# taz.de -- Klimawandel und das aktuelle Hochwasser: Vom Himmel hoch, da kommt es her
       
       > Aufgeweichte Deiche, überflutete Straßen und wegschwimmende Autos sind
       > die neue Normalität. Wie Dürre und Waldbrände. Warum begreift das
       > niemand?
       
 (IMG) Bild: Wohnhäuser an einer überfluteten Straße in Lilienthal, Niedersachsen, 28.12.2023
       
       Seit ich vor 30 Jahren meine Familie um die Sektion Göttingen erweitert
       habe, frage ich mich: Was bedeutet eigentlich das „Nieder“ in
       Niedersachsen? Jetzt habe ich die Antwort: [1][Niedersachsen ist das
       Sachsen, wo die Keller volllaufen] und die Sandsäcke gefüllt werden, wenn
       es mal ein paar Tage am Stück regnet. Und nicht nur die Keller: Talsperren
       saufen ab, Flüsse erwachen und verlassen ihr Bett, Deiche durchweichen,
       Überflutungsgebiete machen ihrem Namen alle Ehre, die Feuerwehr wird zur
       Wasserwehr. Im Harz und im Auenland entlang von Leine, Weser und all der
       Flüsse, deren Namen man plötzlich kennenlernt, entstehen [2][neue
       Feuchtgebiete] und Pop-up-Moore.
       
       Alles schlimm genug. Menschen müssen gerettet werden, die Schäden an
       Straßen, Brücken und auf Feldern sind groß. Aber erstaunlich ist, wie
       erstaunt die Menschen sind. Wie laut die Ursachen für diese Katastrophe
       verschwiegen und ignoriert werden. Und wie wenig wir alle realisieren, dass
       das keine Ausnahme mehr ist. Sondern Teil eines neuen Normalzustands. Wir
       nennen es Klimakrise.
       
       Sicher, [3][noch gibt es keine Modellrechnungen], um wieviel
       wahrscheinlicher die Erderhitzung die großflächigen und ergiebigen
       Regenfälle rund um Weihnachten in Norddeutschland gemacht hat. Aber klar
       ist: Sie passen genau ins Muster, sie entsprechen allen Vorhersagen und
       erfüllen mit schöner naturwissenschaftlicher Konsequenz, was Politik und
       Wirtschaft immer gern wegrechnen, ignorieren oder mit „technologieoffen“
       Hoffnungen zukleistern.
       
       Auf den Websites der niedersächsischen Regierung stehen all die Gutachten,
       in den Archiven der Medien finden sich die Berichte über die einschlägigen
       Reports – und in allen Klimaprojektionen zu Deutschland im Klimawandel
       steht es auch: Wärmere Atmosphäre bedeutet mehr Feuchtigkeit in der Luft,
       die Winter werden wärmer und nasser, mehr Extremwetter wie Starkregen und
       Dürre stehen ins Haus. Oder besser: Sie stehen schon kniehoch im Haus,
       nämlich im Keller.
       
       ## Vornehme Zurückhaltung
       
       Dann kommt es genau so wie seit Jahren vorhergesagt, und: Ministerpräsident
       Stephan Weil spricht von „Naturkatastrophe“. Tja, da kann man dann wohl
       nichts machen, oder? Und überall in den Medien sehe ich: lange Berichte
       über die Wassermassen, die Maßnahmen, die Hilfsbereitschaft.
       
       Kaum etwas zu möglichen Ursachen. Vornehme publizistische Zurückhaltung,
       die wir sonst gar nicht kennen: Wenn an Silvester irgendwo in Neukölln eine
       Mülltonne brennt, wird großflächig über verfehlte Migrationspolitik
       debattiert; wenn die Börse mal schwächelt, wird schnell nicht mit Aktien,
       sondern Vermutungen spekuliert. Nichts tut das politische Berlin lieber,
       als faktenarm über Motivation und Entscheidungen von Regierung und
       Opposition zu schwadronieren. Aber ein faktenbasierter Hintergrund dazu,
       was und warum da jetzt so alles vom Himmel hoch runterkommt – und dass das
       keineswegs eine Naturkatastrophe ist? Eher nicht.
       
       Denn das hieße ja: Anerkennen, dass wir bereits mitten in der Klimakrise
       leben. Dass es um Future geht, auch von Saturday bis Thursday. Oder dass
       eine Regierung in Stadt, Land, Fluss vielleicht sogar – verwegener Gedanke
       – den Klimanotstand nicht nur erklärt, sondern auch entschlossen bekämpfen
       müsste.
       
       ## Wenigstens die Mützen stimmen
       
       Für eine solche Zeitenwende wäre es aber eben nicht genug, im Sommer im
       Bundeskabinett eine Strategie zur Klimaanpassung zu verabschieden – sondern
       dieses Denken müsste sich überall breitmachen, nicht nur bei Öko-Steffi.
       Sondern [4][auch bei Bau-Klara], [5][Verkehrs-Volker] und vor allem bei
       Finanz-Chrissie. Aber bis dahin wird noch viel Wasser die Leine herunter
       durch die Innenstädte fließen.
       
       Vielleicht sind wir aber mal wieder viel weiter als diese Menschen an den
       Schleusentoren der Macht: Auf dem Weihnachtsmarkt in Göttingen jedenfalls
       laufen mir zwei Menschen mit grünen Mützen über den Weg. Drauf steht nicht
       wie sonst „Schietwetter“ – sondern „Schietklima“. Na bitte. Geht doch.
       
       28 Dec 2023
       
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