich war es ja gewohnt, ich war trainiert seit frühesten Kinder- und
       Jugendtagen, die Gesellschaft als Feind zu sehen und mit mir allein
       klarkommen zu müssen und auch zu können.
       
       Über das Innerste nicht sprechen zu dürfen, keinen normalen Austausch zu
       haben, das übt in der Kunst, allein sein zu können. Die Coronazeit
       erinnerte mich also intensiv an den „lesbischen Lockdown“ meiner Jugend.
       Und so entschloss ich mich schließlich dazu, dieses Buch zu schreiben.
       
       „Sonja“ ist ja vor allem in homosexuellen Kreisen breit rezipiert worden.
       Glauben Sie, dass Sie mit Ihrem neuen Buch die breite Masse erreichen
       werden? 
       
       Falls Heterosexuelle fragen, was geht mich das an, antworte ich: Es ist
       auch für euch geschrieben, denn die meisten von euch wollen ja Eltern
       werden, und ihr habt eine zehnprozentige Chance, dass eure Tochter lesbisch
       oder euer Sohn schwul wird. Ich erzähle euch, wie es damals war – damit ihr
       dafür sorgt, dass eure Kinder nicht dasselbe durchmachen müssen wie ich.
       Denn die Homophobie ist mit der 2018 eingeführten Ehe für alle ja nicht
       verschwunden.
       
       „Gegen das Schweigen“ endet kurz vor den aufrührerischen Jahren, die wir
       historisch als „Achtundsechziger“ verstehen. Diese Studentenbewegung fand
       für Sie offenbar nicht statt. 
       
       Nein, sie ging an mir vorbei. Sonja und ich waren mit anderen Sachen
       beschäftigt. Sie saß im Rollstuhl, wir wollten raus aus dem
       Studentenwohnheim und mussten in Hamburg überhaupt erst mal eine Wohnung
       finden für uns. Als lesbisches Paar waren wir zwar nicht sichtbar, man
       hielt uns, arglos, ließe sich sagen, für eine behinderte Frau mit ihrer
       Betreuerin. Aber die sogenannte Barrierefreiheit gab es nicht einmal als
       Konzept. Wenn eine Wohnung für uns erschwinglich war, gab es meist keinen
       Fahrstuhl. Die Suche nach einem Zuhause für uns war quälend und dauerte
       über ein Jahr. Kurzum: Wir hatten 1968 wirklich andere Sorgen.
       
       In Ihren aufgeschriebenen Erinnerungen an Ihre Jugend schildern Sie sehr
       nahbar Ihre glühende Liebe zu Charlotte, die vermutlich in Wahrheit nicht
       so heißt. 
       
       Nein, so heißt sie nicht. Aber ja, sie ist die zentrale Figur in meinem
       Buch. Ich war eng mit ihr befreundet und oft in ihrer Familie eingeladen.
       Sie war sehr intelligent und, wie ich, anders als die anderen und
       faszinierte mich schon deswegen. Aber kurz nachdem wir uns angefreundet
       hatten, befiel mich eine Art Besessenheit, die ich vorher nicht gekannt
       hatte. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Charlotte. Das war
       etwas anderes als Schwärmerei, etwas ganz anderes. Ich wusste kein Wort
       dafür, ich konnte mich an niemanden wenden. Ich wusste nur, dass ich nicht
       darüber sprechen durfte, es war, wie man es heute nennen würde, unsagbar.
       
       Und Charlotte selbst? 
       
       Nein, ganz ausgeschlossen, ihr konnte ich davon schon gar nichts erzählen.
       Ich dachte, ich verlöre sie dann, ich würde aus dem Haus geworfen, meine
       Reputation wäre hin, mein Standing, alles. Dieser quälende Zustand hielt
       sieben Jahre an.
       
       Die Situation war, wie Rosa von Praunheim aus schwuler Perspektive damals
       seinen berühmten Film betitelte, skandalös: „Nicht der Homosexuelle ist
       pervers, sondern die Situation, in der er lebt.“ Es war durch die
       schweigende Übereinkunft der Mehrheitsgesellschaft verboten – Sie durften
       nicht sie selbst sein. 
       
