# taz.de -- EU-Beitrittsangebot an die Ukraine: Moralpolitik gegen Demoralisierung
       
       > Mit dem Beitrittsangebot will die EU der Ukraine ein ermutigendes Signal
       > senden – und anderen globalen Playern den Wind aus den Segeln nehmen.
       
 (IMG) Bild: Harmonieren schon farblich: EU und Ukraine
       
       Laut Umfragen war die Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung für einen
       EU-Beitritt noch nie so groß – der Krieg war der Hauptauslöser. Eine
       Erhebung spricht von 90 Prozent im April – vor drei Jahren lag diese Zahl
       bei 60 Prozent. Dieses [1][Stimmungsbild] und die Tatsache, dass Präsident
       Wolodimir Selenski den Antrag auf den Beitritt zur EU erst kurz nach
       Februar 2022 unterzeichnet hat, zeigt, dass die EU als geostrategisches
       Projekt verstanden wird.
       
       Dass, noch während der Krieg im Land tobt und während die Mammutaufgaben im
       Bereich Korruption nicht erfüllt wurden, [2][die Europäische Kommission den
       Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine] (und auch Moldau)
       empfiehlt, zeigt, dass auch für Brüssel die EU zum geopolitischen Projekt
       geworden ist. Warum? Um dem Einfluss der anderen globalen Player (Russland,
       China, Saudi-Arabien) entgegenzuwirken, bevor es zu spät ist.
       
       Das bestätigt auch die Tatsache, dass Brüssel sich am Mittwoch für
       [3][Georgien] als Beitrittskandidat ausgesprochen hat. Doch eine
       EU-Mitgliedschaft wird nicht automatisch Frieden im Osten mit sich bringen
       und auch keine Besänftigung der Beziehungen mit dem Nachbarn Russland. Das
       im Jahr 2014 zwischen der Ukraine und der Europäischen Union (EU)
       unterzeichnete Assoziierungsabkommen zeigte eher das Gegenteil. Seither hat
       das Land acht Jahre Krieg im Osten und bald zwei Jahre Angriffskrieg
       erlebt.
       
       Brüssel aber hat es eilig, den Partnern in der Ukraine ein starkes Zeichen
       zu schicken. [4][Der Krieg im Nahen Osten] lenkt die internationale
       Aufmerksamkeit ab, und in Kyjiw besteht die Sorge, von den politischen
       Verbündeten alleingelassen zu werden. Grünes Licht für die
       Beitrittsverhandlungen wirkt da als moralisches Stärkungsmittel, selbst
       wenn sich EU-Mitglieder nicht mal einig sind.
       
       Der Streit über nationale Interessen, bei dem Bulgarien seine Position
       gegenüber dem EU-Beitrittskandidaten Nordmazedonien ausspielt, zeigt, wie
       es laufen kann. Über die EU-Erweiterung müssen noch die EU-Regierungschefs
       entscheiden, und Länder wie Ungarn und die Slowakei sehen eine Ukraine in
       der EU extrem kritisch. Dazu kommt noch die ewige Diskussion über die
       Notwendigkeit, die EU vor einer möglichen Erweiterung zu reformieren –
       etwas, was dringend notwendig ist. Mal sehen, ob die Bundesregierung
       weiterhin diese Bedingung nun gegenüber ihren EU-Partner vertreten wird.
       
       Positiv ist, dass mit dem pragmatischen geostrategischen Weg der EU die
       Balkanländer, die zum Teil seit zwanzig Jahren im Wartezimmer sind, eine
       Erfrischung gegen „Erweiterungsmüdigkeit“ bekommen haben und der Prozess im
       Balkan teilweise wiederbelebt wurde.
       
       Doch wenn die EU ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren will, darf sie nicht
       allein bei geostrategischen Zielen bleiben, sondern muss sich an ihre
       wirtschaftliche und politische Grundlage samt den Prinzipien und
       Richtlinien halten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass, wenn offizielle
       Beitrittskandidaten zu lange im Limbo bleiben, andere globale Akteure ihnen
       interessantere geostrategische Deals anbieten. Der Westbalkan, mit etwa
       [5][Serbien], zeigt es bereits.
       
       9 Nov 2023
       
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 (DIR) [2] /EU-und-Ukraine-verhandeln-ueber-Beitritt/!5968572
 (DIR) [3] /Aktivist-zur-EU-Perspektive-Georgiens/!5860683
 (DIR) [4] /Bodenoffensive-in-Gaza/!5968020
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