# taz.de -- Video von Entführung der Hamas-Geiseln: Wann endet der Albtraum?
       
       > Die menschenverachtende Strategie der Hamas ist aufgegangen. Daran werden
       > auch neu veröffentlichte Aufnahmen vom 7. Oktober nichts ändern.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten mit Fotos der als Geiseln genommenen IDF-Soldatinnen Karina Ariev, Agam Berger, Daniela Gilboa und Naama Levi
       
       Es ist ein Verzweiflungsakt, den die [1][Angehörigen von fünf in Gaza
       verbliebenen israelischen Geiseln] in dieser Woche begingen. Mit ihrem
       Einverständnis [2][veröffentlichte das israelische Fernsehen Aufnahmen],
       die die Entführung der Frauen von der Militärbasis Nahal Oz durch
       Hamas-Terroristen am 7. Oktober zeigen. Die jungen Frauen, 19 und 20 Jahre
       alt, sitzen in ihren Pyjamas, gefesselt und blutüberströmt, an eine Wand
       gelehnt. Umringt sind sie von unzähligen Männern, Terroristen, die sie
       gefangen halten und später in einem Jeep nach Gaza verschleppen.
       
       Die abscheuliche Gewalt ist in dem Video sicht- und hörbar, in den Worten
       der Terroristen, wie sie die Frauen beschimpfen, ihnen sagen, dass sie
       schön sind, und an ihren Handlungen, wie sie an ihnen zerren, als wären sie
       Vieh, und andere, offenbar bewusstlos oder schon tot, einfach liegen
       lassen.
       
       Drei Minuten und zehn Sekunden dauert das Video. Das, was wir als
       Zuschauer:innen sehen, ist dabei nur ein Bruchteil dessen, was die
       jungen Frauen an Gewalt und Erniedrigung erlebt haben – denn besonders
       gewalttätige Szenen wurden herausgeschnitten oder zensiert.
       
       Wir sehen nicht, wie den jungen Frauen ihre Verletzungen zugefügt worden
       sind. Wir sehen nicht die toten Körper ihrer Freundinnen, nicht das Morden.
       [3][Sexuellen Missbrauch, mögliche Vergewaltigungen] sehen wir auch nicht,
       aber all dies wird angedeutet, in der Art, wie die Männer über die Frauen
       sprechen. Doch auch wenn wir es nicht sehen, kennen wir die [4][Berichte,
       die Beweise]: Untersuchungsergebnisse der Ermordeten, Erzählungen von
       befreiten Geiseln, von Überlebenden des 7. Oktobers, Videoaufnahmen, die
       verletzte Frauen zeigen.
       
       ## Irgendwann ist jeder Schock vorbei
       
       Dennoch kann kein Video der Welt annähernd nachvollziehbar machen, was den
       Geiseln angetan worden ist – und was sie seit über 230 Tagen durchleben
       müssen. Liri Albag, [5][Karina Ariev], Agam Berger, Daniela Gilboa, Naama
       Levy: So heißen die Frauen, deren angstverzerrte, verletzte Gesichter seit
       wenigen Tagen durch die Medien gehen. Sie sind fünf von rund 130,
       vielleicht auch nur noch 50 lebenden Geiseln, die noch in Gaza festgehalten
       werden. Niemand weiß, wie viele bereits umgebracht worden oder im Krieg
       gestorben sind, ob diese fünf Frauen noch am Leben sind.
       
       Irgendwann ist jeder Schock vorbei, Gesichter wenden sich ab vom Grauen und
       anderem zu, widmen sich dem eigenen Alltag, während für die Angehörigen und
       Freunde der Verschleppten kein Alltag mehr möglich ist, weil das Trauma und
       die Angst um die eigene Tochter, den Vater, die Geschwister oder Großeltern
       alles dominiert. Die Welt vergisst – diesen Eindruck haben die Familien der
       Geiseln, und auch ich teile diesen nach fast acht Monaten, die seit dem
       Terrorakt vergangen sind.
       
       Ich bin bis heute davon überzeugt, dass die Welt den Schrecken sehen muss.
       Sie darf nicht wegschauen. Die Opfer der mörderischen Ereignisse vom 7.
       Oktober haben Gesichter, Namen, Geschichten. Und doch schmerzt es mich,
       dass nur die Verbreitung von Bildern bestialischer Gewalt es vermag
       aufzurütteln, in Erinnerung zu rufen, um was es geht: das Leben, die
       Unversehrtheit von Unschuldigen.
       
       Die menschenverachtende Strategie der Terrororganisation Hamas ist
       aufgegangen: Sie konnten morden und verschleppen, ihre Taten stolz in die
       Welt streamen, sie später leugnen, Juden weltweit damit traumatisieren,
       ihre eigene Zivilbevölkerung als lebende Schutzschilde missbrauchen und
       weltweit Sympathie und Unterstützung für die von ihnen begangenen Massaker
       ernten.
       
       Jede Tat, die unwidersprochen bleibt, die umgedeutet wird zu etwas
       Heroischem, einem legitimen Widerstand, verschiebt eine zivilisatorische
       Grenze. Es liegt in unser aller Verantwortung, diese Grenze zu verteidigen.
       Die Angst in den Gesichtern der Geiseln sollte uns eine Erinnerung daran
       sein, was auf dem Spiel steht.
       
       25 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Israel-nach-dem-7-Oktober/!6009265
 (DIR) [2] https://x.com/bringhomenow/status/1793297846529118623
 (DIR) [3] /Gewalt-an-Frauen/!5972451
 (DIR) [4] /Sexualisierte-Gewalt-der-Hamas/!5987483
 (DIR) [5] /Entfuehrte-Israelis-in-Gaza/!5966252
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erica Zingher
       
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