# taz.de -- Orbáns neues Gesetz gegen LGBTQI: Verordnete Queer-Feindlichkeit
       
       > Trotz breitem Protest: Ungarn hat ein Gesetz verabschiedet, das die
       > Darstellung von Homo- und Transsexualität in Büchern und Filmen
       > verbietet.
       
 (IMG) Bild: Tausende protestierten am Montag in Budapest gegen das Anti-LGBTIQ-Gesetz
       
       Die Regenbogenfahne vor dem Parlament in Budapest ist sonst selten zu
       sehen. Am Montag protestierten Tausende vor dem Palast an der Donau gegen
       einen Gesetzesvorschlag, der es verbietet, [1][LGBTQI-Identitäten zu
       propagieren] oder positiv darzustellen. Am heutigen Dienstag wurde es
       verabschiedet.
       
       Im Aufklärungsunterricht in den Schulen darf künftig nicht mehr erwähnt
       werden, dass es etwas anderes als heterosexuelle Partnerschaften geben
       kann. Das Fernsehen darf Filme, in denen z. B. Schwulsein positiv
       thematisiert wird, nicht mehr vor 22 Uhr senden. Verboten werden Bücher,
       Filme und andere „Inhalte“, die sich an Kinder und Jugendliche wenden und
       in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht
       oder in denen es um Möglichkeit einer Geschlechtsangleichung geht.
       
       Das Kinderbuch „Wunderland ist für alle“, in dem sexuelle und andere
       Minderheiten eine positive Rolle spielen, wurde aus dem Verkehr gezogen.
       Werbung, in der homosexuelle oder transgender Personen als Teil einer
       Normalität gezeigt werden, soll es nicht mehr geben.
       
       Die Paragrafen wurden wenige Tage vor der Abstimmung in ein Gesetz gegen
       sexualisierte Gewalt gegen Kinder verpackt. Nach einigen
       Pädophilie-Skandalen, in die hohe Funktionäre der Regierungspartei Fidesz
       verwickelt waren, soll das Gesetz mehr Schutz für die Kinder bringen.
       Verurteilte pädophile Täter werden künftig in einer öffentlich einsehbaren
       Kartei erscheinen, Strafen erhöht.
       
       ## Ehe nur für Mann und Frau
       
       Schon 2020 hat die rechtsnationalistische Regierung unter Viktor Orbán
       [2][ein Gesetz verabschieden lassen], das Personen nach einer
       Geschlechtsangleichung verbietet, die neue Identität in den Pass eintragen
       zu lassen. Auch Adoptionen sind für homosexuelle Paare ausgeschlossen. Dass
       eine Ehe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden kann, ließ Orbán in
       der Verfassung verankern.
       
       Zur Demonstration am Montag hatten nicht nur Budapest Pride (Anm. d. Red.:
       ungarisches LGBTQI-Kulturfestival) aufgerufen, sondern auch das
       Helsinki-Komitee und Amnesty International. Laut Amnesty sei das zentrale
       Problem, dass der Gesetzentwurf bewusst Homosexualität mit Sexualstraftaten
       gegen Kinder vermische.
       
       Widerständig zeigt sich auch die RTL Mediengruppe, die im März von der
       Medienbehörde gemaßregelt wurde, weil sie in einem Werbespot für die
       Akzeptanz von LGBTQI-Personen und -Familien warb. In einer ersten Reaktion
       auf das neue Gesetz bekannte sich der Kanal RTL-Klub zur LGBTQI-Community
       und machte darauf aufmerksam, dass man dann auch die Harry-Potter-Filme ins
       Nachtprogramm verbannen müsse. Dumbledore, der Direktor der Zauberschule,
       ist von der Autorin J.K. Rowling als schwul geoutet worden.
       
       ## Zynisches Spiel gegen Opposition
       
       Márton Gergely, Chefredakteur [3][des unabhängigen Wochenmagazin]s HVG,
       will abwarten, wie die Regierung das Gesetz ausführt. Er hält es für „ein
       zynisches Spiel, um die Opposition zu spalten“. Ein Jahr vor den nächsten
       Parlamentswahlen zeichnet sich eine taktische Allianz aller
       Oppositionsparteien ab, die wissen, dass sie Orbán nur gemeinsam abwählen
       können. Die rechtsextreme Partei Jobbik hat angekündigt, dem Entwurf
       zuzustimmen, weil sie das Kinderschändergesetz befürwortet.
       
       Die linken Parteien blieben der Abstimmung fern, weil sie die Vermischung
       der beiden Materien ablehnen. Gergely erwartet, dass Orbán die
       Oppositionellen beschuldigen wird, Pädophile zu schützen. Ähnlich sei es
       schon vor einem Jahr beim Pandemie-Ermächtigungsgesetz gelaufen, als Orbán
       eine Zusage, die Vollmachten zeitlich zu beschränken, gebrochen habe. Als
       die Sozialdemokraten deswegen dagegen stimmten, warf er ihnen vor, nichts
       gegen Corona unternehmen zu wollen.
       
       Gergely glaubt, dass das Gesetz nicht streng ausgeführt werde, weil man
       sonst mit dem Europäischen Gerichtshof Probleme bekommen könnte. Vielmehr
       solle es Selbstzensur in den Redaktionen bewirken. Er hält es für denkbar,
       dass sich rechtsextreme oder homophobe Anwälte berufen fühlen werden,
       Medien nach verdächtigen Inhalten zu screenen und Musterprozesse führen.
       
       15 Jun 2021
       
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