# taz.de -- Historiker Wolffsohn über Nahostkonflikt: „Widerspruch schafft Erkenntnis“
       
       > Historiker Michael Wolffsohn kam in Tel Aviv zur Welt und wuchs in Berlin
       > auf. Seit Jahren warnt er vor wachsendem Antisemitismus in Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Der ehemalige Professor an der Bundeswehruniversität in München ist „vom Herzen her“ Antimilitarist
       
       Als Treffpunkt schlägt Michael Wolffsohn das Café Lichtburg im Berliner
       Wedding vor. Der Ort ist eng mit seiner Familiengeschichte verbunden.
       „Lichtburg“ hieß der Kinopalast, der hier bis in die 70er Jahre stand. Er
       gehörte seinem Großvater, bis die Nazis ihn verjagten. 
       
       wochentaz: Herr Wolffsohn, als deutsch-jüdischer Historiker sind Sie seit
       dem [1][7. Oktober] sehr gefragt. Sie sollen alles erklären: Israel,
       Palästina, Antisemitismus, Judentum, Terror, Krieg, alles. Wie halten Sie
       es aus? 
       
       Michael Wolffsohn: Ich bin ein altes Schlachtross. Und das Sprechen ist
       auch Entlastung. Denn ich bin zutiefst niedergeschlagen. Von der
       Entwicklung in Nahost. Und von der Entwicklung in Bezug auf jüdisches Leben
       in der Diaspora, in Deutschland im Besonderen und ganz besonders in Berlin.
       Nie habe ich mir vorgestellt, dass es hier je wieder einen so
       [2][virulenten Antisemitismus] gibt. Das auszusprechen ist eine Aufgabe,
       der ich mich stellen muss.
       
       Um Verständigung herzustellen? 
       
       Ich versuche, die Vielschichtigkeit des Konfliktes darzustellen. Geschichte
       besteht aus vielen Schichten, wie dieses wunderbare Wort zeigt. Das gibt es
       so in keiner anderen Sprache, die ich kenne.
       
       Am 7. Oktober griff die Hamas Israel an, ermordete um die 1.200 Menschen,
       verschleppte 250. Haben Sie je mit so einem Angriff gerechnet? 
       
       Nein. Aber es überrascht trotzdem nicht. Die Palästinenser sind in der
       arabischen Welt jene, die im Umgang mit der modernen Waffentechnologie am
       fähigsten sind. Nicht zuletzt sahen sie sich aufgrund ihrer tragischen
       Konkurrenz zu Zionismus und Israel auf ihre Weise dazu gezwungen. Seit 2007
       wird Israel ständig mit Raketen beschossen. Zuerst waren es selbstgebaute,
       die dann immer perfektionierter wurden.
       
       Was ist anders an diesem Angriff? 
       
       Die Dimension. Wenn wir uns die Geschichte der Terrorakte anschauen, dann
       ist der 7. Oktober 2023 mit Ausnahme des 11. September 2001 der größte
       Terrorakt in der westlichen Welt.
       
       Warum diese Gewalt? 
       
       Da sind wir bei der mörderischen, aber vor allem selbstmörderischen
       Strategie der Palästinenser. Denn die Anwendung von Gewalt hat nur Sinn,
       wenn man ein klar definiertes und erreichbares strategisches Ziel anpeilt.
       
       Und Sie meinen, das ist in der Geschichte der palästinensischen
       Nationalbewegung nicht der Fall? 
       
       Bei aller, aus palästinensischer Sicht nachvollziehbaren Empörung und Wut
       über Zionismus, war es völlig unrealistisch zu erwarten, dass man Israel
       damit in die Knie zwingen könne, zumindest seit 1968, seit die
       palästinensische Befreiungsorganisation PLO den Terrorismus führend
       mitmacht. Im Gegenteil, das hat die israelische Bevölkerung in ihrer
       Reaktion selbst immer radikaler gemacht. Das können wir an den
       Koalitionen, die es in Israel parallel zu den Terrorwellen gab,
       festmachen. Insofern hat die palästinensische Führung den Zeitpunkt
       verfehlt, an dem die Gewalt zu einem politischen Zweck im Sinne der
       Palästinenser oder zu einer friedlichen Lösung geführt hätte.
       
       Wann wäre das gewesen? 
       
