# taz.de -- Klimaaktivismus gegen Volkswagen: In der Höhle des Löwen
       
       > Seit Jahren kämpfen Aktivist*innen gegen den Autobauer VW und für
       > eine Verkehrswende – die jährliche Aktionärsversammlung ist ihr
       > wichtigster Aktionstag. Was können sie erreichen?
       
       WOLFSBURG taz | Mittwochmorgen um halb zehn bricht kurz Tumult aus. Vor dem
       VW-Werkstor Sandkamp in Wolfsburg schreit eine Wachfrau laut: „Ey, hier“,
       winkt ihren Kollegen zu und pfeift laut, denn eine Frau steht auf dem Dach
       des Werktores. In den nächsten Minuten befestigt und entrollt sie ein
       Banner: „Diese Fabrik ist besetzt, VW in Arbeiter*innenhand“.
       
       Auf der Straße stoppt ein Polizeiauto, Beamt*innen halten fünf
       beteiligte Aktivist*innen auf. Auch sie entrollen kleine Stoffbanner
       mit den Aufschriften „VW = Verkehrswende“ und „Au Auto Au“. Später, das
       Banner ist längst wieder abgehängt, melden sie eine Versammlung an. Eine
       holt eine Gitarre raus, sie singen. Auf einem kleinen Parkplatz stehen
       gleich acht Mannschaftswagen der Polizei.
       
       Der Grund für die Nervosität, mit der die vergleichsweise kleinen
       Protestaktionen begleitet werden: Es ist wieder Hauptversammlung bei VW.
       Seit fast zwei Jahren nun kämpft Amsel44 in Wolfsburg dafür, VW zu
       vergesellschaften und zu einem straßenbahnproduzierenden Betrieb umzubauen.
       Um dem zweitgrößten Automobilkonzern der Welt etwas entgegenzusetzen, hat
       sich die Gruppe in Wolfsburg mit einem Projekthaus niedergelassen. Die
       Adresse: Amselweg 44. Die Proteste im vergangenen Jahr schafften es bis in
       den britischen Guardian; Klimaaktivist*innen hatten mit Nacktprotest
       und Tortenwurf die Versammlung unterbrochen.
       
       ## Aktionen zur Hauptversammlung von VW
       
       Das Bild von Mannschaftswagen und Beamt*innen an jeder Ecke in der
       Innenstadt zieht sich wie ein roter Faden durch den Tag. Die
       Wasserschutzpolizei patrouilliert auf dem Kanal. Wo auch immer Aktionen
       sind, die Polizei ist da. Dabei findet die Vollversammlung, wegen der
       Erfahrungen aus 2023, nicht mal in Präsenz statt, sondern virtuell. Doch
       die Aktivist*innen vom Projekthaus Amsel44 wollen die Flucht ins
       Virtuelle nicht einfach hinnehmen; sie halten die Stadt am Mittwoch mit
       unterschiedlichsten Aktionen auf Trab. Ein VW-Sprecher begründet die
       Verlegung ins Digitale anders: „Aus organisatorischen Gründen“ versammle
       man sich online. Außerdem werde so CO2 eingespart, wenn niemand anreisen
       müsse, und es könnten so noch viel mehr Aktionär*innen teilnehmen.
       
       Tobi Rosswog, Aktivist von Amsel44, lässt sich die Teilnahme an der
       diesjährigen Veranstaltung nicht nehmen. Er wurde mit Rederecht von den
       Kritischen Aktionären ausgestattet: einer Nichtregierungsorganisation, die
       sich von Aktionär*innen ihr Stimmrecht übertragen lässt. So können sie
       auf Hauptversammlungen verschiedener Konzerne auch für mehr Klima- und
       Arbeitsschutz einstehen.
       
       Rosswog wählt sich also am Mittwoch in die Jahreshauptversammlung bei VW
       ein und hält seine Rede. Später erzählt er, dass er mehrfach ermahnt und
       unterbrochen worden sei – weil er die Tagesordnung gestört habe. „Dabei
       habe ich mich doch auf die Ausschüttung der Dividenden bezogen, die nur
       einige wenige erhalten.“
       
       ## Der Beginn der Proteste
       
       [1][Im Sommer 2022 begannen die Proteste der Amsel44]-Aktivist*innen.
       Zunächst demonstrierten sie gegen den Ausbau der A 39 und starteten eine
       Kampagne gegen das damals geplante Werk in Warmenau bei Wolfsburg, in dem
       VW sein neues E-Limousinen-Modell Trinity bauen wollte. Bei den Anwohnenden
       von Warmenau tauchten gefälschte Flugblätter mit dem Titel „VW übernimmt
       Verantwortung“ auf, dazu das Logo des Konzerns, illegalerweise verwendet.
       
