# taz.de -- Wiens erste Klimabiennale: Kunst wie aus dem Lehrbuch
       
       > Relevante Fragen für den Kulturbetrieb behandelt die erste Klima Biennale
       > Wien. Doch ist es gut, dass sie angewandte mit der freien Kunst
       > verwechselt?
       
 (IMG) Bild: Pilzartige Installationen der spanischen Künstlerin Eva Fàbregas in der Ausstellung auf dem Festivalareal der Klima Biennale Wien
       
       Wien hat jetzt eine Klimabiennale. Sie bietet 100 Tage Programm: Workshops,
       Konferenzen, Communityprojekte, Ausstellungen bis Mitte Juli, auch ein
       Aktivismuscamp ist dabei. Finanziell unterstützt wird sie mit über 1,5
       Millionen Euro von drei Ressorts der Stadt Wien. Die möchte sich mit dem
       Festival nach eigenem Bekunden als „Vorreiterin“ positionieren, wenn es
       darum geht, den ökologischen Herausforderungen unserer Tage auch im
       Kulturbereich zu begegnen.
       
       Die Klima Biennale Wien stellt die relevante Forderung, der Kulturbetrieb
       solle, [1][wie andere Bereiche der Gesellschaft auch, klimabewusst
       agieren]. Die beiden Programmverantwortlichen, die aus Hamburg nach Wien
       berufenen Sithara Pathirana und Claudius Schulze, arbeiten sich dann an
       ganz praktischen Fragestellungen ab: Wie kann ein Kulturfestival wenig
       Abfall produzieren, wie können Materialien wiederverwendet werden, wie
       Teilnehmende möglichst ohne Restriktionen umweltschonend arbeiten und
       konsumieren? Man erfährt von Möbeln aus Müll, von den richtigen
       Holzzuschnitten für eine Kreislaufwirtschaft, von Lösungen aus Architektur,
       Design und Wissenschaft.
       
       Doch etwas schlägt schräg auf in Wien. Denn die Klima Biennale will diese
       Themen der angewandten Künste mit der freien Kunst verbinden. Von
       etablierten Häusern wie dem Belvedere 21 bis zu unabhängigen Projekträumen
       hat sich für das Festival ein großes Netzwerk aus Ausstellungshäusern
       zusammengetan, interessante Künstler:innen listen sie: die
       österreichische Bildhauerin Angelika Loderer, den von den Bahamas kommenden
       Farbfeldmaler Dominique Knowles, die [2][US-amerikanische Altmeisterin Joan
       Jonas], um nur einige der vielen Namen zu nennen.
       
       Nun kann man als von der Stadt Wien eingeladene Journalistin ansetzen und
       beschreiben, was für beeindruckende Ausstellungen man da sieht, wie sehr
       die Kunst darin die heutige Bedrohung der Umwelt und Natur erfahrbar macht
       – [3][wenn man etwa auf Antje Majewskis Malereien] von Totholz in
       brandenburgischen Wäldern schaut, auf denen sich Pilze und Moose zu
       wundersamen Mustern formieren, oder wenn die Künstlergruppe Cooking
       Sections von einem rotierenden Lautsprecher aus einen Lachs zu Wort kommen
       lässt, der einen in den gleichen beengten Bewegungsradius nötigt, wie der
       Fisch ihn ein Leben lang im industriellen Fischereigewässer hat.
       
       Aber schaut man sich diese freie Kunst nun als Besucher:in der Klima
       Biennale an, so scheint sie arg wie in ein Lehrbuch gezwängt. Denn offenbar
       erfüllt die Kunst hier eine klare Funktion. Sie baut in all den
       Ausstellungen das bedrohliche Szenario von einem ökologischen Missstand in
       der Welt auf. Und dieses Szenario braucht es anscheinend, um so ein
       öffentlich gefördertes Kulturprojekt wie die Klima Biennale zu
       legitimieren. Man kann sagen, die freie Kunst wird hier instrumentalisiert,
       auch für das Stadtmarketing von Wien. Der Weg zur Auftragskunst ist nicht
       sehr weit.
       
       Derzeit wird viel über politische Einflussnahme auf die Kunst debattiert.
       Am Donnerstag noch übergab die Initiative #standwithdocumenta eine Petition
       an den Aufsichtsrat der documenta gGmbH, um sich gegen die [4][Einführung
       von Verhaltensregeln für die zukünftigen künstlerischen Leiter:innen der
       documenta zu stellen]. Es heißt, „Codes of Conduct“ würden die
       Kunstfreiheit einschränken. Vielleicht sollte man mit Kritik woanders
       ansetzen, nämlich an einem derzeitigen Verständnis von freier Kunst, die
       einer politischen Agenda dienen solle.
       
       13 Apr 2024
       
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