# taz.de -- Thomas Mücke über die Gefahr von rechts: „Wir müssen Position beziehen“
       
       > Das Violence Prevention Network (VPN) leistet Extremismusprävention.
       > Sollte die AfD mitregieren, will die Organisation kein Staatsgeld mehr
       > annehmen.
       
 (IMG) Bild: Ein AfD-Lokalpolitiker filmt mit einem Smartphone Teilnehmer:innen einer linken Demonstration in Gera im März 2024
       
       Dieser Text ist Teil unserer [1][Berichterstattung zu den Kommunal- und
       Landtagswahlen 2024] in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. [2][Die taz
       zeigt, was hier auf dem Spiel steht:] Wer steht für die Demokratie ein?
       Welche Agenda verfolgen Rechte? Welche Personen und Projekte fürchten um
       ihre Existenz? 
       
       taz: Herr Mücke, viele zivilgesellschaftliche Initiativen schauen gerade
       mit Sorge auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im
       Herbst und auf mögliche Wahlerfolge der AfD, die sich immer weiter ins
       Rechtsextreme radikalisiert. Ihr [3][Violence Prevention Network (VPN)],
       das in der Extremismusprävention tätig ist, teilt diese Sorge. Was
       befürchten Sie? 
       
       Thomas Mücke: Wir arbeiten jetzt seit 24 Jahren zum Thema
       Rechtsextremismus und engagieren uns gegen jede Gefahr, die von dieser
       Szene ausgeht, mit Präventions- oder Ausstiegsprojekten. Noch nie haben wir
       uns dabei Sorgen gemacht, dass eine Situation eintritt, in der
       Rechtsextreme politisch und parlamentarisch bestimmenden Einfluss gewinnen
       könnten. Das hat sich nun geändert, genau diese Gefahr ist jetzt akut. Und
       deshalb müssen wir reagieren. Wenn wir uns so intensiv mit dem Thema
       Rechtsextremismus beschäftigen, dann müssen wir jetzt Position beziehen.
       
       Ihr Projekt hat nun einen Beschluss gefällt. Welchen? 
       
       Sollte es wirklich so weit kommen, dass antidemokratische Parteien wie die
       AfD in Ländern mitregieren, werden wir keine Projekte mehr durchführen, die
       von Geldern oder Vereinbarungen mit einer solchen Regierung abhängig wären.
       Alles andere wäre ein kompletter Widerspruch zu unserer Arbeit. Diese
       besteht ja genau darin, die Demokratie zu stabilisieren. Und als
       zivilgesellschaftliche, demokratische Initiative brauchen wir ein
       demokratisches Gegenüber. Da können wir nicht mit Rechtsextremen
       kooperieren.
       
       Und Sie sehen die AfD als antidemokratisch? 
       
       Wenn man sich so lange mit Rechtsextremismus beschäftigt, gibt es da leider
       keine Zweifel mehr. Und da die AfD inzwischen so breit verankert ist,
       verschärft das die Lage enorm. Rechtsextreme Narrative vergiften die
       gesellschaftliche Stimmung in unserem Land. Wir merken das auch in unserer
       Arbeit. Radikalisierte Jugendliche erklären uns: Wir vertreten doch die
       Position der Mehrheit – was wollt ihr? Das macht es sehr gefährlich, weil
       solche Stimmungen auch zu Gewalt gegen Andersdenkende führen können. Und
       wir merken auch, dass unsere Mitarbeitenden gerade sehr verunsichert sind
       und auch andere Träger deutliche Ängste artikulieren.
       
       Wie zeigt sich das? 
       
       Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder Bedrohungslagen, aber dass
       unsere Arbeit momentan so grundsätzlich infrage steht, das ist eine neue
       Qualität. Dass wir uns jetzt so positionieren, tun wir, weil wir ein sehr
       ernsthaftes gesellschaftliches Problem sehen.
       
       Wenn sich Ihre Organisation tatsächlich aus Thüringen, Sachsen oder
       Brandenburg zurückziehen würde, würde das die Situation nicht noch
       verschärfen? Ließen Sie dann nicht Betroffene im Stich? 
       
       Ganz zurückziehen können wir uns natürlich nicht. Denn es ist absolut
       wichtig, dass zivilgesellschaftliche Aktivitäten gerade in diesen Ländern
       aufrechterhalten werden. Wir müssten dann im Einzelfall schauen, was
       möglich ist. Denkbar wäre, dass wir etwa auf lokaler Ebene, in Städten oder
       Landkreisen, Partner suchen, die demokratisch sind, um in Kooperation mit
       ihnen unsere Arbeit fortsetzen zu können.
       
       Ihr VPN fordert auch die sofortige Einleitung eines Prüfverfahrens für
       [4][ein AfD-Verbot]. Warum? 
       
       In dem Moment, in dem die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz [5][als
       gesichert rechtsextrem eingestuft] wird, muss aus unserer Sicht auch ein
       Verbotsantrag folgen. Ich selbst war früher gegen ein NPD-Verbot, weil die
       Partei keine politische Größe darstellte. Bei der AfD ist das nun anders.
       Wenn eine antidemokratische Partei eine derartige Macht bekommt und
       rechtsstaatliche Prinzipien ernsthaft in Gefahr bringt, muss sich die
       Demokratie als wehrhaft erweisen und dann auch repressiv auftreten, im
       letzten Schritt auch mit einem Verbot.
       
       Aber ein Verbot würde gerade Ihre Arbeit nicht obsolet machen. Die
       rechtsextremen Akteure und ihr Gedankengut wären ja weiter da. 
       
       Ja, damit wäre das Demokratieproblem noch nicht gelöst. Aber es würde erst
       mal die Möglichkeiten der Rechtsextremen einschränken. Wir müssten aber
       natürlich weiterhin Angebote für Extremisten machen, gerade jüngere, und
       ihnen eine Brücke zurück zur Demokratie bauen. Unsere Projekte blieben
       weiter wichtig. Und deshalb kann ich auch nicht nachvollziehen, warum wir
       zum Beispiel immer noch kein Demokratiefördergesetz haben.
       
       Die Ampelregierung hat das Gesetz längst beschlossen, aber [6][die FDP
       blockiert es] im Bundestag. Die Liberalen halten es für zu weitgehend: Es
       würden auch Projekte gefördert, die gegen legitime politische Kritik
       vorgingen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt. 
       
       Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir und viele andere machen unsere
       Arbeit seit Jahren und haben dabei sehr viele Menschen von extremistischen,
       antisemitischen oder verschwörungsideologischen Einstellungen abbringen
       können. Und das wird jetzt alles infrage gestellt? Gerade in der aktuellen
       Situation, in der Extremisten immer mehr Einfluss gewinnen, dieses Gesetz
       nicht zu verabschieden ist widersinnig. Gerade jetzt bräuchte es dieses
       Signal. Wir diskutieren über dieses Gesetz schon seit Jahren, und alle, die
       in dem Bereich tätig sind, sagen, wir brauchen eine verlässliche
       Absicherung. Auch wir als Violence Prevention Network haben seit 24 Jahren
       keine langfristige Finanzierung. Das geht so nicht.
       
       Glauben Sie, dass wir in Deutschland irgendwann an einen Punkt kommen, an
       dem Sie Ihre Arbeit gar nicht mehr machen können? 
       
       Ich sehe, dass die Demokratie in Gefahr ist, aber ich bin zuversichtlich,
       dass wir sie retten können. Aber dazu muss man jetzt seine Stimme erheben
       und auf die sehr gefährliche Entwicklung hinweisen. Und das tun wir.
       
       24 Mar 2024
       
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