# taz.de -- Nach der Geburt: Der angebrachte Kontrollverlust > Nach Schwangerschaft und Kaiserschnitt fühlt sich der Körper an wie der > einer fremden Person. Doch die Außenwelt reagiert oft verständnislos. (IMG) Bild: Die große Entlastung: Mit eineinhalb Jahren kann das Kind auch schon alleine Essen Als mein erstes Kind fast eineinhalb Jahre war, lief mir eine Bekannte über den Weg. Ich ging gerade nach [1][Elternzeit] und Beförderung wieder Vollzeit arbeiten. Der Vater arbeitete Teilzeit und übernahm den Großteil [2][der Care-Arbeit]. Die Bekannte, etwa zwanzig Jahre älter, erwachsene Kinder, sah mich auf der Straße mit großen Augen an und rief: „Oh, du siehst besser aus! Geht es dir auch besser?“ Ich verstand erst nicht, wovon sie sprach. Ich nickte unentschlossen. „Als ich dich da vor einem Jahr in der U-Bahn gesehen habe, [3][nach der Geburt] deines Kindes, da sahst du ja wirklich schlecht aus. Als wärst du schwer krank.“ Ich hatte immer noch keine Ahnung, wovon sie sprach. Dann lehnte sie sich zu mir, als würde sie mir etwas anvertrauen: „Einige Frauen duschen ja heute nicht mal mehr in den Wochen nach der Geburt. Wie kann man nur so die Kontrolle verlieren?“ Als sich unsere Wege trennten, grübelte ich, wann wir uns begegnet waren und ob ich damals wohl geduscht war. Das Einzige, woran ich mich zu hundert Prozent erinnern konnte, war, dass ich nach der Geburt komplett die Kontrolle verloren hatte. Nach einer Weile hatte ich sie wieder vor Augen, diese Begegnung in der U-Bahn. Ich war auf dem Weg zu einem Zahnarzttermin. Das erste Mal draußen, ohne Baby. Es war drei Monate alt und inklusive Geburt war nichts, wie ich es erwartet hatte oder wie ich es bei anderen erlebte. Das Trinken klappte nicht, ich musste ständig abpumpen, das Baby schrie abends immer um die gleiche Zeit drei Stunden lang und schlief nur mit Körperkontakt. So saß ich oft den ganzen Tag unter dem trinkenden, schreienden oder schlafenden Baby und fischte mit den Fingerspitzen nach kaltem Kaffee, Büchern, Handy – was in Reichweite lag. Ich redete ihm ständig gut zu, aber vor allem redete ich mir gut zu. ## Wie der Körper einer fremden Person Ich ließ den ganzen Tag Deutschlandfunk laufen, damit ein paar Erwachsene mit mir sprachen. Ich hörte Sendungen über Hirntumore und Obstbaumschnitt im Sommer. Ich aß, was in Reichweite war. Bald drapierten wir morgens strategisch Essen in der Wohnung. Ich wartete, dass mein Körper sich nach Schwangerschaft und Kaiserschnitt weniger anfühlte wie der Körper einer fremden Person. Ich hatte die Geburt nicht gut verkraftet. Meine Allergien waren stärker, ich hatte Neurodermitis, nachts Atemnot, meine Gelenke waren nach dem Aufwachen steif und schmerzten – doch alle Ärzt*innen, die ich aufsuchte, zuckten mit den Schultern. Und dann dieser Zahnarzttermin. Es war ein fabelhafter Tag. Das Baby konnte jetzt drei oder vier Stunden Trinkpausen aushalten. Der Vater konnte einfach übernehmen. Ein Hauch von Freiheit. Ich konnte duschen, ohne tropfend, mit Shampoo in den Haaren, herauszuspringen, um das Baby zu trösten. An diesem Tag stieg ich frisch geduscht, ungeschminkt, hundemüde und sehr glücklich in die U-Bahn. 16 Aug 2023 ## LINKS (DIR) [1] /Elternzeit-fuer-Hannovers-OB/!5920296 (DIR) [2] /Diskussion-um-Care-Arbeit/!5947688 (DIR) [3] /Vielerorts-fehlen-Hebammen/!5316844 ## AUTOREN (DIR) Saskia Hödl ## TAGS (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Geburt (DIR) Kaiserschnitt (DIR) Schwangerschaft (DIR) Tablet (DIR) Eltern (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Kolumne Kinderspiel (DIR) Kolumne Kinderspiel ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Leitlinie zu Bildschirmzeit von Kindern: Lasst den Eltern doch die Displays „Gestresste Eltern“ sollen schuld sein an der zu hohen Bildschirmzeit von Kindern. Doch Druck auf die Eltern hilft nicht – sie brauchen Unterstützung. (DIR) Verreisen mit Kindern: Der Endgegner für Eltern Urlaub mit Kindern ist selten Erholung, es ist im besten Fall ein Tapetenwechsel. Aber das muss doch auch anders gehen, meint unsere Kolumnistin. (DIR) Erinnerungen an die Kindheit: Marmeladengläser und kleine Krokodile Woran sich Kinder später erinnern werden, hat man nicht in der Hand. Sie entwickeln eine eigene Perspektive auf ihre Kindheit. (DIR) Urlaub mit Kindern: Ich hab’s mir nicht so ausgesucht Mit Kindern kommt die häufige Enttäuschung. Etwa wenn ständig Termine abgesagt werden müssen – oder wenn das Geld wieder nicht für den Urlaub reicht. (DIR) Mit Kindern im öffentlichen Raum: Wenn Kinder stören und Autos nicht Der Sommer bringt die Familien auf die Straßen. Ein Umstand, der nicht alle erfreut. Doch auch Eltern und Kinder haben ein Recht, Raum einzunehmen.