# taz.de -- Denkmal für deutsche Soldaten: Verehrte Kolonialverbrecher > Göttingen ehrt noch immer Soldaten der „Schutztruppe“, die in > Südwestafrika Völkermord beging. Die Ratsopposition will eine > Umgestaltung des Denkmals. (IMG) Bild: Gut versteckter Stein des Anstoßes: Das Südwestafrika-Denkmal in der Geismar Landstraße HAMBURG taz | Das Südwestafrika-Denkmal in Göttingen steht recht unscheinbar, eingewachsen zwischen hohen Büschen, an einer Ausfallstraße. Als Stein des Anstoßes taugt es aber allemal noch. Denn es ehrt bis heute vier Göttinger Soldaten, die sich vor 120 Jahren freiwillig zur [1][sogenannten „Schutztruppe“] für die damalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika gemeldet hatten und dort ihr Leben ließen, „für Kaiser und Reich“, wie es auf der Gedenkplatte heißt. Dass sie dort an den deutschen Kolonialverbrechen beteiligt waren, kommt auf dem ursprünglichen Gedenkstein nicht vor. Das will die Ratsopposition nun endlich ändern: Grüne, Linke, Partei/Volt und der Abgeordnete des Bündnisses für nachhaltige Stadtentwicklung wollen am heutigen Freitag in der Ratssitzung einen Antrag einbringen, [2][das Denkmal grundlegend umzugestalten]. Nicht zum ersten Mal: Dagmar Sakowsky (Grüne) erinnert sich noch gut: „Zum ersten Mal haben wir das 1989 versucht.“ Damals hießen die Grünen noch Grün-Alternative Liste und waren allein mit ihrem Anliegen. Inzwischen haben sie nicht nur zusätzliche Unterstützung gefunden, sondern auch die Zielsetzung weiterentwickelt: „Uns ist es wichtig, dass wir die Konzeption komplett in die Hände der Nachfahren der Opfer legen.“ Laut dem Antrag soll eine namibische Künstler:in für die Umsetzung gefunden werden. Bislang ergänzt nur eine nüchterne Infotafel zu den Kolonialverbrechen die marmorne Ehrentafel, die Offiziere des 2. Kurhessischen Infanterieregiments den vier Gefallenen „in Dankbarkeit und Treue“ gewidmet haben. Kurioserweise handelt es sich dabei um eine Replik von 1982. Das Original hatten Student:innen des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands 1978 geklaut, ebenso wie den bronzenen Adler, der einst über dem Gedenkstein thronte. Der wurde damals versteigert, der Erlös an Afrikas letzte antikoloniale Befreiungsbewegung gespendet, die Zanu-PF, die im damaligen Rhodesien gegen die weiße Vorherrschaft kämpfte. Der Vogel fand schließlich seinen Weg ins namibische Nationalarchiv in der Hauptstadt Windhuk. Die stellvertretende Bürgermeisterin Onyeka Oshionwu (Grüne) beschreibt, was den letzten Anstoß für eine erneute Befassung gegeben hatte: „Wir hatten vor zwei Jahren im Rahmen des [3][Provenienzforschungsprojekts] viele internationale Wissenschaftler:innen zu Gast. Einige haben sich irritiert geäußert, dass wir einerseits so weit sind, schon mit der Rückgabe von Raubgütern begonnen haben – und dass andererseits so was noch einfach so hier rumsteht.“ Sie selbst ist der Meinung: „Das muss gar nicht unbedingt abgerissen werden, es kann auch verändert werden.“ Die Mehrheitsfraktionen SPD, CDU und FDP haben sich schon darauf geeinigt, den Antrag zunächst in den Kulturausschuss zu überweisen. Die CDU hält sich bedeckt, die inhaltliche Debatte müsse ja erst im Ausschuss geführt werden. Der Sprecher lässt aber durchblicken, dass die Christdemokraten das Denkmal in seiner jetzigen Form „kritisch“ sehen. ## Die Stadt habe kein Geld, sagt die SPD SPD-Fraktionschefin Elvan Tekindor-Freyjer tritt auf die Bremse: Es sei kein Geld vorhanden. Man wolle daher das Projekt auf der Suche nach einer „kostengünstigen“ Umsetzung „ausführlich“ und unter „Einbezug der zivilgesellschaftlichen Institutionen“ diskutieren. Die „Vernetzung Göttingen Postkolonial“, die seit Jahren auch zu dem Südwestafrika-Denkmal arbeitet, fürchtet, dass das Thema im Ausschuss erneut versanden könnte – und dass die Perspektive der Betroffenen zu kurz kommt. Die Aktivist:innen haben für dieses Jahr ein Austauschprogramm mit jungen Namibier:innen organisiert. Im September 2022 hatten sie den [4][Berliner Herero-Aktivisten Israel Kaunatjike] nach Göttingen eingeladen, der entsetzt über das Denkmal war. „Seine Botschaft an die Stadt war: Geht mit uns ins Gespräch!“, sagt Sarah Böger von „Göttingen Postkolonial“. Passiert ist das bislang nicht. 12 Apr 2024 ## LINKS (DIR) [1] /Deutsche-Kolonialvergangenheit-in-Afrika/!5853562 (DIR) [2] https://www.gruene-goettingen.de/userspace/NS/kv_goettingen/Dateien/RATSFRAKTION_2021-26/Antraege_Anfrage_2021_22/2024/240327_Ratsantrag_Mahnung_und_Gedenken.pdf (DIR) [3] /Provenienzforschung-bei-Gebeinen/!5893878 (DIR) [4] /Aktivist-zur-Rueckgabe-der-Herero-Schaedel/!5532114 ## AUTOREN (DIR) Jan Kahlcke ## TAGS (DIR) Dekolonisierung (DIR) Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama (DIR) Koloniales Erbe (DIR) Kolonialverbrechen (DIR) Göttingen (DIR) Hamburg (DIR) Bremen (DIR) Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama (DIR) Denkmal ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Gedenkstreit in der Hamburger Hafencity: Wohnen, wo die Schlächter losfuhren In Hamburgs Hafencity entstehen Wohnungen – da, wo einst Truppen nach „Deutsch-Südwest“ verschifft wurden. Historiker fordern daran zu erinnern. (DIR) Offener Brief zur Dekolonisierung: Butter bei die Elefanten In einem offenen Brief fordern Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen die Bremer Politik auf, die koloniale Geschichte aufzuarbeiten. (DIR) Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus: „Es braucht handfeste Reparationen“ In Bremen wird immer am 11. August an die Opfer des deutschen Kolonialismus in Namibia erinnert. Das allein ist zu wenig, finden Kritiker:innen. (DIR) Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals: Eiserner Kanzler unantastbar Der Wettbewerb für einen zeitgemäßen Umgang mit Hamburgs Riesen-Bismarck-Denkmal ist gescheitert. Der Senat hatte unerfüllbare Bedingungen gestellt.