# taz.de -- Neue Fragen im Einbürgerungstest: Kein Mittel gegen Antisemitismus
       
       > Mit den veränderten Einbürgerungstests wird der Antisemitismus in
       > Deutschland kaum weniger werden. Deutlich zielführender sind Aufklärung
       > und Bildung.
       
 (IMG) Bild: Hilflose Aktion: Wer eingebürgert werden möchte, sollte beim Test auch das Gründungsjahr des Staates Israel kennen
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat das Mittel gegen Antisemitismus
       gefunden: Wer eingebürgert werden will, soll künftig Auskunft darüber
       geben, warum Deutschland Israel gegenüber eine besondere Verantwortung hat.
       Er soll außerdem erklären können, wie ein jüdisches Gebetshaus heißt,
       welche Strafe auf [1][Holocaustleugnung] steht, wann der Staat Israel
       gegründet wurde und wer Mitglied bei den jüdischen Makkabi-Sportvereinen
       werden darf.
       
       Wenn es doch nur so einfach wäre. Für den Fall, dass Sie gerade überlegen,
       ob Sie Ihren Pass per Eilpost abgeben müssen: Die Antworten lauten:
       Holocaust, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, Synagoge,
       1948 und jeder. Das nicht zu wissen aber sagt wenig darüber aus, ob jemand
       Antisemit ist oder nicht. Dass Faeser [2][diese Fragen] jetzt einführen
       will, liegt neben der gerade vollzogenen Einbürgerungsreform auch an der
       aktuellen Debatte in Deutschland.
       
       Seit dem [3][terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober] fokussiert
       sich diese auf antiisraelischen Antisemitismus. Den gibt es, und dagegen
       etwas zu tun ist wichtig. Doch kann man getrost davon ausgehen, dass gerade
       diese Zielgruppe die Jahreszahl 1948 zuverlässig nennen kann. Auch sind
       Holocaustleugner nicht aus Versehen Antisemiten, weil sie nicht wüssten,
       dass Holocaustleugnung strafbar ist.
       
       Solche Fragen sind geeignet, grundsätzliches Misstrauen gegenüber Menschen
       zu schüren, die eingebürgert werden wollen – und seien wir ehrlich: vor
       allem jenen gegenüber, [4][die aus muslimisch geprägten Ländern kommen].
       Zur Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland aber trägt dieser
       Fragenkatalog nichts bei. Deutschland hat ein massives
       Antisemitismusproblem. Doch dieses zieht sich durch die gesamte
       Bevölkerung, ob arm oder reich, mit Hauptschulabschluss oder Doktortitel,
       mit oder ohne Migrationsbiografie.
       
       ## Ein langer, teurer Prozess
       
       Richtig ist, dass der Bildung beim Kampf gegen Antisemitismus eine zentrale
       Rolle zukommt. Dabei geht es aber um mehr als um das Auswendiglernen von
       Fakten zu Judentum und Israel. Vielmehr geht es um eine Auseinandersetzung
       mit dem Thema Antisemitismus und seinen heutigen Erscheinungsformen. Was es
       braucht, ist eine [5][Förderung demokratischer Bildung und Erziehung] – und
       zwar für alle Menschen in diesem Land.
       
       Das aber kann man leider nicht einmal schnell einführen und dann abhaken.
       Es ist ein langer und bedauerlicherweise vermutlich nie endender Prozess.
       Und es kostet Geld. Das aber sollte ein Staat bereit sein zu investieren,
       wenn es ihm ernst ist mit dem Kampf gegen Antisemitismus und andere Formen
       von Menschenfeindlichkeit. Alles andere ist Populismus.
       
       27 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gesetz-gegen-Holocaustleugnung/!5457020
 (DIR) [2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/antisemitismus-einbuergerung-test-holocaust-israel-100.html
 (DIR) [3] /Nach-dem-Massaker-im-Kibbuz-Kfar-Aza/!5968099
 (DIR) [4] /Muslimfeindlichkeit-in-Deutschland/!5972673
 (DIR) [5] /Demokratiefoerdergesetz-unter-Beschuss/!5998971
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
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