# taz.de -- Wegen Amnestie in Pädophilie-Skandal: Zu Orbáns Schutz abgetreten
       
       > Ungarns Präsidentin Novak hatte den Mitwisser eines Pädophilie-Skandals
       > begnadigt. Am Samstag ist die Fidesz-Politikerin zurückgetreten.
       
 (IMG) Bild: Forderten den Rücktritt Nováks: Protestierende in Budapest am 9. Februar
       
       WIEN taz | Die ungarische Präsidentin Katalin Novák ist am Samstag vor
       laufenden Kameras zurückgetreten. Grund war eine umstrittene Begnadigung im
       Zusammenhang mit einem Pädophilie-Skandal in einem Waisenhaus. „Ich habe
       einen Fehler gemacht. Die Amnestie-Entscheidung und der Mangel einer
       Begründung waren dazu geeignet, Zweifel hervorzurufen“, sagte sie in ihrer
       Rücktrittserklärung.
       
       Der Fall, der dem Skandal zugrunde liegt, ereignete sich in einem
       Waisenhaus in der Kleinstadt Bicske, 30 Kilometer westlich von Budapest.
       Laut Gerichtsurteil hatte der Vizedirektor des Hauses jahrelang die
       pädophilen Straftaten seines Chefs gedeckt und Missbrauchsopfer zu
       Falschaussagen genötigt. Dafür wurden er und der Heimleiter selbst zu einer
       mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Im April 2023 wurde der Vizechef jedoch
       ohne Begründung und verborgen von der Öffentlichkeit von Präsidentin Novák
       begnadigt. Die Amnestie stand offenbar mit einem Besuch von Papst
       Franziskus in ebenjenem Waisenhaus zur gleichen Zeit in Verbindung.
       
       Die [1][umstrittene Begnadigung] wurde erst Anfang Februar durch die
       unabhängige Onlinezeitung 444.hu bekannt. Kurz darauf demonstrierten
       Vertreter der Zivilgesellschaft vor dem Budapester Präsidentenpalast, wo
       sie ein Transparent mit dem Text „Pädophilen-Schützerin“ entrollten.
       Weitere Demos folgten, die größte am vergangenen Freitag mit mehreren
       Tausend Teilnehmern. Auch die Opposition, unter anderem die Parteien
       Momentum und Jobbik, warfen Novák Heuchelei vor und forderten ihren
       Rücktritt.
       
       Von ihren politischen Funktionen zieht sich jetzt auch Judit Varga zurück,
       bis Juli 2023 ungarische Justizministerin. Als solche hatte sie die
       Begnadigung des Straftäters gegengezeichnet. Seit letztem Sommer wollte sie
       sich auf ihr Antreten als Fidesz-Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl im
       kommenden Juni konzentrieren. Ihre Partei muss sich nun nach Ersatz
       umsehen.
       
       ## Orbáns Partei setzt auf Kinderschutz – angeblich zumindest
       
       Novák hatte sich in ihrer Präsidentschaft weitestgehend loyal zu Orbán
       verhalten. Als Familienministerin war sie Fürsprecherin des
       [2][erzkonservativen Frauen- und Familienbilds] der ungarischen Regierung.
       Nach Aufkommen der Kritik distanzierte sich Orbán nun von ihr. Er will
       offenbar kein Risiko eingehen, dass der Fall noch größere Wellen schlägt,
       geriert sich doch seine Partei Fidesz seit Jahren als Unterstützerin von
       Kinderrechten.
       
       Im Jahr 2021 beschloss die Regierung [3][ein „Kinderschutzgesetz“], das
       homosexuelle Inhalte in für Minderjährige zugänglichen Medien unter Strafe
       stellte. Grund dafür: der angebliche „Schutz vor Pädophilie“. Novák sorgte
       mit einem präsidentiellen Veto zwar dafür, dass das Gesetz geringfügig
       entschärft wurde. Viele Beobachter sahen darin jedoch einen PR-Stunt im
       Interesse Orbáns. Beschlossen wurde das hochumstrittene Gesetz am Ende
       doch.
       
       Die Hintergründe und Mitwisser rund um die nun bekanntgewordene Begnadigung
       sind weiterhin unklar. Nováks Rücktritt sei eine „wichtige Folge“, aber es
       fehle nach wie vor an „echten Antworten“, schrieb 444.hu am Sonntag.
       
       Andrea Pető, Politologin an der Central European University (CEU) in Wien,
       sieht einen bedeutenden Schaden für Orbáns ideologisches Fundament. „Der
       Fall zeigt, welche Bedeutung und Macht die verbliebene unabhängige Presse
       in Ungarn noch immer hat“, sagt sie der taz. Die große Stärke von Orbán sei
       es aber auch, jede Krise zum eigenen Vorteil zu bewältigen. Ob er seine
       Anti-Gender-Kampagne so weiterhin aufrechterhalten könne, sei alles andere
       als klar.
       
       12 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/3000000206693/nach-p228dophilie-skandal-in-ungarn-orb225n-will-verfassung-228ndern
 (DIR) [2] /Glosse-Viktor-Orbans-Familienpolitik/!5569187
 (DIR) [3] /Orbans-neues-Gesetz-gegen-LGBTQI/!5775057
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Bayer
       
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