# taz.de -- Aserbaidschans Präsident im Wahlkampf: Von einem Sieg zum nächsten
       
       > Der autoritäre Präsident Ilham Alijew steht als Sieger der
       > Präsidentschaftswahl kommende Woche bereits fest. Die
       > Alibi-Gegenkandidaten werben für ihn.
       
 (IMG) Bild: So sehen Sieger aus: Ilham Alijew bei einem Auftritt in Bergkarabach im November 2023
       
       BERLIN taz | Sie ist schon jetzt ein Ereignis der Superlative, die
       Präsidentenwahl in Aserbaidschan. Die Abstimmung in der Südkaukasusrepublik
       geht am kommenden Mittwoch über die Bühne, eigentlich war sie für 2025
       angesetzt.
       
       „Aserbaidschans langweiligste Wahlkampagne aller Zeiten“, titelte das
       Webportal eurasianet.org und begründete diesen Befund damit, dass sich die
       Öffentlichkeit in einem beispiellosen Ausmaß von der Politik distanziert
       habe. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Der autoritäre Amtsinhaber
       İlham Alijew, bereits seit 2003 an der Macht, steht bereits als sicherer
       Sieger fest – wie immer. Die Frage ist lediglich, ob er sein Ergebnis von
       86 Prozent aus dem Jahr 2018 noch überbieten kann.
       
       Zu den zahlreichen Spitznamen Alijews, der in den vergangenen Wochen
       öffentliche Auftritte häufig in einer Militäruniform bestritten hatte, ist
       jetzt ein weiterer hinzugekommen: Der Siegreiche – eine Anspielung auf die
       aus aserbaidschanischer Sicht „glorreiche“ Wiederherstellung der
       Souveränität über Bergkarabach.
       
       Die von Armenier*innen bewohnte Region nebst sieben angrenzenden
       Gebieten – Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan – stand
       seit den [1][bewaffneten Auseinandersetzungen] zwischen den beiden Staaten
       Anfang der 90er-Jahre unter der Kontrolle von Armenien. Ein Krieg im Herbst
       2020 endete mit einem Sieg Aserbaidschans, dessen Truppen die Pufferzone
       sowie Teile Bergkarabachs zurückeroberten. Vor allem erneute
       Kampfhandlungen im September 2023 führten zu einer Kapitulation Jerewans
       und einem kompletten Exodus der Armenier*innen aus Bergkarabach nach
       Armenien (rund 100.000 Menschen).
       
       ## Beziehungen zum Europarat am Tiefpunkt
       
       Am Thema [2][Bergkarabach] arbeiten sich auch die übrigen sechs Bewerber
       ab, die allesamt Staffage sind. Bei der ersten TV-Debatte priesen alle
       Alijew als Sieger. Kurz darauf rief ein unabhängiger Kandidat seine
       Anhänger*innen dazu auf, für die „Regierung“ zu stimmen.
       
       Bei der Abstimmung am 7. Februar werden Wahlbeobachter*innen der
       Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zugegen
       sein. Vom Regime unerwünscht sind dieses Mal hingegen Beobachter*innen
       der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE).
       
       Bakus Beziehungen zu dem Hüter von Demokratie und Menschenrechten sind
       mittlerweile an einem Tiefpunkt angekommen. Aserbaidschan war dem Europarat
       2001 beigetreten. Seitdem hatte die PACE zahlreiche Resolutionen
       verabschiedet, in denen das Gremium Baku eine negative Bilanz im Bereich
       der Grund- und Freiheitsrechte attestiert hatte.
       
       2012 machten einige [3][Abgeordnete] des PACE in Zusammenhang mit
       Aserbaidschan negative Schlagzeilen [4][(„Kaviar-Diplomatie“)]. Der
       Vorwurf: Für positive Aussagen über Aserbaidschan – zum Beispiel über
       dortige Wahlen – sollten sie Bargeldzahlungen und/oder hochpreisige
       Geschenke erhalten haben. Derartige Verstrickungen galten später als eine
       Erklärung dafür, dass eine Resolution über die Lage von politischen
       Gefangenen in Aserbaidschan 2013 im PACE keine Mehrheit erhielt.
       
       ## Verpflichtungen als EU-Ratsmitglied nicht nachgekommen
       
       Am Mittwoch vergangener Woche kam es in Straßburg zu einem Eklat. 76
       Delegierte votierten bei zehn Gegenstimmen dafür, die Vertreter
       Aserbaidschans zunächst für ein Jahr von den Sitzungen der PACE
       auszuschließen. Die Begründung: Baku sei seinen Verpflichtungen als
       Mitglied des Europarates nicht nachgekommen.
       
       Die Liste der Unterlassungssünden ist lang: Es gebe seriöse Zweifel an der
       Durchführung freier und fairer Wahlen sowie Defizite bei der
       Gewaltenteilung. Gemeint damit ist vor allem eine quasi inexistente
       Unabhängigkeit der Gerichte. Auch die Situation im Hinblick auf die
       Menschenrechte gebe Anlass zur Kritik.
       
       In diesem Zusammenhang wird auch auf massive Repressionen gegenüber
       Mitarbeiter*innen oppositioneller Medien verwiesen. Bezüglich
       Bergkarabachs war von einer gewaltsamen Vertreibung der Armenier*innen
       die Rede. 2023 sei Berichterstatter*innen des [5][PACE] drei Mal ein
       Besuch Südkaukasusrepublik verweigert worden.
       
       Aserbaidschans Reaktion erfolgte prompt: Der Kopf der aserbaidschanischen
       Delegation, Samad Seyidow, sprach von einer Schmierenkampagne gegen
       Aserbaidschan nach dessen historischem Sieg. Politische Korruption,
       Diskriminierung, ethnischer und religiöser Hass, Doppelmoral, Arroganz und
       Chauvinismus seien im PACE vorherrschende Praxis geworden. In
       aserbaidschanischen Medien wird bereits ein Austrittsverfahren aus dem
       Europarat erörtert, das Baku einleiten könnte. 2022 war Russland
       ausgetreten und so einem Ausschluss zuvorgekommen.
       
       2 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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       keine Spur.