       1993 nach der ersten Intifada. Die hatte einen strategischen Sinn, der dazu
       führte, dass es zum Friedensvertrag in Washington kam.
       
       Und warum scheiterte der Friedensprozess? 
       
       Weil die palästinensische Führung entschied, eine Doppelstrategie
       anzuwenden, nämlich Diplomatie und Terror. Ein Fehler. Dann hat die
       israelische Öffentlichkeit gesagt, also wenn wir „das Risiko des Friedens“
       auf uns nehmen, wie der damalige Ministerpräsident Rabin sagte, dann
       möchten wir auch Frieden und nicht mehr Terror. Das führte 1996 zu ersten
       Wahl [3][Netanjahus], der Frieden und Sicherheit versprach, aber nicht
       halten konnte. Dies wiederum führte zur zweiten großen Chance zum Frieden
       unter der Regierung von Barak, der im Sommer 2000 in Camp David unter der
       Regie von Clinton den Palästinensern 98 Prozent des Westjordanlandes
       angeboten hat, Gaza sowieso, plus Ostjerusalem als Hauptstadt.
       
       Klappte das? 
       
       Nein, die palästinensische Seite schlug nicht nur das Angebot aus, sie
       setzte auch weiter auf Gewalt und Terror. Dies führte in der Folge dazu,
       dass Barak abgelöst und Scharon gewählt wurde. Es kam zur zweiten Intifada.
       Aber auch hier die Einsicht von Scharon, der alles andere als eine Taube
       war, 2005 noch mal das Risiko des Friedens einzugehen, und sich aus Gaza
       zurückzuziehen. Das Ergebnis: die Machtergreifung in Gaza durch die Hamas,
       die dann in einem Bürgerkrieg die Fatah, eine weltliche Partei, die zur
       PLO gehört, aus Gaza vertrieb und seit 2007 Israel kontinuierlich mit
       Raketen bombardierte.
       
       Warum wird so reagiert? 
       
       Spätestens seit 2007 ist die palästinensische Gewaltanwendung nur noch
       Selbstzweck. Die Pläne von israelischen, wie auch arabischen Akteuren,
       Gaza, ich sag es mal salopp, zu einem Hongkong oder Singapur des Nahen
       Ostens werden zu lassen, waren fix und fertig in der Schublade. Das
       politisch ungeschickte Handeln des Palästinenserpräsidenten Abbas und der
       Terror der Hamas hat diese Entwicklung verhindert. Das ist die Tragödie des
       palästinensischen Volkes. Dass es Gewalt einsetzte, aber nicht als Mittel
       zum politischen Zweck, sondern allein als Mittel der Rache und Wut.
       Besonders deutlich wurde das am 7. Oktober. Die Dimension der Blutorgie ist
       unvorstellbar. Die Konsequenz: Gaza wird in Schutt und Asche gelegt. Es ist
       eine Tragödie. Man kann die Wut der Palästinenser nachvollziehen, aber sie
       müsste sich eigentlich gegen ihre Führung richten, die nicht bereit ist,
       das Los der eigenen Bevölkerung zu verbessern.
       
       Rache generiert Rache, Hass generiert Hass, sagten Sie einmal. Siedler
       haben Anfang des Jahres ein palästinensisches Dorf überfallen und
       zerstört. Ein Mensch starb. Darf man das mit dem Einfall der Hamas
       vergleichen? 
       
       Furchtbar. Von den Mechanismen her identisch. Von der Quantität her nicht
       vergleichbar, und die Straftaten der Siedler werden im demokratischen
       Rechtssystem Israels untersucht und vor Gericht bestraft. Die
       Siedlerbewegung steht in Korrelation mit der aus meiner Sicht falschen,
       weil auf Gewalt setzenden Politik der Palästinenser. Es hat mehrere Chancen
       gegeben, dass das Westjordanland Autonomie erhält. Sie wurden alle
       abgelehnt. 1978 gab es 700 Siedler im Westjordanland. Heute sind
       700.000. Das war die Antwort. Ich beschönige nichts: Ich halte die
       Siedlungspolitik politisch für eine Torheit und viele Siedler sind mir
       zuwider. Eine Dummheit ergibt die andere.
       
       Sie sagen das so offen, weil Sie gerne das Widersprüchliche an Situationen
       herausarbeiten. 
       
