# taz.de -- Die Existenz Putins infrage stellen: Ist der überhaupt echt?
       
       > Kreativer Widerstand: In Russland äußern vor allem Frauen öffentlich
       > Zweifel daran, ob es sich bei Präsident Putin um nur eine Person handelt.
       
 (IMG) Bild: Wladimir Putin am Wahlabend in Moskau
       
       Es sind die letzten Stunden dieses Wahlwochenendes in Russland, doch mit
       Spannung erwartet niemand das Ergebnis. Nun ist klar, dass Putin seine
       fünfte Amtszeit antritt. Doch Zweifel werden laut: Putin, wer ist das
       eigentlich? Ist der überhaupt echt?
       
       Diese Frage geistert durch die russischen sozialen Netzwerke. Besucht man
       die Seite der Suchmaschine yandex.ru, dann poppen unzählige Videos auf, in
       denen sich russische StaatsbürgerInnen im Vorfeld der Präsidentschaftswahl
       fragen, [1][was für ein Konstrukt Wladimir Putin eigentlich ist.] Kleine,
       untereinander nicht vernetzte Gruppen gehen bewusst an die Öffentlichkeit
       und verlangen nach einer Überprüfung der Identität Wladimir Putins.
       
       So sind in einem Video sechs ältere Frauen vor der Tür des „Empfangsraums
       des Präsidenten der Russischen Föderation“ in Moskau zu sehen, die ihre
       Eingabe abgeben wollen, die an die zentrale Wahlkommission gerichtet ist.
       Falls sich herausstellt, dass Putin mehr als eine Person ist, muss man ihn
       von der Wahl ausschließen, ist ihre Forderung.
       
       Sie stützen ihre Zweifel auf umfangreiche Recherchen. So haben sie Fotos
       von Putin aus den letzten 30 Jahren miteinander abgeglichen, genauso wie
       seine Unterschriften. Ihrer Ansicht nach weisen die festgestellten
       Unterschiede darauf hin, dass es sich um mehrere Personen handeln muss, die
       die Figur Wladimir Putins darstellen.
       
       ## Putins Termine überlappen sich
       
       Eine Aufstellung seiner absolvierten Termine, die sich, laut Aussage der
       Frauen, nicht selten überlappen, untermauert ihre Zweifel an seiner
       Identität. „Wir müssen wissen, wer in unserem Land an der Macht ist“, sagt
       eine ältere Frau und schaut dabei offensiv in die Kamera. „Wie viele
       Doppelgänger gibt es? Wer wählt sie aus? Und wer sind ihre Hintermänner?“
       Sie spinnt ihren Gedanken weiter: „Wenn hier Doppelgänger regieren, dann
       kann leicht der Geheimdienst eines anderen Landes in Russland die Führung
       übernehmen.“
       
       Eine andere Frauengruppe geht so weit, Wladimir Putin beim
       Inlandsgeheimdienst FSB als „ausländischen Agenten“ zu denunzieren.
       Akribisch zählt eine Frau um die 50 auf, wann und wo Putin ihrer Meinung
       nach seit 1993 gegen die Interessen Russlands gehandelt hat. Der Verkauf
       von Rohstoffen ins Ausland zählt für diese Frauen dazu, denn sie nehmen
       Putins Propaganda vom imperialen Russland beim Wort und offenbaren dabei
       ein protektionistisches Weltbild. Weitere Gruppen verknüpfen ihr Misstrauen
       gegen Wladimir [2][Putin mit antisemitischen Verschwörungstheorien].
       
       Interessant zu beobachten ist, dass in Putins repressivem Staat, der keine
       legale Opposition zulässt, zunehmend Frauen die Existenz des
       Alleinherrschers infrage stellen und sich so gegen ihn und sein Machtgefüge
       positionieren. Im Telegram-Kanal „Der Volkstribun“ gehen während der drei
       Wahltage im Sekundentakt Fotos ein, in denen Menschen in ganz Russland die
       Wahl öffentlich anzweifeln – weil die Auswahl der Kandidaten gelenkt war
       und weil Putins Identität im Vorfeld der Wahlen nicht eindeutig geklärt
       wurde.
       
       Festgehalten ist das in einer „Willenserklärung“, die an die zentrale
       Wahlkommission adressiert ist. Diejenigen, die unterschreiben, fordern „die
       Aufstellung von Kandidaten aus dem Volk! Wir fordern freie Wahlen! Diese
       Wahl ist illegal.“ Eine erste ExpertInnenrunde fragt im „Volkstribun“:
       „Entsteht jetzt eine revolutionäre Situation?“ Jemand postet ein Gedicht
       und schreibt: „Wir wissen alles und doch schweigen wir. Mein Volk, steh
       auf, versteck dich nicht.“
       
       18 Mar 2024
       
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