# taz.de -- Kritik am Tierschutzgesetz: Droht das Dackelverbot?
       
       > Agrarminister Cem Özdemir will mit der Reform des Tierschutzgesetzes
       > Qualzucht verhindern. Hundezüchter fürchten: Ganze Rassen könnten
       > betroffen sein.
       
 (IMG) Bild: Steht kurzbeinig vor dem Verbot: Dackel könnten aufgrund ihrer Größe unter das Verbot im vorgeschlagenen Tierschutzgesetz fallen
       
       BERLIN taz | Große Sorgen bei den Liebhabern des Hundewesens: „Ein Gesetz,
       das unsere Lieblingshunde verbietet?“, steht groß auf der Website des
       Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH), der die Interessen von
       Hundezüchtern und -haltern vertreten will. Und: „Ohne uns!“
       
       Es geht um die Reform des Tierschutzgesetzes von Bundesagrarminister Cem
       Özdemir. Im Februar hat der Grünen-Politiker einen Entwurf dafür
       veröffentlicht. Unter anderem soll er Qualzuchten einschränken. Das ist die
       Duldung oder gar Förderung von Merkmalen bei der Zucht, die Leid
       verursachen. Der verkürzte Schädel von Möpsen führt zum Beispiel in vielen
       Fällen zu Atemnot. Und Dackel laufen durch ihre kurzen Beine vielleicht
       niedlich – aber haben oft mit Bandscheibenvorfällen und damit teils
       extremen Schmerzen zu kämpfen.
       
       Dem VDH sind die Formulierungen in Özdemirs Novelle zu allgemein. Man könne
       sie als Zuchtverbote für ganze Hunderassen auslegen, warnt der Verband. Er
       hat eine Petition gegen die Pläne gestartet, auch wenn er ein Gesetz zur
       Bekämpfung von Qualzuchten und die Regulierung des Online-Handels mit
       Tieren nicht grundsätzlich ablehnt. Zu unkonkrete Formulierungen sollen
       aber auf Basis „gesicherter wissenschaftlicher und/oder züchterischer
       Erkenntnisse“ umformuliert werden, um „die Gefahr von falschen oder
       überzogenen Auslegungen“ zu verhindern.
       
       Tierärztin Petra Sindern stützt die Befürchtungen des VDH: „Der Dackel wäre
       tatsächlich ebenso wie fast alle anderen Hunderassen von einem Verbot
       bedroht, wenn die Formulierungen des Referentenentwurfs zum neuen
       Tierschutzgesetz unverändert übernommen würden.“ Sindern ist Mitglied der
       AG Qualzucht der Bundestierärztekammer und Vizepräsidentin des
       Bundesverbandes praktizierender Tierärzte.
       
       ## Ministerium weist Vorwurf zurück
       
       Der Tierarztverband fordere ebenfalls, dass Zuchtverbote nur aufgrund
       wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgesprochen werden. Allgemeine
       Formulierungen wie „Schäden am Skelettsystem“ oder „nachweisbare
       Veränderungen einzelner Gene“ seien zu unspezifisch. Es brauche
       „tierartspezifische Verordnungen“ mit „sorgfältigen, objektiven und
       wissenschaftlich fundierten“ Definitionen, die kontrolliert werden könnten.
       So könnten individuelle Tiere, die Merkmale einer Qualzucht tragen, von der
       weiteren Zucht ausgeschlossen werden.
       
       Ein Sprecher des Agrarministeriums versicherte hingegen, dass der
       Gesetzesentwurf nicht vorsehe, dass spezifische Rassen verboten werden
       sollen. Vielmehr soll die „nicht-abschließende Liste an Symptomen“ Behörden
       helfen festzustellen, ob ein Tier Qualzuchtmerkmale aufweist.
       
       Wäre dies der Fall, dürfe mit diesem Tier nicht weiter gezüchtet werden.
       „Außerdem darf ein Tier mit Qualzuchtmerkmalen nicht mehr ausgestellt
       werden, wodurch die Nachfrage nach entsprechend gezüchteten Nachkommen
       sinken soll“, erklärte der Sprecher.
       
       ## Kaum Verbesserung für Nutztiere
       
       Auch abseits der Fragen um die Qualzucht wird das neue Tierschutzgesetz
       kontrovers diskutiert. Der Tierarztverband schreibt zum Beispiel in einer
       Stellungnahme, manche der Vorschläge liefen „in ihrer jetzigen Form dem
       Tierschutz nicht nur zuwider (z.B. Kastration von Kälbern unter 4 Wochen),
       sondern fallen auch gar nicht in den Zuständigkeitsbereich dieses
       Gesetzes.“ Die Tiergenetik und die Tiergesundheit seien zudem „erst gar
       nicht adressiert“ worden.
       
       Der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert ebenfalls eine Überarbeitung
       des Gesetzesentwurfes. In dem Entwurf wird die ganzjährige Anbindehaltung
       von Rindern verboten, doch laut den Umweltschützer*innen gebe es zu
       viele Ausnahmen, sodass sich „für den durchschnittlichen Betrieb“ nichts
       ändern würde.
       
       Der Deutsche Tierschutzbund bemängelt, dass im Gesetzentwurf keine
       bundesweite Kastrationspflicht für frei laufende Katzen vorgesehen sei, und
       vermisst zudem ein Verbot von [1][Lebendtiertransporten in Länder außerhalb
       Europas]. Zusätzlich kritisiert Verbandschef Thomas Schröder, dass das
       „Schwanzkupieren bei Schweinen sowie das Schnabelkürzen bei Legehennen und
       Puten“ erlaubt bleiben solle. „Statt hier und heute klare Kante zu zeigen,
       wird vieles auf später verschoben und könnte von der nächsten
       Bundesregierung locker wieder einkassiert werden“, sagte er.
       
       Doch nicht nur von Tierschützern wird der Gesetzesentwurf von Özdemirs
       Ministerium kritisiert. Die FDP sträubt sich gegen den Entwurf, da die
       darin beschriebenen Maßnahmen zu mehr [2][Bürokratie für Landwirte] führen
       würden. Genau das hätte man den Landwirten versprochen, nicht zu tun, sagte
       Ingo Bodtke (FDP) gegenüber dem Deutschlandfunk.
       
       Außerdem haben Marco Buschmann (FDP) und Bettina Stark-Watzinger (FDP) in
       einem Brief an Özdemir geschrieben, dass die Änderungen „spürbare negative
       Folgen für den Agrarstandort“ und „die internationale Wettbewerbsfähigkeit
       des Wissenschafts- und Forschungsstandortes“ hätten.
       
       29 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Jonas Baur
       
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