       Widerspruch ist eine Erkenntnismethode. Ich lass mich davon nicht
       abbringen.
       
       Vor dem Überfall der Hamas deuteten Sie vor allem auf die innere
       Zerrissenheit Israels. Es gibt „zwei Israels“ sagten Sie. 
       
       Eigentlich sogar drei, auch die israelischen Palästinenser kommen hinzu.
       Die sich bisher, anders als bei früheren Konflikten, ruhig verhalten. In
       Israel hatten wir vor dem 7. Oktober eine absolut polarisierte
       Gesellschaft. Und nach dem wahrscheinlichen Sieg über die Hamas werden die
       innenpolitischen Gegensätze erneut wieder aufflammen.
       
       Es gab auch Proteste gegen die Hamas in Gaza. Ebenso wie im Iran. 
       
       Es gibt Umfragen aus dem Süden von Gaza und dem Westjordanland, wie
       zuverlässig die sind, kann man bezweifeln, dass 75 Prozent sich mit der
       Mordaktion vom 7. Oktober identifizieren. Aber richtig, es gab diese
       Proteste. Im Iran, anders als in Gaza, waren es Massenproteste. Das viele
       Geld, das in den Gazastreifen floss, der Luxus, den sich die Eliten
       leisten, und das Geld, das in die Tunnelsysteme gesteckt wurde, die
       Bevölkerung hätte Besseres damit machen können.
       
       In Interviews werden Sie nicht müde zu erklären, dass nach dem Holocaust
       eines nie mehr geschehen dürfe, nämlich dass Jüdinnen und Juden je wieder
       so Opfer werden. Der Angriff hat genau das gezeigt. Wie gehen Sie damit um? 
       
       Zionismus und Israel haben nie versprochen, dass es Sicherheit nach außen
       geben werde für das jüdische Volk. Sondern immer nur nach innen. Der
       Zionismus ist eine Reaktion auf den innenpolitischen Antisemitismus in den
       Ländern Europas, in Frankreich, in Deutschland, in Osteuropa vor allem.
       Immer wieder gab es Pogrome bis hin zum Holocaust. Es war vom Beginn der
       zionistischen Besiedlung von Palästina, oder Zion wie die Juden sagen,
       klar, dass es zu einem Clash mit der örtlichen Bevölkerung kommen würde.
       Kurzum, Israel wurde als Zufluchtsort für die Juden und Jüdinnen gegründet,
       die dort vor innenpolitischem Antisemitismus sicher sein sollten. Ziel war,
       dass es in diesem Land kein Berlin-Neukölln geben soll, in dem „Tod
       Israel“, „Tod den Juden“ skandiert wird. Von innen her sollte es keine
       Judenfeindlichkeit geben.
       
       Ist der Gazakonflikt für Sie eigentlich ein innenpolitischer oder ein
       außenpolitischer Konflikt? 
       
       Das ist eine interessante Frage. Die habe ich mir so noch nicht gestellt.
       Wenn die Maxime von Israel ist, nie wieder Opfer, dann ist das militärische
       Übergewicht Israels zwingend. Das ist die Quittung, die die christliche
       und die islamische Welt bekommt für ihren Jahrtausende währenden Umgang mit
       den Juden. Die Frage ist doch, wenn Israel verliert, diese letzte Zuflucht,
       dann, wohin? Nach Neukölln?
       
       Warum schafft es Israel nicht, dass ganz Palästina prosperiert? 
       
       Dazu gehören zwei. Es gab im September 2008 von Ministerpräsident Olmert,
       der Scharon nachfolgte, wieder das Angebot, das Westjordanland zu räumen,
       der Gazastreifen war es ja schon. Darauf ließ der Palästinenserpräsident
       durchblicken, dass die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge die
       Voraussetzung wäre. Aber wer sind die Vertriebenen? Im
       Unabhängigkeitskrieg 1947/48 waren es 700.000 Menschen. Heute sind es mehr
       als 5 Millionen. Die Angaben schwanken. Das wäre der Selbstmord Israels und
       die totale Negierung des zionistischen Gründungsmoments, nämlich dass die
       Juden in ihrem Staat keine Minderheit sind. In dem Augenblick, wo die
       jüdische Bevölkerung die Minderheit ist, wäre die Situation in Zion
       identisch wie sie 2.000 Jahre in Europa war, und genau das wollte man
       verhindern. Ja, klar, man kann fragen, warum akzeptieren die Juden es
       nicht, wenn sie Minderheit sind. Dann antworte ich: Sie hatten 2.000 Jahre
       einfach schlechte Erfahrungen damit.
       
