# taz.de -- Olaf Scholz in Litauen: Panzer statt Weltbühne
       
       > Bundeskanzler Olaf Scholz ist auf Truppenbesuch in Litauen. Er will
       > zeigen, dass er die neue deutsche Rolle für den Schutz des Baltikums
       > ernst nimmt.
       
 (IMG) Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz, rechts, und Litauens Präsident Gitanas Nauseda fahren auf einem gepanzerten Militärfahrzeug
       
       VILNIUS/PABRADE taz | Im Hintergrund vor einem Wald stehen drei Radpanzer:
       ein litauischer, ein deutscher, ein französischer. Je vier Soldaten sind
       davor postiert, mit geschwärzten Gesichtern und Maschinengewehren im
       Anschlag. Für die zivile Bundesrepublik ist das ein recht martialischer
       Hintergrund für einen Kanzlerauftritt. Olaf Scholz, in Jeans und
       Regenmantel, steht vor den Panzern auf dem Truppenübungsplatz Pabrade in
       Litauen. Er besucht das Nato-Manöver Quadriga. Und redet [1][mit Litauern
       über die Bundeswehr-Brigade, die hier stationiert werden soll.] Es geht vor
       allem um Geld.
       
       Der litauische Präsident Gitanas Nauseda – einen Kopf größer als der
       Kanzler – dankt „Deutschland für die Brigade“. Man fühle sich in Litauen
       direkt von Russland bedroht. Und wollte unbedingt, dass Berlin Ja zur
       Brigade sagt. Nauseda verspricht, die „bestmöglichen Bedingungen für die
       deutschen Soldaten und ihre Familien zu schaffen.“ Das ist nicht trivial.
       Ein Grund, vielleicht der wesentlichste Grund dieser Reise ist es
       auszuhandeln, [2][wie viel Litauen beisteuern wird.] Und ob das Land
       Schulen, Kitas, Häuser zahlt. Deutschland wird die 5000 Soldaten starke
       Brigade rund 11 Milliarden Euro kosten. 2027 soll sie einsatzbereit sein.
       Dann kostet sie jedes Jahr 800 Million Euro.
       
       Nauseda gilt als moderat und verbindlich, anders als Außenminister
       Gabrielius Landsbergis, der gern gegen Deutschland stichelt und einen
       drängelnden Ton anschlägt. Nauseda pfiff den Außenminister bereits zurück,
       als der von einem wahrscheinlichen russischen Angriff redete. Auf dem
       Truppenübungsplatz fordert der litauische Präsident von Scholz nun aber
       forsch „mehr Tempo“ bei der Etablierung der Brigade. Es gehe um „jede
       Minute“. Russland dürfe „nicht in Versuchung geraten“, im Baltikum zu
       zündeln. Macht schneller, lautet das Motto. Es ist ein fast
       undiplomatischer Wink an den Kanzler.
       
       Scholz versichert, dass Deutschland „unverrückbar“ an der Seite Litauens
       stehe und „jeden Zentimeter verteidigen“ werde. Die Bundeswehr ist schon
       seit 2017 die führende Nato-Armee in Litauen. Die dauerhafte Stationierung
       der Brigade ist ein Zeichen: Deutschland wird faktisch eine Art Schutzmacht
       für das Baltikum. In der Bundesrepublik hat diese neue Rolle bislang kaum
       öffentliche Wellen geschlagen. Das kann [3][sich allerdings mit dem Zoff um
       Geld] und den Haushalt ändern.
       
       ## Scholz: Seht her, was wir alles tun
       
       Nausedas Forderung kontert Scholz kühl. Bei der Brigade gehe es „mit großem
       Tempo voran“. Mehr sagt er nicht. Dann wendet sich der Kanzler der Ukraine
       zu, die unter „Putins imperialistischen Größenwahn“ leide. Deutschland
       liefere für 28 Milliarden Euro Waffen an die Ukraine, mehr als alle anderen
       europäischen Länder zusammen. „Alle müssen noch mehr tun“, so Scholz. Der
       Verweis auf die Ukraine-Hilfe soll sagen: Litauen wird auch in der Ukraine
       verteidigt. Seht her, was wir alles tun.
       
       [4][Die Brigade in Litauen wird ein Novum.] Dauerhaft stationierte
       Bundeswehrtruppen gab es in diesem Ausmaß noch nie, zudem ist Litauen ein
       mögliches Spannungsgebiet. Niemand weiß, was der russische Präsident Putin
       plant. Aber es ist kein deutscher Alleingang, sondern Teil der
       Nato-Strategie in Osteuropa. Die USA haben dauerhaft Soldaten in Rumänien
       und Polen stationiert. Rumänien plant für die US-Armee bei Cluj ein Areal,
       das doppelt so groß werden wird wie die US-Basis in Ramstein.
       
       Aber: Dass Scholz sich am Montag morgen mit einem Radpanzer durch den
       sandigen litauischen Boden fahren lässt, ist ein politisches Zeichen. Der
       französische Präsident Emmanuel Macron hatte Scholz eingeladen, zusammen
       den chinesischen Präsidenten Xi in Paris zu empfangen. Das wäre ein großer
       Auftritt auf der weltpolitischen Bühne gewesen. Der Kanzler wollte den
       lange vereinbarten Termin in Litauen jedoch nicht platzen lassen. Wohl
       auch, um die gereizten Nerven in Vilnius nicht zu strapazieren. Und um zu
       zeigen: Berlin nimmt die neue Rolle im Osten ernst.
       
       6 May 2024
       
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 (DIR) Stefan Reinecke
       
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