# taz.de -- Podcast über Letzte Generation: Wo bleibt die Tiefe?
       
       > Der Podcast „Hitze“ versucht sich an einer Nahaufnahme der Letzten
       > Generation. Leider kommt das teilweise voyeuristisch daher.
       
 (IMG) Bild: Aktivist:innen der Letzten Generation beschmieren das Werk „Grundgesetz 49“
       
       Es klingt schon fast sensationalistisch, wenn das Intro mit der
       Audio-Collage, bestehend aus Wortschnipseln von Journalist:innen,
       Autofahrer:innen und Politiker:innen, erklingt. Und Host Daphne
       Ivana Sagner ins Mikrofon spricht: „Ein halbes Jahr lang haben wir die
       Letzte Generation begleitet.“ Wir, das sind die Klimajournalistin Céline
       Weimar-Dittmar und sie. Das Ergebnis der halbjährigen Recherche ist ein
       Podcast von RBB und TRZ Media über sechs Episoden.
       
       Das Cover dazu ist die Nahaufnahme eines Gesichts; ein Auge und
       Schweißperlen auf der Haut, ein gelber Schriftzug: Hitze, der Name des
       Podcasts. Mit den Klimaaktivisten der [1][Letzten Generation] bringt man
       das zunächst kaum in Verbindung. Keine orangefarbenen Westen, keine
       angeklebten Hände auf Asphalt. Denn „Hitze“ möchte näher rangehen. Ein
       Porträt der Gruppe bieten, das näher herantritt, als die meisten Medien das
       bislang getan haben. Er möchte die Menschen der Bewegung zeigen, vielleicht
       sogar versuchen, ihre Motive zu verstehen. Die Entscheidung, ihr Leben dem
       [2][Aktivismus] zu widmen, zivilen Ungehorsam auszuüben, ja sich selbst in
       Gefahr zu bringen, im Kampf gegen die Klimakrise.
       
       „Genau in diesen Brennpunkt bewegen wir uns für diesen Podcast“, sagt
       Sagner verschwörerisch. Vielversprechend für alle, die sich mit der
       Klimakrise auseinandersetzen. Das Material der Recherche ist gut. Das
       Thema ist mehr als catchy: eine „verschworene Gemeinschaft, die in eigener
       Überzeugung versucht die Welt zu retten“. Alles überzeugt, den Podcast zu
       hören, und doch bleibt „Hitze“ am Ende leider hinter seinen Möglichkeiten
       zurück.
       
       Die Episoden sind thematisch geordnet. Es beginnt etwas abrupt mit
       „Zuhause“. Zwei Aktivist:innen werden vorgestellt: Jakob und Solvig.
       Beide sind sie irgendwie „reingerutscht“ in die Letzte Generation. Beide
       haben sie immer mehr geopfert für den Aktivismus. Und irgendwie steckt ein
       sogenanntes „Strategieteam“ von sechs Leuten dahinter, die gut überzeugen
       können, sich ganz aufzuopfern. Ab da wirft der Podcast schon mehr Fragen
       auf, als er Antworten gibt. Er bleibt an der Oberfläche. Wer ist dieses
       Strategieteam? Davon erfährt man wenig. Aber auch bei der Porträtierung
       der Protagonist:innen fehlt es an Tiefe und Charakterentwicklung. Auch
       fehlen immer wieder Hintergrundinfos – die Forderung nach einem
       [3][Lebensmittel-retten-Gesetz] wird zum Beispiel gar nicht erwähnt.
       
       ## Wenig Beachtung für die Klimakrise
       
       Hört man sich „Hitze“ an, um einen tieferen Einblick in die Gruppierung zu
       bekommen, so erfährt man wenig Neues. Der Podcast gibt zwar einen guten
       Überblick über die Bewegung, stellt ein paar Aktivisten vor, was näher und
       direkter wirkt als viele andere Features, aber das war es auch schon.
       Manche:r Hörer:in wird es vielleicht ganz voyeuristisch-aufregend
       finden, „live“ bei einer Aktion dabei zu sein. Zum heutigen Standpunkt der
       Debatte – Blockaden und Aktionen wurden schon in verschiedensten Formaten
       gezeigt und kommentiert – kommt das zu spät.
       
       Die zweite Episode dreht sich um die Pressearbeit der Letzten Generation,
       um die Aufmerksamkeit, die sie generiert, und die Medien, die darauf
       anspringen. Man vermisst dabei eine dritte, neutrale Meinung, die das Ganze
       aus politik- oder medienwissenschaftlicher Perspektive einordnet,
       Zusammenhänge erklärt. Stattdessen bekommt man viel zu lange einen O-Ton
       von TV-Moderator Markus Lanz zu hören, der sich darüber echauffiert, dass
       die Letzte Generation Kunst zerstöre. Und sich mal anpassen solle. Und dann
       gibt es immer wieder Daphne Ivana Sagners eigene Einordnung, oder sagen
       wir, Meinung. Diese bleibt zu eindimensional. Welchen Bezug hat die
       Erzählerin zu den Klimaaktivisten, außer dass auch sie jung ist und die
       Klimakrise sie betrifft? Das ist etwas wenig, um aus der Ich-Perspektive zu
       erzählen.
       
       „Hitze“ ist nah dran, aber nicht nah genug. Ein guter Storytelling-Podcast
       zur Letzte Generation, aber ohne neue tiefgründige Erkenntnisse. Einer, der
       der tatsächlichen Dringlichkeit der Klimakrise letzten Endes zu wenig
       Beachtung schenkt.
       
       6 Sep 2023
       
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