       Aus all diesen Gründen sind Sie ein Verfechter des Militärs? 
       
       Natürlich.
       
       Sie lehrten Geschichte an der Bundeswehrhochschule und waren gleichzeitig
       jemand, der der Idee des Pazifismus verbunden ist. Wie passt das zusammen? 
       
       Krieg ist eigentlich inakzeptabel. Und Pazifismus ist eine wunderbare
       Vorstellung. Ich bin kein Pazifist, sondern vom Herzen her ein
       Antimilitarist.
       
       Israel ist eine Sache, die andere Deutschland. Sie sind 1947 in Israel
       geboren, ab 1953 wuchsen Sie in Berlin auf. Als Jude in der Bundesrepublik
       sind Sie ein Seismograf für Antisemitismus. Schon vor 15 Jahren sagten
       Sie, es werde immer schlimmer. Sie dachten ans Auswandern. Und jetzt? 
       
       Ich bin zu alt. Aber ich bin jetzt skeptischer denn je. Nicht weil dieser
       Staat uns nicht schützen will, sondern weil er es nicht kann. Die
       sicherheitspolitischen Defizite nach innen, wie auch nach außen, sind so
       eklatant, dass mir Angst und Bange wird. Auf der anderen Seite sehe ich
       dankbar, dass die Mehrheit der Deutschen Sicherheitspolitik am liebsten
       nicht haben möchte. Ich kann das nachvollziehen, erst recht nach dem
       „Dritten Reich“ und dem Militär im Kaiserreichs, aber es ist
       unrealistisch.
       
       Antisemitismus in Deutschland kommt aus drei Richtungen, sagen Sie. [4][Von
       der Linken], von der Rechten und von der muslimischen Seite. Wie geht das
       jetzt weiter? 
       
       Indem man die Wirklichkeit als Wirklichkeit erkennt. Die Einschätzung und
       die Gegenstrategien zum Antisemitismus waren bis kürzlich geradezu absurd.
       Bis zum 7. Oktober, das besagen auch die Statistiken, wurde vor allem der
       rechtsextreme Antisemitismus gesehen. Dabei war schon vorher völlig klar,
       dass es den linksextremistischen teilweise bis ins linksliberale Lager
       hineinreichenden Antisemitismus auch gibt. Bei der neuen Linken ist es
       etwas anders als früher, sie versteht sich als antikolonialistisch und
       Israels Zionismus ist für sie die Speerspitze des westlichen Kolonialismus
       und Imperialismus, daher die starke Identifizierung mit den Palästinensern.
       Das ist allerdings bar jeder historischen Realität. Es ist blanker Unsinn
       und eine Ideologie, die wie ein Krebsgeschwür insbesondere an
       Universitäten wuchert.
       
       Im linken Lager ist es schwierig, den muslimischen Antisemitismus zu
       benennen, übrigens auch Homophobie und Frauenfeindlichkeit. 
       
       Dabei ist es doch eindeutig. Die erlebte verbale oder körperliche Gewalt
       gegen Jüdinnen und Juden, die in zig Statistiken, vor allem von der
       EU-Agentur für Grundrechte belegt wurde, sagt, dass die meiste Gewalt gegen
       diese zuletzt von Muslimen ausgegangen ist. Warum kriegt man in Deutschland
       Ärger, wenn man das ausspricht? Man kann in der Demokratie alles sagen.
       Aber hier setzt die Schweigespirale ein und da mache ich nicht mit. Dazu
       gehört eigentlich nicht viel Mut, man muss nur ein Stück weit
       gesellschaftliche Isolierung auf sich nehmen. Jetzt reden übrigens alle nur
       noch über die muslimische Gefahr. Das ist in dieser Pauschalität auch
       völlig idiotisch, es gibt nach wie vor die beiden anderen auch.
       
       Manchmal klingt es so, als fühlten Sie sich als Jude von den Linken
       besonders verraten. 
       
