# taz.de -- Jüdisches Leben in Niedersachsen: Dialog und Stärke
       
       > Ein Festival und ein neues Web-Angebot erzählen von der langen jüdische
       > Geschichte und aktueller jüdischer Kultur in Niedersachsen.
       
 (IMG) Bild: Besuch vom Bundespräsidenten: Rabbinerordination 2022 in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hannover
       
       BRAUNSCHWEIG taz | Wo Niedersachsen besonders typisch erscheint, war es
       historisch auch stets jüdisch. Selbst wenn Jüdinnen und Juden vielleicht
       nicht schon seit 1.700 Jahren ansässig sind, wie es 2021 die Festivitäten
       für andere Landstriche Deutschlands reklamierten: Spuren weisen zumindest
       zurück bis ins 10. Jahrhundert.
       
       So soll etwa im Harzvorraum die frühe Kunst der Salzgewinnung und des
       Salinenwesens in jüdischen Händen gelegen haben. Oder, neuzeitlicher:
       Selbstverständlich unterhielt die Ferieninsel Norderney bis in die
       1930er-Jahre hinein eine Synagoge, finanziert durch seine großbürgerlichen,
       vornehmlich hanseatisch jüdischen Badegäste.
       
       Auf diese dann doch recht lange und vielfach symbiotische Geschichte
       verwies in der vergangenen Woche der Historiker Jörg Munzel: Da stellte er
       zusammen mit der Judaistin und Geschichtswissenschaftlerin Rebekka Denz in
       der Jüdischen Gemeinde Hannover das neue Internetportal „Jüdisches
       Niedersachsen online“ vor.
       
       Die Website [1][www.juedisches-niedersachsen.de] ist ein Projekt des 2016
       gegründeten Israel Jacobson Netzwerks, das Städte und Landkreise sowie
       Institutionen der Wissenschaft, Forschung und Kultur wie auch
       Privatpersonen aus dem Südosten Niedersachsens zusammenschließt – um die
       Bedeutung dieser Region als Wiege eines modernen Judentums im öffentlichen
       Bewusstsein zu verankern.
       
       Namensgeber Israel Jacobson (1768–1828), Braunschweiger Bankier und
       Rabbiner, richtete 1801 in Seesen eine Freischule für jüdische wie
       christliche Schüler ein. Die örtliche Synagoge, der Seesener Jacobstempel,
       wurde durch seine landessprachlichen Predigten mit Orgelmusik weltweiter
       Impulsgeber eines [2][reformierten Judentums].
       
       Dieser bundesweit erste Onlineauftritt seiner Art ist als offenes System
       angelegt, eine visualisierte Datenbank für ganz Niedersachsen, und deshalb
       alles andere als vollständig. Schwerpunkte sind Kulturtourismus, Bildung
       und Wissenschaft. Wesentlich ist der Button „Mitmachen“ unter jedem
       Kapitel: Inhalte sollen sich auch erweitern, aber vor allem soll das
       interaktive Moment wohl etwaige Berührungsängste gar nicht erst aufkommen
       lassen.
       
       Die niedersächsischen Interessensvertreter:innen jüdischen
       Glaubens und seiner Kultur gehen damit in die Offensive: Mit Dialog und
       zivilgesellschaftlicher Stärke gegen ein „alarmierendes Gedankengut“, wie
       es der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf
       gegen [3][Antisemitismus], Felix Klein, in der Hannoverschen
       Auftaktveranstaltung formulierte.
       
       Gleichwohl musste auch die dortige Jüdische Gemeinde handfest nachrüsten:
       Schusssichere Glaswände sichern mittlerweile den Zugang zu Synagoge und
       Versammlungsstätte, auf Polizeipräsenz soll bis auf Weiteres aber
       verzichtet werden.
       
       Wer jüdische Kultur und jüdisches Leben lieber anlog erleben möchte: Die am
       14. August beginnenden [4][4. „Jüdischen Kulturtage zwischen Harz und
       Heide“] – ebenfalls eine Initiative des Israel Jacobson Netzwerks und
       dieses Jahr von der Stadt Peine ausgetragen – bieten unter dem Titel „Jung
       und jüdisch“ mehr als 60 Veranstaltungen (auch im benachbarten
       Sachsen-Anhalt). Gewidmet ist das Programm dem gebürtigen Peiner Sally
       Perel (1925–2023), dessen abenteuerliche Biografie als „Hitlerjunge
       Salomon“ verfilmt wurde. Bis zum Lebensende setzte er sich von Israel aus
       für die Versöhnung ein – und gegen die salonfähig werdende neue
       Judenfeindlichkeit.
       
       14 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://juedisches-niedersachsen.de/home
 (DIR) [2] /200-Jahre-Reformjudentum/!5464453
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 (DIR) [4] https://ij-n.de/aktivitaeten/juedische-kulturtage-zwischen-harz-und-heide-2023/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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