       Um Rosa von Praunheim zu ergänzen: „Nicht die Homosexuelle ist pervers …“
       Ich musste mich finden, aber das kam erst Ende der siebziger Jahre, dieser
       Prozess des Umdenkens. Ich durfte allmählich wütend werden und mich
       emanzipieren. Das klingt möglicherweise etwas pathetisch, aber ja, ich
       musste mich aus dem Elend der Nichtsagbarkeit herausarbeiten zu einem
       lesbischen Selbstbewusstsein.
       
       [4][Eine wichtige Rolle für die Begründung der Lesbenbewegung in jenen
       Jahren] war der diskriminierende Umgang mit den beiden Angeklagten Marion
       Ihns und Judy Andersen, die zusammen waren und den Mann von Ihns umgebracht
       hatten. 
       
       Das war 1973/74, etwa drei Jahre vor Sonjas Tod und meinem allmählichen,
       sehr vorsichtigen Coming-out. Wir beide verstanden den Prozess nicht als
       Anlass zu feministischem Protest und Widerstand, sondern in erster Linie
       wieder als Warnung: Das passiert mit Lesben, wenn es herauskommt. Sie
       werden von der Presse erbarmungslos verteufelt und in der Luft zerrissen!
       
       Sie waren in jener Zeit sowohl promoviert als auch schon habilitiert als
       Anglistin, Sprachwissenschaftlerin. Ahnten Sie, als Sie die feministische
       Sprachkritik aus den USA zur Kenntnis nahmen, dass Sie die Welt der
       deutschsprachigen Grammatik und ihrer angeblich „unverrückbaren“
       Schreibweisen in den kommenden Jahrzehnten auf den Kopf stellen würden? 
       
       Jein. Ich war Wissenschaftlerin, ich hatte das erreicht, was ich mir in
       meiner Schulzeit fantasiert hatte. Heisenberg-Stipendiatin war ich auch,
       und gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Ich war in meinem
       Fach gut. Mein Selbstbewusstsein war ausreichend, mich zu fragen: Müsste
       nicht auch die deutsche Sprache, Grammatik wie Wortschatz, einer
       feministischen Kritik unterzogen werden?
       
       So wurden Sie Erfinderin des Binnen-I. Die taz war in den frühen achtziger
       Jahren die erste Zeitung, die es in ihrer Publizistik nutzte. Dürfen wir
       stolz sein, diesem avantgardistischen Schritt gefolgt zu sein?
       
       Ja, können Sie. Allerdings habe nicht ich das Binnen-I erfunden, sondern
       ein Schweizer Journalist namens Christoph Busch. Aber ich habe es als
       kreative Lösung im gesamten deutschsprachigen Raum propagiert. Bis heute
       finde ich das Beharren von LinguistInnen nicht einleuchtend, warum das
       Deutsche sich auf das generische Maskulinum beschränken sollte. Dafür gibt
       es sprachwissenschaftlich keinen vernünftigen Grund außer dem, dass Frauen
       unsichtbar bleiben sollen. Für diesen Zweck ist das generische Maskulinum
       unübertroffen.
       
       Fiel man Ihnen in Ihrer universitären Szene vor Liebe und Respekt um den
       Hals, als Sie in ersten Aufsätzen feministische Sprachkritik übten? 
       
       Feine Frage, danke. Nein, im Gegenteil.
       
       Sie ernteten Hass, bis in die jüngere Zeit, so ist es in Archiven
       erschütternd deutlich nachzulesen. 
       
       Ja, offene Ablehnung und subtilere Varianten der schroffen Ablehnung, das
       alles gab es. Und natürlich auch Zustimmung, vor allem aus der
       Frauenbewegung, aus dem Feminismus.
       
       Dass Sie nie einen Job als Professorin bekamen, lag das auch an diesen
       konservativen Fronten? 
       
       Woran sonst? Die sprachwissenschaftlichen Fachbereiche waren nicht nur
       männlich dominiert, vielmehr gab es damals so gut wie keine Frauen, schon
       gar nicht solche wie mich. Man wollte offenkundig auf keinen Fall eine
       Luise F. Pusch, die auch noch StudentInnen ausbildet, die in der Zukunft
       wiederum Einfluss haben würden.
       
       Es kam anders – Sie hatten und haben ja massiven Einfluss, publizistisch
       beispielsweise. 
       
