# taz.de -- Gutachten zu Wohnungspolitik in Berlin: Enteignen ist erlaubt und effizient
       
       > Wohnungen dürfen vergesellschaftet werden. Das bestätigte jetzt die
       > Expert:innenkommission, die darüber nach dem Volksentscheid in Berlin
       > beraten hat.
       
 (IMG) Bild: Die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen“ bei einer Demonstration für bezahlbaren Wohnraum am 11.9.2021 in Berlin
       
       BERLIN taz | Nach einjähriger Prüfung einer dreizehnköpfigen
       Expert*innenkommission unter Vorsitz der Ex-Bundesjustizministerin
       Herta Däubler-Gmelin (SPD) steht fest: Die Enteignung privater
       Immobilienbestände ist möglich. „Das Land Berlin hat nach dem Grundgesetz
       die Kompetenz für eine [1][Gesetzgebung zur Vergesellschaftung] in Berlin
       gelegener Immobilienbestände großer Wohnungsunternehmen“, heißt es in dem
       der taz vorab vorliegenden Abschlussbericht, der am Mittwoch dem
       schwarz-roten Senat übergeben werden soll.
       
       Die Kommission war noch unter dem SPD-geführten Vorgängersenat eingesetzt
       worden, um „Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen“ für die Umsetzung des
       erfolgreichen Volksentscheids der [2][Initiative Deutsche Wohnen & Co
       enteignen] (DWE) von September 2021 zu prüfen. Eine große Mehrheit der
       Berliner:innen hatte dafür votiert, die Bestände aller privaten
       Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in Gemeingut zu überführen
       und den Senat beauftragt, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen.
       
       Nun sind die Expert:innen einhellig zu dem Schluss gelangt, dass ein
       Vergesellschaftungsgesetz, das die „gemeinnützige Bewirtschaftung für die
       Zukunft“ sichert, „im Einklang“ mit dem noch nie zuvor angewendeten
       Vergesellschaftungsartikel 15 des Grundgesetzes steht. Auch das Gebot der
       Verhältnismäßigkeit stehe einer Vergesellschaftung nicht entgegen. Für das
       Anliegen der Vergesellschaftung – die „Beendigung privatnütziger Verwertung
       zur Aufhebung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Macht“ –
       fehle eine Alternative, „die bei gleichem Ertrag für die Zwecke des
       Allgemeinwohls offensichtlich milder ist“.
       
       ## „Keine weitere Verschleppungstaktik“
       
       Drei Kommissionsmitglieder der juristischen Fachkommission vertreten in
       einem Sondervotum eine in Teilen abweichende Meinung, wonach „dem
       Eigentumsgrundrecht der betroffenen Unternehmer ein größeres“ Gewicht
       zukomme, als von der Mehrheit angenommen. Doch auch ihrer Meinung nach ist
       eine Vergesellschaftung „nicht grundsätzlich ausgeschlossen“.
       
       Mit Hinweis auf die „Effizienz“ des Vorgehens widersprechen die
       Expert:innen einhellig der Sorge, die Vergesellschaftungsgrenze von
       3.000 Wohneinheiten sei willkürlich und widerspreche dem
       Gleichbehandlungsgrundsatz. Andererseits sei diese Grenze angesichts der
       „mit der Bestandsgröße typischerweise korrespondierenden gesellschaftlichen
       Machtstellung der wirtschaftlich betroffenen Unternehmen“ zu rechtfertigen.
       Eine Vergesellschaftung betreffe, auch das ist klargestellt, nur
       privatwirtschaftliche Akteure, nicht etwa Genossenschaften.
       
       Auch beim Streitpunkt der Entschädigungssumme gibt es eine gemeinsame
       Basis: Weil eine Vergesellschaftung etwas anderes ist als eine Enteignung,
       könne diese unter dem Verkehrswert liegen. Grundlage für die
       Entschädigungshöhe könne demnach sein, was für das Land finanzierbar sei
       bzw. welche Erträge die gemeinnützige Bewirtschaftung erbringe. Im
       Minderheitenvotum wird der Unterschied zwischen Vergesellschaftungs- und
       Enteignungsentschädigung als deutlich geringer angenommen.
       
       Die DWE reagierte auf den Bericht euphorisch: Eine Vergesellschaftung sei
       „rechtssicher möglich, verhältnismäßig und finanzierbar“, so Sprecher Achim
       Lindemann.
       
       Die Initiative verwahrt sich gegen ein vom Senat geplantes
       [3][Vergesellschaftungsrahmengesetz], das nur grundsätzlich die Bedingungen
       für Vergesellschaftungen festschreiben soll und aufgrund einer Überprüfung
       durch das Bundesverfassungsgericht, erst zwei Jahre nach Verabschiedung in
       Kraft treten soll. Lindemann kündigt an: „Wir dulden jetzt keine weitere
       Verschleppungstaktik mehr in Form eines sinnlosen Rahmengesetzes.“
       
       27 Jun 2023
       
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 (DIR) Erik Peter
       
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