# taz.de -- Migrationsdebatte: Endlich Markus Lanz abschieben …
       
       > … denkt Friedrich Merz wohl nicht. Und trotzdem herrscht aktuell die
       > typisch deutsche fünfte Jahreszeit: Karneval alias Migrationsdebatte.
       
 (IMG) Bild: Spitzen von CDU und SPD beim Spitzengespräch im Kanzleramt. Thema: „Deutschlandpakt“
       
       In Deutschland existieren sechs Jahreszeiten: Winter, Frühling, Sommer,
       Herbst, Karneval und Migrationsdebatte. Es ist wieder so weit, die
       Politiker*innen überbieten sich mit Recht und Ordnung, fordern immer
       härtere Maßnahmen gegen Geflüchtete. Sie wollen die Migration begrenzen und
       „endlich im großen Stil“ abschieben. So verkündete es zumindest
       Bundeskanzler [1][Olaf Scholz im Gespräch mit dem Spiegel.]
       
       Oppositionsführer Friedrich Merz muss da noch einen drauflegen und
       verknüpft die abscheulichen antisemitischen Vorfälle, die sich derzeit auf
       Deutschlands Straßen abspielen, mit seiner eigenen rassistischen Agenda:
       Deutsche Staatsbürgerschaft nur für jene, die sich zu Israel und gegen
       Antisemitismus bekennen, fordert Merz schlagzeilenträchtig.
       
       Der allseits beliebte ZDF-Moderator Markus Lanz wäre mit dieser Forderung
       wohl nie Deutscher geworden. Er ist, so geht es aus einigen Quellen im Netz
       hervor, eingebürgerter Südtiroler und hatte vor einigen Tagen in seinem
       Podcast dem Unterhaltungsphilosophen Richard David Precht bei einer
       antisemitischen Tirade zugenickt, Zuspruch geschenkt und [2][auf Druck nur
       halbherzig entschuldigt.]
       
       Abgesehen davon müsste laut dem neuesten Plan aus der Union die halbe
       bayerische Landesregierung abgeschoben werden, die denken eh, sie seien
       Ausland. Aber jetzt mal Satire beiseite: Wie oft wollen deutsche
       Politiker*innen noch solche Migrationsdebatten anzetteln? Warum kehrt
       dieses Phänomen resistent immer wieder in den deutschen Diskurs ein? Und
       was kann man gegen diese spezielle Gesprächsklimakatastrophe tun?
       
       ## Merz, Scholz und Co ist wohl nicht mehr zu helfen
       
       Womöglich weil es längst nicht mehr um die sachliche Auseinandersetzung mit
       Zahlen und Fakten geht, ist der menschengemachte Verfall der Worte nicht
       mehr wirklich aufzuhalten. Wenn die Aussage „Massenmigration“ auf eine
       Handvoll wöchentlicher Grenzübertritte von Menschen zurückgeht, die im Gros
       sogar ein verbrieftes Recht auf Asyl haben, weil sie aus Kriegsgebieten in
       Afghanistan oder Syrien stammen, dann ist Merz, Scholz und Co nicht mehr zu
       helfen.
       
       Jeder von ihnen möchte der härteste Sheriff im Berliner Regierungsviertel
       sein, da spielt es keine Rolle, dass es nebenbei noch eine Realität gibt.
       Da spricht man mit einer Wand, wenn man auf geltendes internationales
       Recht, Migrationsstatistiken und humanitäre Verpflichtungen verweist.
       
       Abgesehen davon scheint es so, dass die politischen Agenden der Parteien
       nicht so stringent formuliert werden. Wenn gerade nicht Migrationsdebatte
       ist, wird in Deutschland über den Fachkräftemangel lamentiert. Um mal ein
       neoliberales Argument auszuleihen: Deutsche werden sich noch wundern, wenn
       sie ihre Großeltern und Eltern in Altersheime abschieben und dort niemand
       ist, der die Windeln wechselt. Shit happens.
       
       Olaf Scholz und Friedrich Merz werden als reiche Luxuspensionäre nicht
       davon betroffen sein, dass diese Art von wichtiger gesellschaftlicher
       Aufgabe von immer weniger Arbeitskräften erfüllt werden kann. Allerdings
       werden sich ihre Wähler*innen in einigen Jahren noch wundern, wenn Opi
       und Omi niemand pflegen wird.
       
       Abgesehen davon, dass die Würde des Menschen nicht an seinem Wert für den
       deutschen Arbeitsmarkt hängen kann, bleiben solche pauschalisierenden
       Migrationsdebatten ein wiederkehrendes deutsches Phänomen. Sie kommen und
       gehen, werden in der Endlosschleife abgespult, arbeiten dabei mit Ängsten,
       Ressentiments, Rassismus und auch Antisemitismus (es gibt genug Menschen in
       diesem Land, die von der antisemitischen Trope überzeugt sind, das Judentum
       stecke hinter der imaginierten Massenmigration).
       
       Nach widerlegten Behauptungen, Menschen würden nur wegen Zahnbehandlungen
       ihr Leben riskieren und nach Deutschland kommen [3][(Copyright Merz)] und
       der Forderung, Angehörige sogenannter arabischer Clans sollten abgeschoben
       werden, auch wenn sie keine Straftaten begangen haben ([4][Copyright
       Innenministerin Nancy Faeser]), nach den performativ-bürokratischen Plänen,
       Geflüchtete nur noch mit Bezahlkarten auszustatten anstatt mit Bargeld, und
       weiteren unzähligen diskursiven Tiefpunkten, die die Landes- und
       Bundespolitik in Deutschland ausmachen, bedarf es hier einer kleinen
       Korrektur: Eigentlich gibt es in Deutschland nur fünf Jahreszeiten, weil
       Migrationsdebatten doch in die Kategorie Karneval fallen.
       
       23 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/olaf-scholz-ueber-migration-es-kommen-zu-viele-a-2d86d2ac-e55a-4b8f-9766-c7060c2dc38a
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=LBbPkQrHNGY
 (DIR) [3] /CDU-und-Zahnbehandlungen-fuer-Gefluechtete/!5959412
 (DIR) [4] /Faesers-Plaene-gegen-sogenannte-Clans/!5949191
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mohamed Amjahid
       
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