# taz.de -- Männliche Schönheitsideale: Der eigene Körper als Trophäe
       
       > Brad Pitt und Til Schweiger feiern 60. Geburtstag. Sie stehen für das
       > männliche Schönheitsideal der 90er. Heute sind Sixpacks nicht mehr so
       > wichtig.
       
 (IMG) Bild: Til Schweiger in „Manta Manta“ aus dem Jahr 1991
       
       Mit vierzehn suchten meine Freundinnen und ich überall nach Traumprinzen.
       Im Schulhof, auf der Straße, auf dem Sportfest. Wir fanden sie in
       Hollywood-Filmen und hängten deren Poster auf eine Pinnwand im
       Klassenzimmer. [1][Auf glänzendem A4-Papier] lächelten sie ewig schön.
       Langweilten uns die Lehrer:innen, ließen wir den Blick schweifen.
       
       Unser Blick auf männliche Körper war grenzenlos. In den 60ern hätten wir
       wohl James Dean, in den 70ern Clint Eastwood, in den 80ern Patrick Swayze
       angestarrt. In den 90ern hätten Brad Pitt und Til Schweiger gute Chancen
       gehabt, auf der Pinnwand zu landen. Schweiger in weißem Tanktop mit
       muskulösem Bizeps an seinen Opel gelehnt, in seinem Durchbruchsfilm „Manta
       Manta“ (1991). Pitt, mit wallendem Haar und aufgeknöpftem Hemd zu Pferd in
       „Legenden der Leidenschaft“ (1994). Um damals berühmt zu werden, war ein
       Sixpack praktisch ein Muss. Heute ist ein Waschbrettbauch nicht mehr so
       wichtig.
       
       Dazu passt, dass die Teenieschwarms von damals nun Senioren werden.
       Zumindest, wenn es nach dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache
       geht, das die 60 als Schwelle zu dieser Altersgruppe definiert. Außer dem
       Geburtsjahr 1963 haben die beiden aber nicht viel gemeinsam. Sie sind
       Meister ihrer jeweiligen Domäne: Pitt im Verkörpern ständig neuer,
       Schweiger im Verkörpern der stets gleichen Rolle, nämlich jener des
       ruppigen, letztendlich doch liebenswürdigen Machos.
       
       Andererseits könnte man sagen, dass die beiden schon allein aufgrund ihres
       Geburtsjahrs nicht ganz unterschiedlich sind. Nicht nur, weil sie beide
       „Schützen“ (enthusiastisch, euphorisch) und im chinesischen Sternzeichen
       „Hasen“ (freundlich, friedliebend) sind. Sondern auch, weil sie der
       Generation jener männlichen Schauspieler angehören, die, um überhaupt ins
       Rampenlicht zu gelangen, erst mal ihren Sex-Appeal beweisen mussten. Klar,
       den hatten auch schon ihre Vorgänger gehabt. Aber gegen Ende der 80er
       begann Hollywood den Männerkörper für den begehrenden Blick der
       Zuschauer:innen unumwunden freizulegen, ihn zu fetischisieren und mit
       der Kameralinse abzutasten. Ob ihre schauspielerischen Leistungen allein
       ausgereicht hätten? Zumindest bei einem der beiden ist die Antwort klar.
       
       ## Heute sind androgyne Männer in
       
       Im Roadmovie „Thelma & Louise“ (1991) gipfelte die erotische Inszenierung
       des glatten Muskelkörpers in sekundenlangen Kamerafahrten über Pitts
       Sixpack. Der wurde auch in „Fight Club“ (1999) gehörig in Szene gesetzt,
       allerdings so, dass auch Männer bedenkenlos gucken durften – es wurde
       schließlich nicht mehr geknutscht, sondern gekämpft.
       
       Auch der junge Schweiger trainierte sich einen Waschbettbrauch an, 2006
       modelte er in Boxershorts für die Unterwäsche-Marke „Skiny“. Seine Chancen,
       „Sexiest Man Alive“ zu werden, waren aber von Beginn an eher gering, denn
       seit 1985 haben den Preis des People Magazine fast ausschließlich
       US-Amerikaner erhalten. Pitt wurde als einem von wenigen zweimal die Ehre
       zuteil.
       
       Die Einführung des Preises war wie eine Art Metapher auf das, was sich ab
       den späten 80ern in Sachen Männlichkeit verändern würde: Die größte Trophäe
       würde nicht mehr die schöne Frau an der Seite, sondern der eigene Körper
       sein. In Deutschland boomte der Fitnessmarkt, 1997 eröffnete die erste
       Low-Budget-Fitnessstudiokette „McFit“. Aus circa 1.000 Fitnesscentern im
       Jahr 1980 wurden bis Anfang der 2000er rund 6.000.
       
       Inzwischen sind ein paar weitere Generationen junger Schönlinge über die
       Leinwand gelaufen. Etwa Darren Barnet, der in der Teenie-Serie „Never Have
       I Ever“ der Protagonistin seinen entblößten, durchtrainierten Oberkörper
       fühlen lässt. Der aktuell beliebteste junge Traumprinz Hollywoods, Timothée
       [2][Chalamet, hat allerdings keinen]. Ein:e GenZ-Kolleg:in verriet zuletzt,
       androgyne Männer seien jetzt IN.
       
       Während Chalamet nun das Pferd satteln darf, sind Schweiger und Pitt aus
       den Steigbügeln gestiegen. Schweiger setzt mit seinem aktuellen Film „Das
       Beste kommt noch!“ ein zum Sechziger passendes Mantra. Und Pitt? Plant
       seinen ersten Rennfahrerfilm. Allerdings ohne Manta.
       
       18 Dec 2023
       
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