# taz.de -- „Saltburn“ von Emerald Fennell: Ästhetik statt Handlung
       
       > „Saltburn“ handelt vom Exzess der Reichen und einem Außenseiter, der in
       > ihre Welt gezogen wird. Die Gesellschaftskritik des Films bleibt flach.
       
 (IMG) Bild: Oliver blickt auf das Schlachtfeld, das seine Geburtstags-Party in Saltburn hinterlassen hat
       
       Die Sonne steht schon etwas tiefer, als Oliver Quick (Barry Keoghan) nur
       mit Sonnenbrille und Badehose durch ein Feld läuft. Die Halme in fast schon
       güldenen Farben wiegen sich im Wind langsam hin und her, während er sich
       seinen Weg bahnt zu Felix, Farleigh und Venetia, die es sich mit Decken und
       Büchern in der Mitte des Feldes bequem gemacht haben. „Keine Badehose im
       Feld“, ruft Farleigh. Oliver bückt sich, zieht seine Hose aus und läuft
       nackt auf die drei zu, während im Hintergrund [1][MGMT] anfängt zu singen:
       „I'm feelin' rough, I'm feelin' raw / I'm in the prime of my life.“
       
       Eine Szene so wohl komponiert wie ein Gemälde, das man sich in seinem
       Wohnzimmer aufhängen möchte. Und das bleibt keine Ausnahme. In „Saltburn“
       wirkt jede Szene bis ins letzte Detail aufwändig inszeniert und
       choreographiert.
       
       Verknüpft mit Anspielungen an große Literaten und Popzitaten der
       Nullerjahre entführt einen die britischen Regisseurin Emerald Fennell in
       eine Welt wie von [2][Sofia Coppola] oder [3][Luca Guadagnino] – aber mit
       düsterem Twist. Der Style und die Musikauswahl rufen nostalgische Gefühl
       hervor, ein gelungener Sprung ins Jahr 2006, die Zeit, in der Fennell
       selbst Oxford-Studentin war.
       
       ## Etwas nuanciertere Satire
       
       Im Mittelpunkt des Thrillers steht die Freundschaft zwischen den jungen
       Männern Oliver Quick (Barry Keoghan) und Felix Catton (Jacob Elordi). Beide
       studieren 2006 in Oxford, doch abgesehen davon scheinen sie keine
       Gemeinsamkeiten zu haben. Ohnehin fällt Oliver mit Karohemd und rahmenloser
       Brille, aufgewachsen mit wenig Geld und suchtkranken Eltern, unter seinen
       superreichen Kommilliton_innen auf. Er findet nur schwer Anschluss.
       
       Das ändert sich, als er Felix aus einer misslichen Lage hilft und die
       beiden Freunde werden. Als dann Olivers Vater stirbt, lädt Felix ihn für
       den Sommer in das Anwesen seiner Aristokratenfamilie ein. In Saltburn,
       einem barocken Landsitz irgendwo in England, verbringen die beiden dann
       ihre Tage und Nächte mit Felix extravaganter Familie (Ein Highlight:
       [4][Rosamunde Pike] als Felix Mutter).
       
       Seit November läuft „Saltburn“ in den USA und in Großbritannien in den
       Kinos. In der Rezeption wird meist nur in Zuspitzungen über den Film
       gesprochen: Zwischen genialem Meisterwerk und billigem Schund scheint es
       kaum etwas zu geben. In Deutschland ist er direkt bei Amazon Prime
       gelandet, doch provozieren tut er auch hierzulande.
       
       Hat man eine gute halbe Stunde des Films hinter sich, wähnt man sich in
       einer Satire auf die Klassengesellschaft. Längst haben sich Narrative in
       Film und Fernsehen durchgesetzt, wie sich Klassenunterschiede erzählen
       lassen.
       
       ## Provokationen so erwartbar, dass sie langweilen
       
       Wie eine Person, die zum Essen eingeladen ist und nicht weiß, mit welcher
       der Gabeln sie das aufgetischte Essen verspeisen soll. Oder der Mann, der
       einen schlecht sitzenden Anzug trägt, ohne es zu wissen und von einem, der
       es besser weiß, darauf aufmerksam gemacht wird. Szenen dieser Art gibt es
       auch in „Saltburn“, aber mit neuen Nuancen, die einem das Gefühl geben,
       nicht die ewig gleichen Erzählungen hören zu müssen.
       
       Hat man dann aber die gut zwei Stunden des Films hinter sich, denkt man
       erst einmal gar nichts mehr. Was bleibt, ist Verwirrung. Denn für Kritik an
       der Klassengesellschaft bleibt der Film zu oberflächlich und uneindeutig.
       Der Plot scheint für Ästhetik und Provokation aufgegeben worden zu sein,
       was nicht nur an den etwas lieblos gezeichneten Figuren deutlich wird.
       
       Auch in ihrem Debüt [5][„Promising Young Women“] – einem
       #MeToo-Revenge-Thriller mit Carey Mulligan in der Hauptrolle – arbeitet
       Fennell viel mit Schockmomenten. In „Saltburn“ treibt sie es auf die
       Spitze, etwa wenn Ejakulat aus der Badewanne geleckt, das Blut einer
       menstruierenden Frau in den Mund geschmiert oder ein frisch geschaufeltes
       Grab penetriert wird. Irgendwann werden die Provokationen so erwartbar,
       dass man sich fast langweilt.
       
       Der Film lohnt sich trotz allem. Schalten Sie also ruhig ein, drücken
       häufiger einmal auf Pause und genießen die Gemälde eins nach dem anderen.
       
       4 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neues-Album-von-MGMT/!5480850
 (DIR) [2] /Film-ueber-Priscilla-Presley/!5979125
 (DIR) [3] /Horror-Romanze-Bones-and-All-im-Kino/!5893644
 (DIR) [4] /Gaunerin-in-der-Altenpflege/!5747373
 (DIR) [5] /MeToo-Thriller-Promising-Young-Woman/!5788424
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Amazon Prime
 (DIR) Satire
 (DIR) Gesellschaftskritik
 (DIR) Provokation
 (DIR) Coming-of-Age-Film
 (DIR) Film
 (DIR) Regisseurin
 (DIR) Spielfilm
 (DIR) Reichtum
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) Oscars
 (DIR) Kino
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neue Staffel „Feud“ über Capote: Streiten in der Upper Class
       
       Die Disney+-Serie „Feud: Capote vs. The Swans“ erzählt die Geschichte von
       reichen, einflussreichen Frauen im New York der 1960er und 70er.
       
 (DIR) MeToo-Thriller „Promising Young Woman“: Das Problem hockt da drin
       
       Der Kino-Thriller „Promising Young Woman“ erzählt von sexueller Gewalt
       gegen Frauen. Hauptdarstellerin Carey Mulligan gibt eine souveräne
       Rächerin.
       
 (DIR) Verleihung der Oscars 2021: Ausgezeichnete Regie von Chloé Zhao
       
       Klarer Abräumer bei der diesjährigen Oscarverleihung ist „Nomadland“.
       Regisseurin Chloé Zhao gewinnt als zweite Frau einen Oscar in ihrem Fach.
       
 (DIR) Neuer Film von Yorgos Lanthimos: Dem Fluch entkommen sie nie
       
       Ein hybrider Thriller: „The Killing of a Sacred Deer“ von Yorgos Lanthimos
       ist ironisch überhöht, originell und auch etwas theatralisch.