# taz.de -- Urteil im Cum-Ex-Prozess: Acht Jahre Haft für juristischen Kopf
       
       > Das Landgericht Bonn hat Anwalt Hanno Berger schuldig gesprochen. Mit
       > Steuermanipulationen soll er 275,8 Millionen Euro Schaden verursacht
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Steueranwalt Hanno Berger vor der Urteilsverkündung
       
       BONN taz | Das Landgericht Bonn hat Hanno Berger, den juristischen Kopf
       hinter vielen illegalen Cum-Ex-Steuermanipulationen, zu acht Jahren
       Gefängnis verurteilt. Berger soll als Mittäter Steuerhinterziehung in drei
       besonders schweren Fällen begangen und dabei einen Schaden in Höhe von
       275,8 Millionen Euro verursacht haben. Der Vorsitzende Richter Roland
       Zickler attestierte ihm „erhebliche kriminelle Energie“.
       
       Beim Cum-Ex-Skandal geht es um Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende.
       Die Beteiligten ließen sich Kapitalertragsteuer doppelt erstatten, obwohl
       sie nur einmal bezahlt wurde. Komplexe Aktienverkäufe rund um den
       Dividendenstichtag tarnten den Trick. Die Praxis war seit Anfang der 2000er
       Jahre bei zahlreichen Banken im In- und Ausland üblich.
       
       Die Täter hatten dem deutschen Fiskus damit insgesamt rund 10 Milliarden
       Euro Schaden verursacht. Mitbeteiligt waren auch Anwälte und
       Investment-Profis. Jahrelang ließ die Politik das System laufen und ging
       gar nicht oder nur zurückhaltend dagegen vor. Im Juli 2021 entschied
       schließlich der Bundesgerichtshof, dass es sich bei Cum-Ex-Geschäften um
       Steuerhinterziehung handelt.
       
       Eine zentrale Rolle in diesem Skandal spielte der Anwalt Hanno Berger. Das
       hat das Landgericht Bonn nun am Dienstag festgestellt. Berger war früher
       Bankenprüfer in der hessischen Finanzverwaltung und beriet später
       vermögende Kunden internationaler Steuerkanzleien. Er habe Cum-Ex zwar
       nicht selbst entwickelt, aber die Anwendung enorm verbreitert und damit die
       Schadenshöhen potenziert, sagte Richter Zickler: „Sie haben Cum-Ex 2.0
       erfunden.“
       
       ## Vorwurf Steuerhinterziehung
       
       Konkret ging es vor dem Landgericht Bonn an 34 Sitzungstagen um drei
       Vorwürfe der Steuerhinterziehung in Zusammenarbeit mit der Hamburger
       Privatbank M. M. Warburg. Dabei soll in den Jahren 2007 bis 2009 ein
       Steuerschaden in Höhe von 166,5 Millionen Euro entstanden sein. Durch ein
       Fondsmodell kamen 2009 weitere 60,6 Millionen Euro Schaden hinzu und ein
       Jahr später durch ein Pulikums-Fondsmodell noch einmal 48,7 Millionen Euro.
       Insgesamt ergab sich allein im Zusammenhang mit der Warburg-Bank ein
       Schaden von 275,8 Millionen Euro.
       
       „Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung beginnt bei 50.000
       Euro“, sagte Richter Zickler und rechnete vor: „Sie haben die Schwelle um
       mehr als das 5.000-Fache überschritten.“
       
       Das Gericht folgte der Anklage in vollem Umfang. Berger habe als Mittäter
       gemeinsam mit den Verantwortlichen der Bank bei den Steuerbehörden falsche
       Erklärungen abgegeben und dadurch einen erheblichen Steuerausfall
       verursacht. Dabei habe er auch mit Vorsatz gehandelt. „Dass eine nicht
       bezahlte Steuer nicht erstattet werden kann, leuchtet jedem ein. Dazu muss
       man nicht Jura studieren oder Finanzprofi sein“, betonte Richter Zickler.
       Die Versuche Bergers, noch vor Gericht das Gegenteil zu beweisen,
       bezeichnete der Richter in seiner rund 90-minütigen Begründung des Urteils
       als „Blödsinn“.
       
       ## Das Hinterziehungssystem
       
       Ausführlich argumentierte das Gericht, wie es zur Strafe von acht Jahren
       gekommen war. Gegen Berger sprach demnach vor allem die kriminelle Energie.
       „Sie haben ein arbeitsteiliges, gut organisiertes internationales
       Hinterziehungssystem aufgebaut und am Laufen gehalten.“ Außerdem habe der
       Angeklagte seine eigenen Profite – mehr als 13 Millionen Euro – mit
       wiederum komplizierten Offshore-Konstruktionen verschleiert und bisher
       keinen Cent davon zurückgezahlt. Eine gewissenhafte Beamtin im
       Bundeszentralamt für Steuern, die ihm auf die Schliche gekommen war, habe
       er mit existenzbedrohenden Schadenersatzforderungen unter Druck gesetzt.
       
       Allerdings fand das Gericht auch Gründe für eine Strafminderung gegenüber
       der möglichen Höchststrafe von 15 Jahren. So sei Berger nicht vorbestraft
       und habe im August ein Teilgeständnis für die Zeit ab 2009 abgegeben. Die
       Taten lägen lange zurück und Berger sei mit 72 Jahren ein alter Mann, dem
       die Haft zusetze. Auch die teilweise Vorverurteilung in den Medien, die
       Berger schon lange als „Mastermind hinter Cum-Ex“ bezeichnen, wurde
       berücksichtigt. Sogar die Tatsache, dass sein eigener „achtstelliger
       Gewinn relativ gering ist, im Vergleich zum neunstelligen Schaden“, wurde
       Berger zugutegehalten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe
       von neun Jahren gefordert. Bergers Verteidiger hatten in ihrem Plädoyer um
       „Güte“ gebeten.
       
       Während der Urteilsverkündung schüttelte Berger immer wieder den Kopf.
       Zickler unterstellte ihm daher „Starrsinn“. Berger kann noch Revision beim
       BGH einlegen. Es läuft gegen ihn parallel aber auch noch ein
       Steuerhinterziehungsprozess beim Landgericht Wiesbaden.
       
       13 Dec 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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