# taz.de -- Evangelischer Kirchentag in Nürnberg: Im Namen der Heiligen Geistkraft
       
       > Das Feministische Andachtskollektiv vermittelt beim Kirchentag ein
       > geschlechtergerechtes Sprechen über G*tt. Nicht alle Gläubigen sind
       > begeistert.
       
 (IMG) Bild: Bloggen über Glauben: Pfarrerinnen Maike Schöfer und Lena Müller auf dem Kirchentag in Nürnberg
       
       NÜRNBERG/FÜRTH taz | „Jepp, ich weiß“, Pfarrerin Lena Müller, pinke Haare,
       Glitzerrock, Brille, stößt Luft aus: „Ganz schön viele Menners.“ Gerade hat
       sie in der „Digital-[1][feministischen Andachtswerkstatt]“ beim
       Evangelischen Kirchentag ein klassisches christliches Votum, wie es in
       vielen Gemeinden zu Beginn eines Gottesdienst verlesen wird, auf die
       Leinwand gebracht: „Im Namen unseres Herrn, unseres Richters“ heißt es da
       zum Beispiel.
       
       Die 31-jährige Pfarrerin beginnt den Gottesdienst in ihrer Heimatgemeinde
       in Berlin-Neukölln anders. Ihre Version: „Im Namen G*ttes, der Quelle des
       Lebens, im Namen Jesu Christi, Himmel auf Erden und im Namen der Heiligen
       Geistkraft, Feuer des Glaubens, Amen.“ Die Dreifaltigkeit werde so
       abgebildet, ganz ohne männliche Begriffe, erklärt Müller: „Da hab ich dann
       irgendwie ein bisschen mehr Bock auf meinen Gottesdienst.“
       
       Müllers Perspektive findet bei ihren Kirchentags-Zuhörer*innen großen
       Anklang. Der kleinere Raum in der Stadthalle Fürth, wo sie den Workshop
       gemeinsam mit der Pfarrerin Maike Schöfer, ebenfalls aus Berlin, anbietet,
       ist voll. Nicht alle Interessierten können teilnehmen.
       
       [2][Müller] und Schöfer bloggen beide auf ihrem Instagram-Kanälen über ihre
       Arbeit in ihren Gemeinden, aber auch über ihre Perspektiven auf Theologie.
       Eines ihrer Themen: Wie kann man anders gemeinsam beten, wie anders segnen,
       wie feministisch predigen? „Es hilft, wenn man sich dafür Verbündete
       sucht“, sagt Lena Müller.
       
       Bibelstellen auseinandernehmen 
       
       Deshalb haben die beiden im ersten Coronalockdown ein Kollektiv gegründet.
       Das „Feministische Andachtskollektiv“ will auf Instagram Anregungen geben,
       wie man die starren „Das machen wir schon immer so“-Abläufe im Gottesdienst
       aufbrechen kann. Und zeigen, dass eine Andacht auch digital funktioniert.
       
       Maike Schöfer beschreibt, dass sie selbst nicht christlich-geprägt
       aufgewachsen ist und sie damit gehadert hat, sich mit den Gebeten
       anzufreunden, wie sie in Gemeinden praktiziert werden. Diese Gebete hätten
       sie verschreckt: „Sorry, aber so bete ich nicht zu Gott.“ In ihrer
       theologischen Ausbildung kam sie selten in Kontakt mit feministischen
       Gebeten.
       
       Umso bereichernder sei für sie nun das Kollektiv. Besonders durch den
       digitalen Raum könnten die Gottesdienstgestalter*innen sich
       ausprobieren, Nischenthemen platzieren, auch mal anecken. „Eine Predigt
       muss auch nicht den Anspruch haben, dass ihr zugestimmt wird. Sie soll auch
       unbequem sein“, sagt Maike Schöfer.
       
       Im Workshop in Fürth zeigen Müller und Schöfer den Teilnehmenden
       Bibelstellen, die empowernde [3][queere Perspektiven] zeigen oder auch
       diskriminierend sind. Wenn im Buch Levitikus eine Frau, die menstruiert als
       „unrein“ bezeichnet wird, dann könne man das in einer Predigt heute doch
       gut auseinandernehmen, meint Lena Müller.
       
       Anfeindungen und krasse Nachrichten im Netz 
       
       Die Diskussionen, die sie damit in ihrer Gemeinde anstößt, erlebt sie als
       spannenenden Diskurs. Nur selten gebe es im persönlichen Austausch
       Anfeindungen. „95 Prozent der Reaktionen sind meganett. Menschen, sagen mir
       etwa: Ich hab das immer so gefühlt, aber hatte nie die Worte dafür. Endlich
       sagt es mal jemand“, berichtet Lena Müller. Im Netz gebe es natürlich auch
       mal krassere Nachrichten: „Mir wurde schon geschrieben: Du kommst in die
       Hölle und ich freue mich darüber.“
       
       In Fürth merkt man am Donnerstagvormittag, dass beide mit ihren Postings
       vor allem viele jüngere, feministische Personen erreichen. Sie sind
       gekommen, weil sie ihnen schon lange bei Social Media folgen. Nach dem
       Workshop fragen einige Teilnehmer*innen, ob sie gemeinsame Fotos machen
       können. „Auch zu den Gottesdiensten kommen häufig Menschen, die mich von
       Social-Media kennen“, erzählt Müller. Digitale Kirche findet manchmal eben
       auch live statt, vor Ort.
       
       8 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Feminismus-beim-Kirchentag/!5604794
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/metablabla/?hl=de
 (DIR) [3] /Religioese-Diskriminierung/!5916169
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Linda Gerner
       
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