# taz.de -- Strategien für Langzeitarbeitslose: Wirklichkeit der Bürgergeld-Reform
       
       > Höhere Freibeträge, Prämien für Abschlüsse, ganzheitliche Betreuung:
       > Klingt gut, wäre da nicht die Personalknappheit in den Jobcentern.
       
 (IMG) Bild: 150 Leistungsbezieher:innen pro Vermittler:in? Tatsächlich sei die Zahl der Betreuten höher
       
       Die Worte klingen ebenso wohlig wie abstrakt, und das stimmt misstrauisch.
       Langzeitarbeitslose sollen mit einer „ganzheitlichen Betreuung“ unterstützt
       werden, die Förderung soll sich mehr an der „individuellen Lebenslage“
       ausrichten. So heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit, wo jetzt die
       zweite Stufe der [1][Bürgergeld-Reform] vorgestellt wurde, die ab nächster
       Woche gilt. Es gibt höhere Freibeträge für erwerbstätige
       Leistungsbezieher:innen. Wer einen Berufsabschluss nachholt, bekommt eine
       monatliche Zusatzprämie von 150 Euro. In den Jobcentern sollen
       Vermittler:innen und Arbeitslose einen „Kooperationsplan“ zur
       Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt schmieden.
       
       Den begrüßenswerten Vorhaben steht allerdings die traurige Realität in den
       Jobcentern gegenüber. Kürzlich schickte ein Mitarbeiter oder eine
       Mitarbeiterin des Jobcenters Dortmund anonym einen offenen Brandbrief an
       Politik und lokale Presse, in dem er oder sie die angespannte
       Personalsituation [2][im Jobcenter] anprangerte. Eigentlich sehe der
       Personalschlüssel ein Verhältnis von eineR Vermittler:in auf 150
       Leistungsbezieher:innen im Jobcenter vor, in Wirklichkeit aber sei die
       Zahl der Betreuten pro Mitarbeiter:in dreimal so hoch.
       
       Von ganzheitlicher und individueller Betreuung kann daher keine Rede sein.
       Also läuft es wie früher auch, als das Personal vor allem möglichst gute
       Zahlen für die Statistik produzieren sollte, ohne auf den Langzeiteffekt
       von Maßnahmen zu achten. Man hatte sich schon länger gefragt, wie denn die
       Jobcenter mit der gestiegenen Zahl an Klient:innen zurechtkommen –
       allein aus der Ukraine sind Hunderttausende Geflüchtete im
       Bürgergeld-Bezug. Also: Sie kommen nicht klar.
       
       Deswegen ist es richtig, dass die Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit
       jetzt von der Bundesregierung mehr Geld für die personelle Ausstattung der
       Jobcenter fordern. Und es war keine gute Idee des Bundesarbeitsministers,
       bei den Verwaltungsausgaben für die [3][Jobcenter] zu kürzen. Neue Gesetze
       mögen gut sein, aber wenn die Umsetzungsmöglichkeiten gar nicht vorhanden
       sind, wirken sie unglaubwürdig. Dem Problem muss sich Arbeitsminister
       Hubertus Heil (SPD) stellen.
       
       30 Jun 2023
       
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 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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