# taz.de -- Die Ukraine nach dem EU-Gipfel: Langer Krieg, langer EU-Beitritt
       
       > Kyjiw hofft auf einen zügigen EU-Beitritt. Aus Polens neuer
       > proeuropäischer Regierung kommt nun der Ruf nach 20 Jahren Sperre für
       > ukrainische Waren.
       
 (IMG) Bild: An den Hauptgrenzübergängen, die Polen mit der Ukraine verbinden, sind seit Anfang November Lkw-Blockaden Alltag
       
       BERLIN taz | Vergangene Woche entschieden 26 EU-Mitgliedstaaten, ohne den
       ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Sitzungssaal,
       EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau zu eröffnen. Nun
       äußerte sich Orbán im Interview mit dem staatlichen ungarischen Radio mit
       unveränderter verneinender Intensität: „Etwa 75 Gelegenheiten werde ich
       noch in Brüssel haben, um das Veto gegen den EU-Beitritt der Ukraine
       einzulegen.“ Danach werden die nationalen Parlamente dran sein, [1][ohne
       mögliche kurze Kaffeepause]. Erfahrung mit langen Wartezeiten haben ja
       [2][die EU-Beitrittskandidaten im Westbalkan].
       
       Ebenfalls vergangene Woche wurde der Machtwechsel in Polen vollzogen und
       der neue proeuropäische Premier Donald Tusk vereidigt. Aus Polen kamen am
       Wochenende weniger solidarische Parolen für die Ukraine als [3][vorher.]
       Der neue stellvertretende Landwirtschaftsminister Michał Kołodziejczak,
       Vorsitzender der zu Tusks Koalition gehörenden AGROunia, sagte im
       polnischen Privatradio Rmf24, dass der polnische Agrar- und
       Verbrauchermarkt vor der Ukraine geschützt werden solle, 20 Jahre lang nach
       dem ukrainischen EU-Beitritt. „Wir müssen unser Interesse verteidigen, wie
       es Deutschland getan hat, als Polen der EU beigetreten ist. Damals (2004)
       war der Arbeitsmarkt für acht Jahre für Polen geschlossen“, fügte
       Kołodziejczak hinzu.
       
       Tusk hat versprochen, sowohl die Frage des umstrittenen Getreideimporte aus
       der Ukraine nach Polen zu regeln als auch die Lkw-Blockaden an der
       polnisch-ukrainischen Grenze. Polen, Ungarn und die Slowakei hatten
       einseitig das Importverbot von ukrainischem Getreide nach dem 15. September
       verlängert.
       
       Gegen Bratislava hat Kyjiw die rechtlichen Schritte dagegen gestoppt,
       nachdem die ukrainischen und slowakischen Regierungen eine Einigung ab
       Januar mit der Überwachung von Lizenzen finden konnten. In Polen blockieren
       aber laut Grenzpolizei noch über 2.000 Lkws die Grenze. [4][Seit Anfang
       November dauern diese Lkw-Proteste] gegen die Einfuhr ukrainischer Produkte
       in den polnischen Markt an.
       
       ## Zwöltes Sanktionspaket gegen Russland beschlossen
       
       Als Drittes konnten sich die EU-Staats- und Regierungschefs vergangene
       Woche über das zwölfte Sanktionspaket gegen Russland einigen, das erstmals
       ein Importverbot von russischen Diamanten beinhaltet. Dieses Paket hing am
       Freitag in Brüssel zunächst noch in der Schwebe, weil Österreich die
       Raiffeisen Bank International (RBI), die weiterhin Geschäfte in Russland
       tätigt, von der ukrainischen Liste der „Internationalen Sponsoren“, [5][der
       sogenannten Schwarze Liste], streichen lassen wollte. Formell wird das
       Paket noch in den kommenden Tagen beschlossen – und Wien wird für die
       Sanktionen stimmen, denn seit Samstagabend steht die RBI nicht mehr auf der
       Liste, so die ukrainische Nationale Agentur für Korruptionsvorbeugung
       (Nask) auf ihrer Website. Die Ukraine brauchte Österreichs Zustimmung im
       Rat für die EU-Beitrittsgespräche.
       
       Nicht beschlossen wurde vergangene Woche die Freigabe neuer EU-Finanzhilfen
       für Kyjiw in Höhe von 50 Milliarden Euro. Dies wurde auf einen
       EU-Sondergipfel ab Januar vertagt. Ob die Ukraine so viel Zeit noch hat,
       wird sich [6][in den kommenden Winterwochen zeigen]. „Die von unseren
       Partnern zur Verfügung gestellten Patriots, Nasams, Geparde und anderen
       Systeme funktionieren perfekt“, sagte der ukrainische Präsident Wolodimir
       Selenski in seiner Abendansprache am Samstag.
       
       In der Nacht zum Sonntag hat die Ukraine eigenen Angaben zufolge russische
       Lenkraketen und Drohnen abgewehrt, auch dank ausländischer
       Flugabwehrsysteme. Raketen und Drohnen seien von der russisch besetzten
       Krim und dem besetzen Teil der südukrainischen Region Cherson abgefeuert
       worden.
       
       Am Boden toben die heftigsten Kämpfe nördlich der ostukrainischen Stadt
       Awdijiwka, wo die russischen Streitkräfte im Oktober eine Offensive
       begannen, um die ukrainisch gehaltene Frontstadt bei Donezk einzukesseln.
       Ein Drohnenvideo, das der Nachrichtenagentur AP vorliegt, zeigt Hunderte
       von getöteten Soldaten, die meisten mit russischen Uniformen.
       
       In russischen Grenzregionen meldet das russische Verteidigungsministerium
       derweil fast täglich ukrainische Drohnenangriffe. Und Russlands Präsident
       Wladimir Putin kündigte am Sonntag eine verstärkte Militärpräsenz nahe der
       finnischen Grenze an. Seit April ist Finnland Nato-Mitglied.
       
       17 Dec 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gemma Teres Arilla
       
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