# taz.de -- Antisemitismus in Berlin: Brandanschlag auf Gedenk-Bücherbox
       
       > Ein Unbekannter fackelt die Gedenk-Bücherbox unweit des
       > Holocaust-Mahnmals im Grunewald ab. Die Polizei findet das
       > Bekennerschreiben nicht.
       
 (IMG) Bild: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Heinrich Heine
       
       BERLIN taz | „Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis
       der Erlösung heißt Erinnerung“, stand vor wenigen Tagen noch in weißen
       Buchstaben auf einer Scheibe der Eingangstür zur „[1][BücherboXX am Gleis
       17]“ am S-Bahnhof Grunewald. Worte aus der jüdischen, kabbalistischen
       Mythologie, die treffender hätten kaum sein können für Ort und Inhalt der
       zum kostenlosen Bücherverleih umfunktionierten Telefonzelle.
       
       Die Hunderten Bücher darin waren thematisch passend zum nahe gelegenen
       [2][Mahnmal „Gleis 17“], das an die Deportation Zehntausender jüdischer
       Menschen in Konzentrations- und Arbeitslager durch Nationalsozialisten
       erinnert. Dazu eine Audiobox mit acht regelmäßig wechselnden Tonspuren:
       hebräische Lieder, ein Brief von Anne Frank, Ausschnitte aus der
       Eröffnungsrede der Nürnberger Prozesse.
       
       Seit diesem Wochenende ist die Bücherbox verwüstet. In Tausende
       mosaikartige Splitter zerteilt liegen die geflügelten Worte der
       Eingangsscheibe auf dem Boden. Auf und unter ihnen: Asche sowie halb- und
       komplett verbrannte Bücher. Ruß säumt die umliegenden, vor Kurzem noch
       blau-weiß schimmernden Bänke.
       
       Am frühen Samstagmorgen gegen fünf Uhr soll ein Mann eine Kiste in die
       Bücherbox gestellt und sie angezündet haben. Zwei Augenzeugen meldeten ihre
       Beobachtungen in einer Bäckerei. Der polizeiliche Staatsschutz übernahm die
       Ermittlungen. Die Feuerwehr konnte nur noch den Brand löschen, nicht jedoch
       die wertvollen Erinnerungsstücke in der Box retten.
       
       ## Antisemitisches Bekennerschreiben am Tatort
       
       „Das ist schon sehr dramatisch“, sagt [3][Konrad Kutt, der Betreiber der
       „BücherboXXen“], der taz. Vor elf Jahren habe er diese aufgestellt. Seither
       diente sie als politischer Bildungsort für Lesungen und hebräische
       Konzerte. Seit dem Brandanschlag auf die Box gehe es ihm so schlecht, dass
       ihm „manchmal die Tränen kommen“, sagt er. „Die Schwärze der verbrannten
       Bücher vor Augen“ sei traumatisch, sagt er.
       
       Dabei sei Vandalismus gar nicht unüblich. „Es wird auch mal eine Scheibe
       zertrümmert, aber eher aus Frust von jungen Leuten.“ Im jetzigen Fall sei
       das aber etwas ganz anderes, so Kutt. Der klare Zerstörungswillen und auch
       die politische Motivation der Tat seien neu. Aus dem Bekennerschreiben gehe
       eine klar rechtsextreme, antisemitische und rassistische Gesinnung des
       Täters hervor, sagt Kutt.
       
       Die Polizei ist sich hinsichtlich des Tatmotivs eigenen Angaben zufolge
       noch nicht sicher. Ein Ermittlungsversäumnis? Auf taz-Nachfrage bestätigte
       die Pressestelle am Sonntag, dass der Staatsschutz ein antisemitisches
       Motiv prüfe. Indiz sei dabei unter anderem die inhaltliche Nähe der
       Bücherbox zum Mahnmal „Gleis 17“. Das Bekennerschreiben, das der taz
       vorliegt, und das Kutt zufolge nur wenige Meter neben dem Tatort auf einer
       Bank geklebt habe, liegt der Polizei laut eigenen Angaben aber nicht vor.
       
       ## Spendensammlung für Neuanfang
       
       Erst im Juni hatten Unbekannte die Steinmauer und die Gedenktafel am „Gleis
       17“ beschädigt. Laut den [4][Berliner Registern] stiegen die [5][gemeldeten
       antisemitischen Vorfälle in Charlottenburg-Wilmersdorf 2022] entgegen dem
       berlinweiten Trend leicht auf 48. Damit wies der Bezirk die drittmeisten
       antisemitischen Vorfälle auf.
       
       Unabhängig vom Tatmotiv möchte Kutt sich nicht entmutigen lassen. Am
       Samstag trafen sich Anwohner*innen und Initiatoren, am Sonntag startete
       Kutt einen Spendenaufruf für eine neue Bücherbox. Spenden können entrichtet
       werden an das Konto der Europäischen Akademie Berlin; IBAN: DE90 1009 0000
       2112 1610 00; Stichwort: BücherboXX
       
       13 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.berlin.de/aktuell/ausgaben/2013/dezember/ereignisse/artikel.224191.php
 (DIR) [2] /Gastbeitrag-zu-VVN-BdA/!5643942
 (DIR) [3] https://www.buecherboxx.com/standorte/#Gleis17
 (DIR) [4] https://berliner-register.de/
 (DIR) [5] https://berliner-register.de/documents/1096/Kurzversion.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Bachmann
       
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