# taz.de -- Drohendes Aus der US-Hilfe für Ukraine: Wahlkampf blockiert Vernunft
       
       > Herausforderer Trump kann US-Präsident Biden im Wahlkampf keinen Erfolg
       > gönnen. Das gefährdet nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte Nato.
       > Ein vager Ausweg bleibt.
       
 (IMG) Bild: Versucht seit Monaten ein Hilfspaket für die Ukraine durch den Kongress zu bekommen: US-Präsident Joe Biden
       
       Nach monatelangen Verhandlungen schien der US-Kongress nun endlich eine
       Lösung für die ins Stocken geratene Unterstützung der Ukraine gefunden zu
       haben. Doch innerhalb weniger Stunden hat sich das Blatt gedreht. Am
       Mittwoch stimmte der US-Senat schließlich [1][gegen das von Demokraten und
       Republikanern ausgehandelte Ausgabenpaket], welches mehr als 60 Milliarden
       Dollar zur Unterstützung der Ukraine beinhaltet hat. Das Paket galt als
       bislang beste Option, um das Land im Osten Europas in seinem
       Verteidigungskrieg gegen Russland weiterhin zu unterstützen.
       
       Letztlich waren es die Realitäten der amerikanischen Politik, die das Paket
       torpediert und am Ende versenkt haben. Trotz der Gefahr, die von einem
       möglichen Stopp von Hilfsleistung an die Ukraine ausgehen, ist der Kongress
       in der Ukraine-Frage wie gelähmt. Das Resultat könnte nicht nur
       katastrophale Folgen für die Ukraine selbst haben, warnte der demokratische
       US-Senator Michael Bennet.
       
       Denn: Ein Sieg Russlands stelle eine direkte Gefahr für Europa, die Nato
       und somit auch die USA selbst dar, so der Sprecher des nationalen
       Sicherheitsrats John Kirby Ende vergangenen Jahres. Doch knapp zwei Monate
       später ist der Status unverändert. „Wenn der Westen es dem russischen
       Präsidenten Wladimir Putin erlaubt, mit der Ukraine zu tun und zu machen,
       was er will, wo wird es dann enden? Es könnte zu einer Bedrohung der
       Nato-Verbündeten kommen. Es könnte sogar zum Auslösen von Artikel 5 kommen,
       und das hieße, dass dann auch US-amerikanische Truppen und Truppen der
       Nato-Verbündeten aktiv in den Krieg involviert werden würden“, so Kirby.
       
       Im Moment zahlen nur die Menschen der Ukraine mit ihrem Blut für die Fehler
       des Westens, die bis ins Jahr 2014 zurückreichen. Doch die Vorstellung,
       dass am Ende amerikanische Söhne und Töchter in einen Krieg ziehen könnten,
       reicht nicht aus, um die Abgeordneten im Kongress davon zu überzeugen, sich
       für eine weitere Unterstützung Kyjiws einzusetzen.
       
       ## Kurzsichtige Sturköpfigkeit
       
       Biden versucht seit Monaten ein Hilfspaket für die Ukraine durch den
       Kongress zu bekommen. Zwar zeigten sich Senatoren aus beiden Parteien
       zumindest kompromissbereit. Doch am Ende sind es stets die
       republikanischen Hardliner, die alles zunichtemachen. Und nun kommt
       erschwerend hinzu, dass sich die USA in einem Wahljahr befinden. In einer
       politisch so brisanten Zeit ist manchem Politiker das Risiko einer
       Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem anderen politischen Lager zu groß. Das
       klingt paradox im Angesicht der potenziellen Alternative: einer
       territorialen Ausweitung des Kriegs.
       
       Die republikanische Partei hat noch ein weiteres Problem: Donald Trump. Der
       Ex-Präsident und aktuelle Topfavorit auf die erneute Nominierung seiner
       Partei gibt klar den Ton an. Er will zurück ins Weiße Haus, koste es, was
       es wolle. Ein politischer Erfolg für Joe Biden, was dieses Paket bedeutet
       hätte, kommt daher nicht infrage. „Es ist an der Zeit für Republikaner im
       Kongress, ein wenig Mut und Rückgrat zu zeigen … und der amerikanischen
       Bevölkerung klarzumachen, dass sie für sie arbeiten“, plädierte Biden –
       vergeblich.
       
       ## Legislative Siege könnten ein Ausweg sein
       
       Die EU hat Anfang Februar ein neues Hilfspaket über 50 Milliarden Euro zur
       Unterstützung der Ukraine verabschiedet. Damit hat sie zumindest
       kurzfristig die Führungsrolle eingenommen. Bundeskanzler Olaf [2][Scholz
       ist für Gespräche mit Kongressabgeordneten und Präsident Biden nach
       Washington] gereist. Sein Appell: Es braucht weiterhin auch die USA.
       
       Doch warum sollte ausgerechnet Scholz etwas gelingen, was selbst
       [3][Selenskyj während seines letzten Besuchs in Washington] nicht
       erreichen konnte? Wegen der aktuellen Sitzverteilung in Senat und
       Repräsentantenhaus braucht es die Unterstützung der Republikaner, um
       Gesetzentwürfe zu verabschieden. Und um die Unterstützung von Republikanern
       aus dem rechten Lager zu bekommen, braucht es entweder eine große
       Kompromissbereitschaft oder Trump.
       
       Da Trumps Unterstützung so gut wie aussichtslos ist, bleibt nur die
       Kompromisswilligkeit. Biden und den Demokraten bleibt nichts anderes übrig,
       als Republikanern legislative Siege zu ermöglichen. Das ist zwar keine
       perfekte Lösung, aber das, was die Realität der amerikanischen Politik
       derzeit hergibt.
       
       Was republikanische Hardliner allerdings genau wollen, ist unklar: Zuerst
       wollten sie eine Verschärfung der Grenzsicherung und der
       Migrationspolitik, doch nachdem die Demokraten schließlich eingelenkt
       hatten, war es ihnen doch nicht genug. Eine Reduktion der Staatsausgaben im
       nächste Fiskaljahr könnte vielleicht ein Startpunkt sein.
       
       9 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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