# taz.de -- Pressefreiheit in Ungarn: Druck auf kritische Stimmen
       
       > In Ungarn soll eine Behörde die Durchsetzung des neuen
       > „Souveränitätsgesetzes“ kontrollieren. So sollen kritische Journalisten
       > und NGOs bekämpft werden.
       
 (IMG) Bild: Orbán spricht in Brüssel mit Medienschaffenden
       
       Im Schatten [1][des EU-Gipfels] wurde die Medienfreiheit in Ungarn weiter
       eingeschränkt. Vergangene Woche beschloss [2][Viktor Orbáns] Fidesz mit
       Zweidrittelmehrheit das Gesetz „zum Schutz der nationalen Souveränität“.
       Damit wird „ausländische Einmischung“ in Ungarns Politik und Gesellschaft
       unter Strafe gestellt, überwacht von einer neu zu schaffenden Behörde mit
       umfangreichen Befugnissen.
       
       Betroffen ist laut Gesetzestext „jeder Akt der Desinformation, der darauf
       abzielt, die demokratische Debatte und die gesellschaftlichen
       Entscheidungsprozesse des Staates zu beeinflussen“. Die genaue Auslegung
       obliegt der Behörde, die entspreche Definitionen ausarbeiten und jährliche
       Berichte erstellen solle. Kritiker befürchten, dass die bewusst
       offengelassene Formulierung dazu dient, dass insbesondere auch kritische
       Journalisten und NGOs damit bekämpft werden sollen.
       
       Klar ist: Die neue Behörde kann dem Gesetzestext zufolge selbst
       Ermittlungen gegen jede Person oder Organisation aufnehmen. Sie muss dafür
       keine Gründe angeben und untersteht keinerlei Aufsicht, heißt es von
       Kritikern. Im Februar soll die Behörde ihren Betrieb aufnehmen, schon bis
       1. Januar wird Premier Orbán ihre Leitung auf sechs Jahre bestellen.
       Verstöße gegen das Gesetz sollen mit bis zu drei Jahren Haft geahndet
       werden.
       
       NGOs und Journalisten kritisieren es scharf und vergleichen es mit dem
       [3][„Foreign Agent“-Gesetz in Russland], mit dem Putin seit 2012 die
       Zivilgesellschaft unterdrückt. „Jeder, der sich heute in demokratische
       Debatten einbringt oder die Öffentlichkeit informiert, steht damit unter
       Generalverdacht der Mächtigen“, heißt es in einem offenen Brief von zehn
       freien Medienhäusern in Ungarn, unter anderem Direkt36 und 444. Bereits
       jetzt würden sie von der Regierung beschuldigt, „fremden Interessen“ zu
       dienen. „Dies ist eine bewusste Lüge, die nicht nur die
       Nachrichtenredaktionen diffamiert, sondern auch die Ungarn, die ihre
       Inhalte sehen, hören und lesen.“
       
       ## Zeitgleich eine Anti-EU-Kampagne
       
       Die Regierung hingegen argumentiert, dass damit vorrangig die Finanzierung
       ungarischer Parteien aus dem Ausland verhindert werden soll. Eine solche
       habe es im Zuge der Parlamentswahl 2022 gegeben, die Orbáns Wahlbündnis
       freilich mit 54 Prozent gewann. „Wir möchten denen das Leben schwer machen,
       die im Ausland unsere Heimat für Dollar verkaufen. Wir wollen den linken
       Journalisten, Pseudo-NGOs und Dollar-Politikern einheizen, die glauben, das
       Interesse amerikanischer Dollar-Milliardäre oder Brüsseler multinationaler
       Firmen vertreten zu wollen“, sagte Fidesz-Fraktionschef Máté Kocsis vor
       einigen Wochen.
       
       Schon vor dem Beschluss kritisierten mehrere NGOs, darunter Amnesty
       International und Transparency International, in einem gemeinsamen Brief
       das Gesetz vehement. Es handle sich um „ein politisches Propagandaprojekt“,
       das Ungarns verfassungsrechtlichen und europäischen Verpflichtungen
       widerspreche. Die Organisationen wollen rechtliche Schritte dagegen
       unternehmen und all jene unterstützen, die davon ins Visier genommen
       werden.
       
       Zeitgleich läuft eine Anti-EU-Kampagne von der ungarischen Regierung aus.
       Die Plakate hängen seit Mitte November auf der Straße, zeigen etwa Ursula
       von der Leyen oder Alexander Soros, den Sohn von George Soros. Laut Věra
       Jourová, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, seien die Inhalte
       suggestiv und falsch. Damit werde die ungarische Bevölkerung aufgehetzt, so
       die EU-Kommissarin.
       
       Um die ungarische Pressefreiheit ist es bekanntermaßen übel bestellt:
       Unternehmer aus Orbáns Umfeld hatten etliche Medien aufgekauft, die seitdem
       regierungsfreundlich berichten oder eingestellt wurden. Die wenigen
       verbliebenen freien Medien kämpfen mit finanziellen und behördlichen
       Schikanen. Seit Beginn von Orbáns Amtszeit stürzte Ungarn deshalb in allen
       Pressefreiheits-Rankings ab. Momentan liegt es im Index von Reporter ohne
       Grenzen nur noch auf Platz 72 von 180 untersuchten Staaten.
       
       18 Dec 2023
       
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