# taz.de -- Politologe über Bremer Wahlkampf: „Erstaunlich inhaltsleer“
       
       > Der Bremer Politikwissenschaftler Andreas Klee spricht zum taz-Salon über
       > schwächelnde Grüne, beliebte Linke und die Misere in der Bildungspolitik.
       
 (IMG) Bild: Die Bremer SPD setzt voll auf ihren Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Der Rest verschwimmt etwas
       
       taz: Herr Klee ist Wahlkampf das richtige Wort für das, was in Bremen
       gerade stattfindet – die Auseinandersetzung plätschert doch eher dahin,
       oder? 
       
       Andreas Klee: Das ist auch unser Eindruck hier an der Universität Bremen.
       Der Wahlkampf ist erstaunlich inhaltsleer im Moment. Ich glaube, keine der
       Parteien traut sich so richtig, auch wenn die CDU einen klaren Fokus auf
       die Bildungspolitik hat. Die SPD hat außer dem Spitzenkandidaten nicht viel
       zu bieten.
       
       Gibt es also keine gesellschaftlichen Themen, die diskutiert werden
       müssten? 
       
       Ich habe hier keine empirische Evidenzen, aber es ist natürlich ein Problem
       in Bremen, dass alle interessanten Themen seit Jahrzehnten maßgeblich von
       der SPD verantwortet werden. Wenn sie die Bildungspolitik thematisieren
       würde, gäbe es wenig Positives zu berichten. Die Umwelt- und
       Verkehrspolitik ist zwar ein brisantes Thema, aber die Persönlichkeitswerte
       der zuständigen grünen Senatorin sind relativ schwach. Also lässt man
       dieses Thema auch eher raus. Bildung, Mobilität und Innere Sicherheit sind
       aber wohl die drei Themen, die die Menschen momentan am meisten umtreiben.
       
       Trotzdem kann die CDU kaum punkten. 
       
       Ja. Die einzige Chance der CDU ist ja die Große Koalition. Ich glaube, sie
       versucht, nicht so hart mit der SPD ins Gericht zu gehen, um nach der Wahl
       noch gesprächsfähig zu sein.
       
       Schwarz-Grün ist aus Ihrer Sicht keine Option in Bremen? 
       
       Nein. Das würde ich komplett ausschließen, da sind die ideologischen
       Unterschiede zu groß.
       
       Die Abneigung der SPD gegen eine Große Koalition ist nicht mehr so groß wie
       2019. 
       
       Das würde ich auch so sehen. Wir hatten 2019 ja schon den eindeutigen
       Wähler:innen-Willen, für eine Große Koalition. Das sollte die SPD kein
       zweites Mal ignorieren. Und eine Koalition der Mitte lässt sich in einem
       krisengeschüttelten Bundesland vielleicht auch ganz gut verkaufen.
       
       Im Moment reduziert sich der Wahlkampf auf Bürgermeister Andreas
       Bovenschulte (SPD) und Herausforderer Frank Imhoff (CDU). 
       
       Er ist jedenfalls sehr stark personenzentriert. In Bremen ist der jeweilige
       SPD-Bürgermeister bei vielen die einzige Person, die überhaupt politisch
       wahrgenommen wird. Und Bovenschulte kann gut auf sich aufmerksam machen,
       während er Gitarre spielend durch die Stadt tingelt. Die CDU hat einen
       volksnahen Kandidaten, der ihr nichts verbaut, der aber auch nicht viel
       gewinnt. Das war 2019 bei Carsten Meyer-Heder noch anders, der kam als
       erfolgreicher Unternehmer und war als Quereinsteiger eine Überraschung.
       
       Wie ist die Lage der Grünen? 
       