       Ja, weil ich mich denen atmosphärisch immer näher gefühlt habe. Vom
       internationalistischen Selbstanspruch her. Auch dass sie im kulturellen
       Sinne das Spießertum bekämpfen will, finde ich gut. Im Grunde fühle ich
       mich von denen ausgestoßen. Oder anders: Ich kann mich nicht nähern, wenn
       zwischen Anspruch und Wirklichkeit diese Diskrepanz besteht und fühle mich
       geschützter durch das konservative Deutschland.
       
       Wenn Sie sich in Talkshows oder Interviews ins Zeug legen, entsteht
       mitunter der Eindruck, dass es nicht nur um Verstehen geht. Sondern auch
       um Lösen. Gar um Heilen. Die Konflikte heilen. 
       
       Wenn ich das nicht wollte, müsste ich gar nicht erst an Talkshows
       teilnehmen. Sonst wäre es nur noch Selbstdarstellung.
       
       Sehen Sie eine Lösung für das politische Chaos in Israel? 
       
       Ja, ich habe es in meinem Buch zum Weltfrieden dargelegt. Es wäre eine
       Mischung aus bundesstaatlichen und staatenbündischen Elementen mit
       mehreren Kammern und Quotenregelungen. In Ansätzen ein Schweizer Modell.
       Es gibt Möglichkeiten, einen friedlichen Weg zu finden, wenn man sich vom
       Nationalstaat als einziger Lösung löst. Was jetzt wieder gesagt wird,
       Zweistaatenlösung, das ist doch gar nicht durchdacht. Von den meisten
       Politikern aller Parteien bekomme ich auf mein Friedensmodell die Antwort,
       interessant, aber unrealistisch, auch von der Linken. Mit der AfD spreche
       ich nicht.
       
       Sie haben vor ungefähr zwanzig Jahren einen Häuserblock in Berlin geerbt.
       Einst gehörte er mit dem Filmpalast „Lichtburg“ Ihrem Großvater. Er wurde
       von den Nazis enteignet und floh nach Israel. Kurz nach dem Krieg, kam er
       zurück und kämpfte sehr darum, sein Eigentum wiederzubekommen. Mit der
       Gartenstadt Atlantic, einer 20er-Jahre-Reformsiedlung, gelang es. Mit dem
       Kino nicht. Wie groß ist die Gartenstadt? 
       
       500 Wohnungen mit Kindergärten, einer Stiftung, Restaurants, mit Spenden
       und mit Fördergeldern finanzierte Lernwerkstätten in Physik, Musik,
       bildende Kunst, Kochen, Natur, Theater, Literatur und neue Medien. Mit
       73.000 Teilnehmenden vor Corona pro Jahr.
       
       Als Sie die Gartenstadt erbten, riet man Ihnen, sie zu verkaufen. Sie aber
       haben Kredite aufgenommen, sie saniert und vermieten bewusst an jüdische
       und muslimische Menschen, biodeutsch oder nicht. 
       
       Wir vermieten an alle.
       
       Gelingt das Zusammenleben? 
       
       Ja, es ist eine friedliche Oase. Dass es klappt, hat nichts mit jüdisch
       oder muslimisch zu tun, sondern mit der Frage, was braucht der Mensch? Er
       braucht eben mehr als ein Dach über dem Kopf. Es geht darum, sich heimisch
       zu fühlen. Der Mensch muss im Vordergrund stehen und nicht die Frage, wie
       maximiere ich meine Rendite.
       
       Ist die Gartenstadt die Plattform, wo Sie wenigstens ein bisschen das
       kulturelle, religiöse und politische Chaos heilen können? 
       
       Ja, aber Operation gelungen, Patient tot. Die Erfolge, die wir auf der
       Mikroebene herzerwärmenderweise haben, spiegeln sich auf der Makroebene
       nicht wider. Das erleben wir seit dem 7. Oktober mit „Tod den Juden und
       Tod Israel“. Das ist weltweit der Fall, und leider setzten sich die
       illusionsfreien Verständigungsbereiten nicht durch.
       
       Ist die Macht der Worte also passé? 
       
       Das Judentum ist eine Wortreligion und das Schicksal der Juden zeigt, dass
       diese Worte nicht sehr mächtig sind.
       
       Keine Hoffnung? 
       
       Wenig.
       
       11 Dec 2023
       
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