# taz.de -- Veränderte Körper nach der Geburt: Your Body is a Horrorland > Würden wir in einer besseren Welt leben, dann gäbe es für mindestens die > ersten zwei Jahre nach der Geburt eine speziell bezahlte Nachsorge. (IMG) Bild: „Neun Monate kommt’s, neun Monate geht’s“ ist eine dreiste Lüge Vor einigen Tagen habe ich gelesen, dass eine Momfluencerin auf Instagram dafür kritisiert wurde, dass sie jetzt „auch ständig“ Sport mache mit ihrer neuen Personal Trainerin. Dass andere – vermeintlich Mütter – darauf säuerlich reagierten, sich gar verraten fühlten, hat mich nachdenklich gemacht. Denn ja, generell ist die online oft gepredigte „Body Positivity“ eine üble Sache und [1][„Body Neutrality“], also die neutrale Einstellung dem Körper gegenüber, der realistischere Anspruch. Aber beides hat für mich nichts – aber auch gar nichts – mit dem zu tun, was Gebärende durchmachen. Denn wer versucht, seinen postpartalen Körper in Form zu bringen, eifert meist gar keinem Schönheitsideal von einem Laufsteg hinterher, sondern dem [2][eigenen Körper, der irgendwo nach einer oder mehreren Geburten verloren gegangen ist]. Denn auch wenn sich eine Schwangerschaft über Monate zieht, verliert man seinen Körper gefühlt über Nacht. Während schwangere Körper meist bewundert werden, ist der verachtete „After-Baby-Body“ ein schlaffes, aufgedunsenes, geplagtes Etwas, mit einer Menge undichter Körperöffnungen. ## Mehr als nur Dehnungsstreifen Gesellschaftlich wird dieses Thema gern diskutiert, als ginge es nur um ein paar Dehnungsstreifen, die man putzig „Tigerstreifen“ nennen und bitte mit Stolz tragen solle. Doch viele Gebärende beschäftigt Monate und Jahre nach der Geburt noch ganz anderes: Rektusdiastase, also ein Spalt an der Bauchwand, Blasensenkung oder Gebärmuttersenkung. Harn-, Stuhl- oder Luftinkontinenz. Hormonstörungen, Krampfadern, Nährstoffmangel, [3][Depression] oder Angstzustände. Kilos, die sich gar nicht mehr abschütteln lassen, schlaffe Brüste, Bauchhaut, wie ein benutzter Luftballon. Gelenkschmerzen, Haarausfall, trockene Haut. Für viele ist es ein plötzlicher, absoluter und oft andauernder Kontrollverlust über den Körper – der zu allen anderen Anstrengungen noch dazukommt. Es hilft nicht, Leuten ein flapsiges „Neun Monate kommt’s, neun Monate geht’s“ an den Kopf zu werfen. Denn für viele ist es danach nicht vorbei, sie haben jahrelang, manche ein Leben lang, Schmerzen oder andere Beeinträchtigungen. Die meisten Ärzt*innen sind dabei mehr Hürde als Hilfe. Dem Vorurteil, das sei alles normal und Mütter ließen sich oft einfach „zu sehr gehen“, ist in Arztpraxen nur mit Geld und Geduld zu entkommen. Sehr oft fehlt es offensichtlich an Ausbildung. In einer besseren Welt gäbe es für mindestens die ersten zwei Jahre nach der Geburt eine spezielle bezahlte Nachsorge. Zentrale Teams einfühlsamer Expert*innen aus Gynäkologie, Urologie, Proktologie, Endokrinologie, Psychotherapie, Ernährungsberatung und Orthopädie. Und Krafttraining. Denn alles, was hier verschleppt wird, wird sich im Alter doppelt rächen. Seit ich vor sechs Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, denke ich über diese Fahrlässigkeit nach, und ein Gedanke, der stets bleibt, ist: Wenn cis Männer gebären würden, gäbe es das alles längst. 20 Jun 2023 ## LINKS (DIR) [1] /Schauspielerin-Gwyneth-Paltrow/!5920086 (DIR) [2] /Postpartaler-Koerperkult/!5847043 (DIR) [3] /Petition-der-Woche/!5663938 ## AUTOREN (DIR) Saskia Hödl ## TAGS (DIR) Influencer (DIR) Eltern (DIR) Mutterschaft (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Body Positivity (DIR) Frauenkörper (DIR) Körper (DIR) Schwangerschaft (DIR) Geburt (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Kolumne Kinderspiel ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Autorin über Gewalt bei Geburten: „Kinder kriegen und Klappe halten“ Verbale Übergriffe und körperliche Gewalt: Gebärende machen belastende Erfahrungen im Kreißsaal, sagt Lena Högemann. Warum das so ist und was sich ändern müsste. (DIR) Urlaub mit Kindern: Ich hab’s mir nicht so ausgesucht Mit Kindern kommt die häufige Enttäuschung. Etwa wenn ständig Termine abgesagt werden müssen – oder wenn das Geld wieder nicht für den Urlaub reicht. (DIR) Schulstart für Kinder: Jetzt fängt der Ernst des Lebens an Es ist eine seltsame Tradition, dass Kindern vor der Einschulung oft Angst gemacht wird. Unsere Autorin versucht eine andere Strategie. (DIR) Bügelflicken als Mangelware: Hosen sind politisch Bei unserer Kolumnistin stapeln sich die Kinderhosen mit Löchern, zum Flicken ist kaum Zeit. Und wieso kann man eigentlich nirgends mehr Flicken kaufen? (DIR) Kindererziehung für öffentlichen Raum: Wie Kinder im Alltag schützen? Für Eltern ist es eine heikle Frage: Würde das eigene Kind mit Fremden mitgehen? Oder würde es sich wehren, wenn ihm jemand zu nahe kommt?