       2019 haben sie noch stark davon profitiert, dass sie für [1][Klimaschutz]
       stehen und bundespolitischen im Aufwind waren. Zudem hatten sie viele junge
       Wähler:innen. Doch wie lange ist deren Atem? Jetzt haben wir viel
       Unklarheit im Bezug auf die Mobilitätswende und das Missverständnis, dass
       viele Leute immer noch denken, sie müssten 2024 dank Robert Habeck ihre
       Gas- und Ölheizungen rausreißen. Da kommt gleich das Schreckgespenst der
       Verbotspartei hoch. Die [2][Bremer Grünen leiden aber auch unter ihrer
       Spitzenkandidatin Maike Schaefer]: Sie hat im Vergleich die schlechtesten
       Bewertungen und zieht ihre Partei nach unten. Sie schadet den Grünen eher.
       
       Anders als die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Wirtschaftssenatorin
       Kristina Vogt? 
       
       Ja. Sie hat ebenso wie Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard sehr hohe
       Zustimmungswerte. Viele attestieren ihr, gute Arbeit in der Pandemie
       geleistet zu haben. Und ich glaube nicht, dass Die Linke für ihre
       bundesweit desolate Lage abgestraft wird: Sie haben sich aus dem
       Richtungsstreit rausgehalten und mit Kristina Vogt eine sehr pragmatische
       Kandidatin, die sowohl bei der Handels- als auch bei der Arbeitnehmerkammer
       beliebt ist.
       
       Welche Wahlbeteiligung erwarten Sie? 
       
       Ich könnte mir vorstellen, dass das deutlich schlechter ausfällt – 2019 war
       sie ja noch angestiegen. Ich fürchte, es gehen weniger junge Menschen
       wählen, auch weil sie desillusioniert sind. Außerdem geht es jetzt nicht
       mehr darum, die AfD zu verhindern, [3][die hat sich ja selbst verhindert].
       Davon werden neben den Nicht-Wähler:innen vor allem die „Bürger in Wut“
       profitieren. Die sind aber nicht so bekannt und mobilisieren deshalb
       weniger Wähler:innen. Der Vorsprung für Bovenschulte ist aber auch
       schlecht für die Wahlbeteiligung.
       
       War es eine gute Idee der CDU, auf die Doppelspitze aus dem
       Bürgerschaftspräsidenten und der Klimapolitikerin Wiebke Winter zu setzen –
       und nicht auf klare Führung? 
       
       Ja! Es war so eine gute Möglichkeit, eine ganz offene Flanke innerhalb der
       CDU zu füllen: Das Thema Klimawandel war ja überhaupt nicht mit Personen
       besetzt. Wiebke Winter ist eine eloquente Kandidatin, sie ist eine Frau,
       eine jüngere Kandidatin, sie steht auch für Bremerhaven. Frank Imhoff ist
       ein total netter Kerl, aber ihm fehlt etwas. Die CDU gewinnt durch das
       Tandem also mehr als sie verliert.
       
       Imhoff steht inhaltlich für nichts, anders als Meyer-Heder oder Winter. 
       
       [4][Als Bürgerschaftspräsident musste er sich zwar aus dem Tagesgeschäft
       raushalten], er ist mir aber auch vorher nicht besonders aufgefallen als
       ein programmatischer Vordenker in irgendeine Richtung.
       
       Die Umfragen sprechen aber noch für ein Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und
       CDU. 
       
       Ja. Ich dachte, dass Bovenschulte stärker von seiner schlauen Performance
       während der Pandemie profitieren würde. Jetzt werden die alten Probleme
       aber wieder sichtbarer, vor allem die Misere in der Bildungspolitik. Und da
       passiert seitens der SPD sehr wenig. Ich kann da keinerlei Konzept
       erkennen. Ich würde trotzdem vermuten, dass der Abstand zwischen CDU und
       SPD noch größer wird, zugunsten der SPD. Die Grünen werden eher noch
       verlieren. Bei der FDP wird bis zum Schluss wohl unklar sein, ob sie den
       Wiedereinzug schafft.
       
       Und nach der Wahl bekommen wir dann wieder einen rot-grünen Senat? 
       
       Ich glaube, darauf läuft es am Ende hinaus.
       
       24 Apr 2023
       
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