# taz.de -- Dresscode beim SWR: Erlaubt ist, was nicht stört
       
       > Der SWR will eine geschlechtsspezifische Kleidungsordnung einführen.
       > Daran gibt es Kritik, denn Teile der Gesellschaft bleiben
       > unterrepräsentiert.
       
 (IMG) Bild: Nachrichtenmoderator:in Janboris Rätz
       
       Wenn Janboris Rätz die Nachrichten moderierte, erregte bisher etwas Kleines
       viel Aufmerksamkeit. Rätz, [1][eine nichtbinäre Person], die von vielen
       Menschen als männlich gelesen wird, trug [2][Nagellack in Bordeaux,
       Tannengrün oder Orange]. Doch im November tauschte Rätz den Nagellack gegen
       Ohrstecker, quasi als Ersatz. Denn „SWR aktuell“ hatte den Entwurf eines
       „Styleguides“ an seine Moderator:innen kommuniziert.
       
       „Sichtbar lackierte Nägel“ seien darin nicht länger vorgesehen, kritisierte
       Janboris Rätz in einem Statement auf Instagram. Nur unscheinbare Nägel in
       „dezenten Farben“ – als Beispiele werden im Dokument, das der taz vorliegt,
       transparent, nude oder French Nails genannt – sollen diesem Entwurf nach
       künftig möglich sein. Ein mögliches Verbot von auffallendem Nagellack würde
       eigentlich für alle Geschlechter gelten, träfe Rätz aber besonders.
       
       Für die Moderator:in sind bunte Nägel nämlich nicht nur modisches
       Statement, sondern ein selbstbestimmter Weg, um den Zuschauer:innen zu
       signalisieren: „Hey, ich bin kein Nachrichtenmoderator. Ich bin eine
       Nachrichtenmoderator:in.“ „Codes“ nennen sich solche visuellen Marker, die
       [3][die eigene, queere Identität nach Außen vermitteln], indem sie die
       Abweichung vom üblichen Geschlechterbild im Detail sichtbar machen – zum
       Beispiel durch Nagellack.
       
       Das könnte aber bald nicht mehr möglich sein. „Mein Eindruck ist, dass ich
       als Problem wahrgenommen werde, als was, das so nicht geht“, sagt die
       Moderator:in gegenüber der taz. Der Südwestrundfunk (SWR) betont, dass
       es sich um einen Entwurf handle, bindende Regeln werde es erst im kommenden
       Jahr geben. Aufgrund von Rätz’ Kritik äußerte der Sender die Bereitschaft,
       die Nagellack-Richtlinie zu evaluieren.
       
       ## Unisex-Kategorie?
       
       Festgelegt wird im Styleguide eine geschlechtsspezifische Kleiderordnung,
       die verbildlicht, was Nachrichtenseher:innen kennen: Männer im Anzug,
       Frauen im Kleid oder Hosenanzug. Was aber ist mit Personen, die nicht in
       dieses Schema passen? Der SWR hat für sie eine „Unisex-Kategorie“
       vorgesehen, die aber noch nicht fertig ausgearbeitet ist.
       
       Weil Rätz im Moment die einzige nichtbinäre Moderationsperson bei „SWR
       aktuell“ ist, wird Rätz aktuell in die Einarbeitung der „Unisex“-Kategorie
       miteinbezogen und probiert mit einer Styleberatung Looks aus. Welche
       Outfits für nichtbinäre Moderator:innen künftig erlaubt sind, hängt
       dann davon ab, worauf sich Rätz mit dem SWR einigen kann. Im Entwurf ist
       aktuell von „Unisex-Anzügen oder -Kombinationen“ die Rede, die mit Hemden,
       Blusen, Shirts oder Pullis getragen werden dürfen. Was letztendlich
       getragen werden darf, ist noch unklar.
       
       Wie Moderator:innen gestylt sind, mag zweitrangig wirken, wenn es um
       die Frage geht, wer vor die Kamera treten darf. Dennoch enthält die
       Begründung des SWRs für die Kleiderordnung genau das Argument, das nicht
       nur im Kleinen, sondern auch im Großen Ausschlüsse bewirken kann,
       kritisiert Janboris Rätz auf Instagram. „Die Regeln helfen uns dabei, dass
       die Menschen, die das Publikum durch unsere Sendungen führen, nicht mit
       ihrem Styling von den eigentlichen Informationen ablenken. Nur so können
       wir allen eine freie Meinungsbildung ermöglichen“, heißt es vom SWR.
       
       Rätz erhebt auf Instagram den Vorwurf, diese Begründung sei „im Kern
       Diskriminierung“. Denn schließlich würde alles, was wir nicht gewohnt sind,
       ablenken – zum Beispiel jemanden im Rollstuhl oder mit Kopftuch moderieren
       zu sehen. Dass viele Gruppen im Fernsehen unterrepräsentiert seien,
       kritisiert auch Polo Türk, Vorstandsmitglied der Neuen Deutschen
       Medienmacher*innen: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk büßt an
       Glaubwürdigkeit bei den Gruppen ein, die unsichtbar gemacht werden.“
       
       Offiziell wünscht sich der Sender [4][Diversität]. In einem Reel rief
       [5][Intendant Kai Gniffke] 2021 queere Menschen auf, sich für ein
       Volontariat zu bewerben. Das mit der Diversität „ist aktuell noch nicht
       unsere Stärke“, sagte er damals. Ob der neue Styleguide einen positiven
       Beitrag leisten wird, bleibt fraglich. Rätz jedenfalls trägt nicht nur
       keinen bunten Nagellack mehr. Auf Instagram sagte die Moderator:in, es gehe
       jetzt darum herauszufinden, ob Rätz sich bei „SWR aktuell“ noch wohl und
       verstanden fühlt.
       
       12 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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