# taz.de -- Deutsche Afrikapolitik: Noch ein „Nie wieder!“
       
       > Annalena Baerbock weiht in Ruanda eine Impfstoffanlage ein. Bei ihrem
       > Besuch geht es aber auch um die Wahlen im Kongo und die deutsche
       > Asylpolitik.
       
 (IMG) Bild: In Ruandas Hauptstadt Kigali: Baerbock betrachtet Bilder vom Völkermord von 1994 in der Gedenkstätte Gisozi
       
       KIGALI taz | „‚Nie wieder‘ muss zur Realität werden.“ Dieser Satz fällt an
       diesem Montag in Ruandas Hauptstadt Kigali mehr als einmal. Dieudonné
       Nagiriwubunta, Leiter der Gedenkstätte, die an den brutalen Völkermord an
       Ruandas Tutsi 1994 erinnert, führt Außenministerin Annalena Baerbock
       (Grüne) über das Gelände.
       
       Draußen sind Tote unter Betonplatten beigesetzt, drinnen hängen Bilder von
       niedergemetzelten Menschen, von Kindern und ihren Familien. Gewaltbilder,
       sich das Leid der Welt anschauen, gehört zum Geschäft einer
       Außenministerin. Baerbock legt einen Kranz nieder, schreibt ins Gästebuch.
       Business as usual, könnte man meinen. Ist es aber nicht.
       
       Im Nachbarland, der Demokratischen Republik Kongo, „greift der Hass wieder
       um sich“, sagt Baerbock am Montag im Anschluss an ein Treffen mit ihrem
       ruandischen Amtskollegen Vincent Biruta. „Die humanitäre Lage ist mehr als
       katastrophal“. Sie prangert sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Frauen
       an. Und zeigt sich erleichtert, dass die Waffenruhe in der Provinz
       Nord-Kivu im Osten des Kongo zu halten scheint.
       
       Deutschland will unterstützen. Aber wie geht das in einem so verfahrenen
       Konflikt? [1][Am Mittwoch soll im Kongo gewählt werden]. Und mindestens für
       die Dauer der Wahlen gilt ein Waffenstillstand zwischen Kongos Armee und
       der Rebellenbewegung M23. Ob die Vermittlungen seitens der USA, die dazu
       führten, tragen und die Waffen weiter schweigen, ist fraglich. Laut
       UN-Angaben unterstützt Ruanda die M23. Baerbocks Job ist es also auch,
       Ruanda dazu zu bringen, mäßigend auf die Rebellen einzuwirken.
       
       ## Krisentelefonat im Flugzeug
       
       Noch während ihres Fluges von Berlin nach Kigali hat die Außenministerin
       mit ihrem kongolesischen Pendant Christophe Lutundula telefoniert. Wie das
       Gespräch gelaufen ist, darüber ist nichts bekannt. Aber das Telefonat soll
       zeigen: Baerbock ist erneut unterwegs in Sachen Frieden. Dieses Mal eben
       auf dem afrikanischen Kontinent. Und so vergisst Baerbock vor ruandischen
       und deutschen Journalist:innen in Kigali auch nicht, ihre Bemühungen
       für Perspektiven im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu nennen und
       ihre klare Haltung zum Terror der Hamas gegen Israel.
       
       Ruanda stehe in beiden Konflikten an der Seite Deutschlands, wird sie nicht
       müde zu betonen. „Lieber Vincent, der Wunsch nach einer friedlichen Region
       eint alle Menschen in der Welt“, sagt Baerbock in Richtung ihres
       ruandischen Amtskollegen. Ein subtiler Seitenhieb, auch dafür zu sorgen,
       dass die Waffenruhe im Nachbarland Kongo anhält. In seinen Statements hatte
       Biruta sich bedeckt gehalten. Kein Wort über die Gewalt im Ostkongo,
       stattdessen lobte er die Kooperationen mit Deutschland, den gemeinsamen
       Kampf gegen den Klimawandel – und sogar Baerbocks Lieblingsthema nennt
       Biruta: die feministische Außenpolitik. Über 60 Prozent der Abgeordneten im
       ruandischen Parlament sind Frauen.
       
       In den ostafrikanischen Binnenstaat ist die Außenministerin eigentlich
       gekommen, um an der Einweihung einer Biontech-Impfstoffanlage in einem
       Industriepark unweit von Kigali teilzunehmen. EU-Kommissionspräsidentin
       Ursula von der Leyen ist dabei, die Präsidenten von Senegal, Barbados und
       Ghana sowie ein Vertreter aus Südafrika sind gekommen, der Vorsitzende der
       Kommission der Afrikanischen Union spricht ein Grußwort. Und so auch
       Baerbock. Heute wird nur eine von 100 der in Afrika verimpften Impfdosen
       auch in Afrika hergestellt. 2040 sollen es 60-mal mehr sein. Der
       Ist-Zustand klingt so irrwitzig, dass das Auswärtige Amt auch seine
       Mitteilung an die Medien vor Antritt der Reise nochmal anpassen muss.
       
       ## Hoffnung auf Malaria-Impftstoff
       
       Große Hoffnung liegt in der Entwicklung eines Impfstoffes gegen Malaria.
       Die WHO registrierte 2021 weltweit mehr als 247 Millionen Fälle, 95 Prozent
       davon auf dem afrikanischen Kontinent. Allein das
       Bundesentwicklungsministerium pumpt eine Menge Geld in Gesundheitsschutz in
       Afrika. 500 Millionen Euro kommen aus dessen Etat und sollen Fachkräfte
       ausbilden, Regulierungsbehörden aufbauen und Firmen wie Biontech anlocken.
       Das alles kostet Geld und soll den afrikanischen Staaten nutzen – aber auch
       der EU.
       
       Denn im fast 9.000 Kilometer entfernten Berlin macht Ruanda an diesem Tag
       in ganz anderer Weise Schlagzeilen. Warum nicht [2][die britische Idee
       kopieren und in das ostafrikanische Land Asylsuchende abschieben]? CDU-Mann
       Jens Spahn hatte die Debatte aufgegriffen. „Wer dafür Zeit hat, gerne“,
       reagierte Baerbock sichtlich genervt. Ganz vom Tisch ist die Idee aber
       nicht, wenn man den Worten Birutas glauben darf. Einen fertigen Plan hat er
       zwar nicht. Aber man sei gewillt, Lösungen für das globale
       Migrationsproblem zu suchen.
       
       18 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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