       Ich hatte Vertretungsstellen an Universitäten, ja, ich war in Konstanz
       lange wissenschaftliche Mitarbeiterin, und fast wäre ich noch mit einem
       Lehrstuhl in Bielefeld belohnt worden, aber das konnten die Bielefelder
       Kollegen zusammen mit dem damaligen Wissenschaftsminister Rolf Krumsiek
       trotz studentischer Proteste in ganz Deutschland gerade noch verhindern.
       Aber ich hatte trotzdem genug zu tun – viele Jahre den „Frauenkalender“
       herausgegeben, Aufsätze und Bücher verfassen, pausenlos Vorträge halten.
       
       Die Geschichte feministischer Sprachkritik hörte weder mit Ihrem Binnen-I
       auf noch endete sie mit Ihrer massiven Intervention, dass auch alles mit
       einem generischen Femininum geschrieben sein könnte – dass also auch Männer
       mit „Professorin“ gemeint sein könnten. 
       
       Nein, Sprache ist ja immer im Wandel, es hängt an den Sprechpraxen, wie
       sich welches Neue durchsetzt.
       
       Jetzt alles mit Sternchen * und Gender-Gap _ beziehungsweise Glottisschlag? 
       
       Ich plädiere erst einmal dafür, dass nichts wie bei einem Diktat
       vorgeschrieben wird. Sprache entwickelt sich, wie die deutsche Sprache seit
       Jahrhunderten auch. Der Knacklaut, der ja für das Deutsche typisch ist, den
       wir allerdings inzwischen im Fernsehen und Radio an ungewohnten Stellen
       hören, also dieser Glottisschlag: Warum nicht? Den habe übrigens ich in den
       1980er Jahren „erfunden“ beziehungsweise vorgeschlagen, allerdings damals
       als lautliche Entsprechung des Binnen-I. Wenn der sich durchsetzt, wird es
       so sein. Mit dem Sternchen und bestimmten anderen Schreibweisen hadere ich
       manchmal.
       
       In Ihren Erinnerungen „Gegen das Schweigen“ wird das Sternchen nach einem
       Substantiv verwendet, also Leserinnen*. So wäre es richtig? 
       
       Sieht fast aus wie ein generisches Femininum, nicht wahr? Eigentlich bin
       ich für eine Fusion aus Binnen-I und Genderstern, aber das lassen wir jetzt
       mal. Wichtig ist mir, dass das Sternchen nicht als Platzhalter
       interpretiert wird, wie beispielsweise in „Leser*innen“. Denn damit stünde
       das Maskulinum, hier „Leser“, für die Männer, das Sternchen für die
       Diversen, und danach die Endung „innen“ für uns Frauen. Das ist nicht
       einleuchtend, sondern kränkend.
       
       Das Sternchen sollte als Metasymbol verstanden werden, ähnlich wie
       Anführungsstriche. Die besagen „Dies ist ein Zitat“ oder „Dieses Wort ist
       ironisch gemeint“. So sollte das Sternchen gelesen werden als „Dieses
       Femininum steht für beide Geschlechter sowie Diverse“.
       
       [5][Mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz] der Regierung soll es bald
       möglich sein, vor dem Einwohnermeldeamt sein oder ihr Geburtsgeschlecht in
       das empfundene eigentliche Geschlecht ändern zu lassen. Sie befürworten
       das? 
       
       Nein – das geplante Gesetz ist nicht genügend durchdacht und lädt zum
       Missbrauch ein. Diese Erkenntnis setzt sich international immer mehr durch,
       ausgehend von Großbritannien, wo das Selbstbestimmungsgesetz ohne
       sorgfältige Rechtsfolgenabschätzung zu einer Regierungskrise in Schottland
       geführt hat. Ein rechtskräftig verurteilter Vergewaltiger hatte sich zur
       Frau erklärt, um in ein Frauengefängnis zu kommen. Das hat die Gesellschaft
       einfach nicht mehr hingenommen, und die schottische Regierungschefin Nicola
       Sturgeon musste abdanken. Frauen haben ein Recht auf Schutzräume vor
       Männergewalt, sei es in einem Gefängnis, auf einer Krankenstation, in einem
       Frauenhaus oder in einer Sauna.
       
       Sie werden sich für diese Aussage mit großer Sicherheit massive Kritik
       einhandeln. 
       
