# taz.de -- Cum-Ex-Staatsanwältin Brorhilker: Die Banklägerin
       
       > Die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker wechselt von der „schwach
       > aufgestellten Justiz“ auf die politische Ebene. Sie geht zur NGO
       > Finanzwende.
       
 (IMG) Bild: Anne Brorhilker hat ab 2013 zu Cum-Ex-Geschäften ermittelt
       
       In einigen Wochen will sie ihre Tätigkeit als Oberstaatsanwältin in Köln
       beenden und in eine hauptamtliche politische Funktion wechseln. Dann wird
       Anne Brorhilker Co-Geschäftsführerin der Organisation Finanzwende in
       Berlin. Bisher führt sie als maßgebliche deutsche Strafverfolgerin
       Ermittlungsverfahren gegen rund 1.700 beschuldigte ManagerInnen, [1][die
       sie des Cum-Ex-Steuerbetrugs verdächtigt].
       
       Dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) sagte Brorhilker, es gebe eine systemische
       Verquickung von Politik und Bankinteressen. „Da geht es oft um Täter mit
       viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach
       aufgestellte Justiz.“ In ihrer neuen Tätigkeit will sich Brorhilker für
       „Strukturen auf Augenhöhe“ einsetzen, um Steuerhinterziehung in großem Stil
       zu erschweren. Von dem [2][ehemaligen grünen Bundestagsabgeordneten Gerhard
       Schick gegründet], arbeitet Finanzwende als Anti-Lobby gegen den Einfluss
       der Finanzbranche auf die Politik.
       
       2013 begann Brorhilker als erste Staatsanwältin, im Cum-Ex-Skandal zu
       ermitteln. Bei diesen mittlerweile als kriminell identifizierten Geschäften
       verkauften Investoren Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividenden-Anspruch
       schnell hin und her. Für die ausgezahlte Dividende zahlten sie insgesamt
       nur einmal Kapitalertragsteuer, ließen sich die Steuer aber mehrfach vom
       Finanzamt zurückerstatten. Der Schaden für die Allgemeinheit soll
       mindestens 10 Milliarden Euro betragen.
       
       In einer spektakulären Aktion ließ Brorhilker 2014 rund 130 Gebäude in 14
       Staaten durchsuchen, wodurch sie umfangreiches Beweismaterial gegen
       Personen in Banken, Anwaltskanzleien und Investmentfirmen sicherte. Nachdem
       es ihr gelungen war, Kronzeugen zu finden, folgten ab 2020 die ersten
       Urteile. Später wurde der in die Schweiz geflüchtete [3][Anwalt und
       Cum-Ex-Profiteur Hanno Berger] nach Deutschland ausgeliefert und zu mehr
       als acht Jahren Gefängnis verurteilt. Im September 2023 begann der Prozess
       gegen [4][Christian Olearius, den ehemaligen Chef der Hamburger
       Warburg-Bank].
       
       Die 50-jährige Juristin Brorhilker wuchs in Nordrhein-Westfalen auf und
       studierte an der Ruhr-Universität Bochum. Privat ist über Brorhilker wenig
       bekannt, an großen Auftritten zeigte sie bisher wenig Interesse. War sie
       anfangs Einzelkämpferin, leitet sie in Köln mittlerweile eine
       Hauptabteilung mit über 30 StaatsanwältInnen. Der Informationsdienst
       Bloomberg stufte sie 2021 unter die 50 einflussreichsten Personen der
       globalen Finanzwelt ein.
       
       Ihre Triebfeder beschrieb sie im WDR so: Bisher kämen „große
       Steuerhinterzieher besser weg als kleine Sozialbetrüger“. Auch deshalb
       verliere die Allgemeinheit das Vertrauen in den Rechtsstaat.
       
       2023 konterte Brorhilker den Versuch des grünen NRW-Justizministers
       Benjamin Limbach, der ihre Abteilung teilen und eine Anzahl Verfahren in
       andere Hände legen wollte. Limbachs Motiv bestand wohl auch darin, die
       Ermittlungen zu beschleunigen. Brorhilker wehrte sich erfolgreich, Limbach
       ließ seinen Plan fallen und stockte die Stellen der Staatsanwaltschaft auf.
       
       Vielleicht spürte Brorhilker trotzdem einen Mangel an langfristiger
       Unterstützung. Jetzt wechselt sie die Ebene der Auseinandersetzung. Im
       Einklang mit Gerhard Schick betonte sie, sich politisch, öffentlich und mit
       Kampagnen für die Stärkung des Rechtsstaates einsetzen zu wollen. Ein Ziel
       könnte darin bestehen, dass irgendwann eine Bundesanwaltschaft gegen
       Finanzkriminalität gegründet wird – ähnlich dem Generalbundesanwalt, der
       sich unter anderem um Terrorismus kümmert.
       
       23 Apr 2024
       
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