# taz.de -- Haushaltsentwurf des Berliner Senats: Kein Bruch mit der Sparpolitik
       
       > Einen sozialen Kahlschlag wird es erst einmal nicht geben. Doch um Berlin
       > zukunftsfähig zu machen, bräuchte es deutlich größere Investitionen.
       
 (IMG) Bild: Stefan Evers (CDU), Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD) stellen den Haushaltsentwurf vor
       
       Sozialverbände und Bezirke dürften vor allem mit Erleichterung auf den am
       Dienstag [1][vorgestellten Entwurf des Doppelhaushalts] reagiert haben. Die
       zuvor befürchteten Kürzungsorgien wird es voraussichtlich nicht geben,
       sollte das Abgeordnetenhaus den Entwurf im Dezember so beschließen.
       Stattdessen gibt es sogar mehr Geld. So wird die Sozialsenatsverwaltung mit
       500 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet. Soviel, dass die
       Dienstleistungsgewerkschaft Verdi guter Dinge ist, im Sozialbereich
       dringend benötigte Lohnsteigerungen durchsetzen zu können.
       
       Es scheint, als hätte die Empörung der Zivilgesellschaft und der
       Sozialverbände den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner und Finanzsenator
       Stefan Evers (beide CDU) noch einmal zu Besinnung gebracht.
       
       Vielleicht hat die CDU auch einfach eingesehen, dass trotz aller Liebe zu
       neoliberaler Sparpolitik ihre zentralen Wahlversprechen eines
       „funktionierenden“ und „sauberen“ Berlins kaum zu halten sein dürften, wenn
       aufgrund von Kürzungen Bürgerämter schließen und die Parks nicht mehr
       gereinigt werden.
       
       Grund zur Freude ist der Haushaltsentwurf dennoch nicht. Denn angesichts
       der Inflation stellen die Mehrausgaben nur eine Aufrechterhaltung des
       Status quo dar. Dabei drängt die Zeit für gewaltige Investitionen: Ob
       Klimakrise, Verkehrswende, Wohnungsnot oder Fachkräftemangel – jede dieser
       Aufgaben erfordert deutlich größere Summen, als ein ausgeglichener Haushalt
       hergeben könnte.
       
       ## Opposition versagt
       
       Konzepte für eine klimaneutrale und klimaresiliente Stadt liegen seit
       Jahren auf dem Tisch und werden immer in vielversprechenden Pilotprojekten
       erprobt. Die großflächige Umsetzung scheitert vor allem an mangelnder
       Finanzierung. Mit dem jetzigen Tempo wird Berlin sein selbstgestecktes Ziel
       der Klimaneutralität deutlich verfehlen.
       
       Man nehme beispielsweise die Mammutaufgabe der energetischen Sanierung des
       Gebäudebestands: Hier müsste sich das Tempo vervierfachen. Dazu braucht es
       vor allem Geld, das aber sinnvoller nicht investiert sein könnte: Jedes
       sanierte Gebäude spart CO2, verringert die Abhängigkeit von Energieimporten
       und spart den Mieter:innen Nebenkosten. Umgekehrt wird jeder Euro, der
       heute eingespart wird, die Stadt in Zukunft ein vielfaches kosten.
       
       Nun wäre es die Aufgabe der Opposition, eine wirklich zukunftsfähige
       Investitionspolitik einzufordern. Doch statt mangelnden Investitionswillen
       mahnt der grüne Fraktionsvorsitzende Werner Graf am Dienstag mehr
       Sparsamkeit an, aus Furcht, dass die Rücklagen, mit denen der Haushalt
       jetzt teils finanziert wird, in den nächsten Jahren nicht mehr
       bereitstünden: Der Doppelhaushalt danach könnte ein radikaler Sparhaushalt
       werden, fürchtet er.
       
       ## Umverteilen und Vergesellschaften
       
       Verwunderlich ist das nicht, schließlich verfolgten auch Evers Vorgänger
       Daniel Wesner (Grüne) und Matthias Kollatz (SPD) eine ähnliche
       Haushaltspolitik. Auch Rot-Grün-Rot wollte sich dem neoliberalen Sparzwang
       nie entziehen. Ein Grund dafür ist die in der Bundesverfassung verankerte
       Schuldenbremse, die ausgeglichene Haushalte für die Länder vorschreibt.
       
       Die einfachste Lösung, auch in Zukunft Kürzungsorgien zu vermeiden und die
       dringend benötigten Investitionen in Berlin zu tätigen, wäre es, auf
       Bundesebene auf eine Aussetzung der Schuldenbremse zu drängen.
       
       Klar ist aber auch, dass sich allein mit neuen Schulden nicht alle Probleme
       lösen lassen. Mittelfristig braucht es eine massive Umverteilung von oben
       nach unten, in Form von höheren Steuern und Vergesellschaftung kritischer
       Infrastrukturen. Doch das scheint keine der Parteien im Abgeordnetenhaus
       begriffen zu haben.
       
       15 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Haushaltsentwurf-fuer-Berlin/!5943504
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) Neoliberalismus
 (DIR) Haushalt
 (DIR) Finanzpolitik
 (DIR) Queer
 (DIR) Haushalt
 (DIR) Christopher Street Day (CSD)
 (DIR) Berliner Bezirke
 (DIR) Fachkräftemangel
 (DIR) Stefan Evers
 (DIR) Sparen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Begrenzungen im Doppelhaushalt: Streichkonzert bleibt vorerst aus
       
       Die weitreichenden Kürzungen für queere Bildungsangebote und
       Gewaltprävention könnten vom Tisch sein. Die Träger fürchten aber weiterhin
       Einschnitte.
       
 (DIR) Berliner Doppelhaushalt 2024/25: Die große Ungewissheit
       
       Trotz gestiegener Budgets im Haushaltsentwurf stellen sich Projektträger
       auf Kürzungen ein. Opposition sieht soziale Infrastruktur in Gefahr.
       
 (DIR) Die Wochenvorschau für Berlin: Schlimmer geht's immer
       
       Nach 100-Tagen Schwarz-Rot wird Bilanz gezogen. Auf dem anarchistischen CSD
       wird dies niemanden interessieren, auf dem Euro Young Classic wohl eher.
       
 (DIR) Finanzloch der Bezirke: Wie viel Geld ist mehr Geld?
       
       Der Senat meint, er hätte die Unterfinanzierung der Bezirke gelöst.
       Bürgermeister:innen sagen aber etwas anderes und haben Sparpläne.
       
 (DIR) Streik bei der Arbeiterwohlfahrt: Die Lohnlücke schließen
       
       AWO-Angestellte streiken für die Angleichung ihrer Löhne an den
       öffentlichen Dienst. Verdi fordert Entgegenkommen vom Arbeitgeber und dem
       Senat.
       
 (DIR) Haushaltsentwurf für Berlin: Mehr Geld für alle
       
       Die befürchteten Kürzungen bleiben aus. Stattdessen gibt es auf Kosten der
       Rücklagen überall Zuwächse. Die Bezirke atmen auf, die Grünen kritisieren.
       
 (DIR) Ökonom zu Berliner Haushalt: „Sparen ist schlechte Wirtschaftspolitik“
       
       Der Senat muss die Wirtschaft mit Investitionen ankurbeln, fordert der
       Ökonom Maurice Höfgen. Das führe zu Jobs und einem funktionierenden Staat.