       Ich kenne den Zustand, kritisiert zu werden, ich bin das gewohnt – und
       berufe mich auf meine Urteilsfähigkeit. Dass ich die feministischen
       Errungenschaften in Gefahr sehe, ist doch nicht per se kritikwürdig. Ich
       stand vor 44 Jahren mit meinem Urteil über die deutsche Männersprache auch
       ziemlich allein da und wurde als „männerfeindlich“ beschimpft, weil ich
       mich für Frauen einsetzte – inzwischen konnte ich bei dem Thema viele
       überzeugen. Und meine Kritik am geplanten Selbstbestimmungsgesetz teilen
       ganz viele. Neuerdings werde ich als „transfeindlich“ beschimpft, weil ich
       mich für Frauenrechte einsetze. Die eine wie die andere Diffamierung ist
       haltlos und hat nicht funktioniert oder wird nicht funktionieren.
       
       Wenn Sie heute versuchen, aus der Perspektive des Mädchens, das Sie mal
       waren, anzuschauen, was Ihnen in Ihrem Leben gelang: Wie empfinden Sie das? 
       
       Ich bin meinen Weg nicht allein gegangen. Als die Frauenbewegung immer
       vernehmlicher wurde, sichtbarer, hörbarer, auf allen Ebenen, hatte ich zum
       ersten Mal Hoffnung. Als ich jünger war, Kind und dann Jugendliche, hatte
       ich das Gefühl, das wird nie besser: Lebenslänglich im Versteck! Die
       Aussicht war grauenvoll, so ein Leben ist nicht lebbar.
       
       Sie sind glücklich in Ihrer Liebe zu Ihrer Frau, Sie schreiben, dass Sie
       Ihre Geschwister immer an Ihrer Seite wussten – knapp gefragt: Sind Sie im
       Blick auf Ihr Leben mit sich selbst zufrieden? 
       
       Ja.
       
       17 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Feministische-Linguistin-Luise-F-Pusch/!5904922
 (DIR) [2] https://l-wiki.ch/images/c/cc/Gespr%C3%A4ch_mit_Judith_Offenbach_in_Lesbenfront_Frau_Ohne_Herz.pdf
 (DIR) [3] /Wo-bleibt-der-Abgrund-im-lesbischen-Alltag/!1865733/
 (DIR) [4] /Archiv-Suche/!1264436&s=andersen+ihns&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [5] /Expert_in-ueber-Selbstbestimmungsgesetz/!5926716
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Gendergerechte Sprache
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Schwulen- und Lesbenpolitik
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
 (DIR) Kai Wegner
 (DIR) Lesestück Meinung und Analyse
 (DIR) Germanwings
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gender-Verbot an Unis und Behörden: Verbotspartei CSU
       
       An bayerischen Schulen, Hochschulen und Behörden darf nicht mehr gegendert
       werden. Strafen in Schulen sind nicht geplant. Ein überflüssiges Verbot.
       
 (DIR) Gendern an Schulen: Ohne Punkt, Komma und Stern
       
       Seit diesem Schuljahr darf an Sachsen-Anhalts Schulen nicht mehr mit
       Sonderzeichen gegendert werden. Eine Anleitung zum linguistischen
       Widerstand.
       
 (DIR) Kai Wegner gegen gendergerechte Sprache: Der Weiterbildungsverweigerer
       
       Berlins Bürgermeister (CDU) spricht sich gegen „Gendersprache“ aus. Ein
       Beispiel für rechte Kulturkämpfe, die das Scheitern von Politik kaschieren
       sollen.
       
 (DIR) Debatte Geschlechtergerechte Sprache: Eine für alle
       
       Auch der Genderstern macht die deutsche Sprache nicht geschlechtergerecht,
       meint die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch. Wie ginge es besser?
       
 (DIR) Die Sprachkritikerin Luise F. Pusch: Der Crash und die Frauenquote
       
       Luise F. Pusch ist eine Heldin der feministischen Sprachkritik. Dann hatte
       sie eine Idee: die Frauenquote fürs Cockpit. Es folgte ein Shitstorm.
       
 (DIR) Linguistin Luise F. Pusch: "Worte sind die Sache selber"
       
       man oder frau: Luise F. Pusch hat die feministische Linguistik
       mitbegründet. Sie erklärt, wie ihre Analyse der Männersprache Deutsch sie
       die Karriere gekostet hat und wie die Chancen für eine Revolution der
       Zeichen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit stehen.