       Die Kampagne hatte Folgen für die Aktivist*innen: Ende Mai 2023 [2][stand
       die Polizei vor der Tür im Amselweg], durchsuchte das Haus und nahm
       Datenträger und Elektrogeräte mit.
       
       Nach drei Monaten war das Trinity-Werk tatsächlich vom Tisch. Allerdings
       nicht wegen der Proteste, sondern weil sich die Entwicklung einer
       Fahrzeug-Software verzögerte. Statt auf Werksneubau setzt VW nun auf die
       Umrüstung bestehender Werke, [3][um die E-Modelle zu fertigen].
       
       ## VW ist der zweitgrößte Autokonzern weltweit
       
       Amsel44 protestiert weiter gegen VW: Zwei Aktivist:innen seilen sich am
       Mittwoch von einer Fußgängerbrücke ab. Die verläuft vom Wolfsburger
       Hauptbahnhof über den Mittellandkanal und führt direkt zur Autostadt, einem
       Tourismus-Ort des Konzerns: Konzerte, Schlittschuhlaufen, Ausstellung,
       Shop, Gastronomie. Die Aktivist*innen zurren ein Banner an der Brücke
       fest, das den Umbau zur „Verkehrswendestadt“ fordert. Es ist eine der
       Aktionen, die für Aufruhr sorgen. „Holt doch mal ein Messer“, ruft ein
       Bauarbeiter von der Baustelle, die sich derzeit auf der Brücke befindet.
       „Geht lieber nach Berlin oder Brüssel“, schreit einer vom VW-Wachpersonal.
       Sein Kollege filmt die Aktion. Ein anderer schickt die Presse vom Gelände
       der Autostadt und verweist aufs Hausrecht.
       
       Am Nachmittag gelingt es Rosswog doch noch, eine medienwirksame Botschaft
       in die Hauptversammlung zu schicken: Er filmt sich und rund 20 andere
       Aktivist*innen mit einem riesigen Stoffbanner auf der Berliner Brücke,
       der großen Straße in Richtung Werkstor Ost. Von der Berliner Brücke ist der
       Blick frei auf das riesige VW-Gelände. Akkurate Wiesen umranden die
       Zufahrtswege und die Teststrecke. Das Banner auszurollen ist schwierig:
       „Das ist nicht erwünscht“, sagt ein Polizist, umringt von etwa fünf
       Kolleg*innen. „Zwischen unerwünscht und nicht erlaubt liegt ja auch noch
       ein Unterschied“, entgegnet ein Aktivist.
       
       Schließlich halten sich die Aktivist*innen an die Vorgabe der Polizei;
       hängen das Banner nicht direkt an die Außenseite des Geländers. Gegen den
       Wind und den heftigen Regen kämpfend, entrollen sie es. Die darauf gemalte
       Straßenbahn ist nur im Ansatz zu erkennen, doch Rosswog hat sein Bild
       bekommen. Klatschnass gehen die meisten zurück Richtung Amsel44.
       
       Doch warum eigentlich Wolfsburg, warum VW? Die Aktivist*innen nennen
       mehrere Gründe: „VW ist der zweitgrößte Automobilhersteller“, sagt
       Amsel44-Aktivistin Lotte Herzberg, „zudem ist die juristische Konstellation
       mit dem Land Niedersachsen als Miteigentümer spannend.“ Das Land
       Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmanteile bei der Volkswagen Group.
       
       ## Adolf Hitler beauftragte den Bau des Werks 1938
       
       Auch die Geschichte der Stadt ist eine besondere – und ein Grund für die
       Aktivist*innen, hier zu demonstrieren: Gegründet 1938 als „Stadt des
       KdF-Wagens bei Fallersleben“, ist Wolfsburg eine Erfindung der Nazis. KdF
       ist die Abkürzung für „Kraft durch Freude“. Adolf Hitler beauftragte damals
       den Bau eines Werkes zur Produktion des von Ferdinand Porsche entworfenen
       Volkswagens. Doch dazu kam es lange nicht: Wegen des Kriegs wurden in
       Wolfsburg Rüstungsgüter produziert – von Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen.
       
       Laut VW waren das etwa 20.000 Menschen, der Konzern hat die eigene
       Vergangenheit inzwischen aufgearbeitet, unter anderem in einer 1999
       eröffneten Dauerausstellung. Das sei längst nicht ausreichend, sagen viele,
       wie auch die protestierenden Aktivist*innen. 1945 bekam Wolfsburg seinen
       jetzigen Namen. „VW prägt hier das Lebensgefühl. Es gibt den Witz mit den
       zwei Rathäusern: eins auf jeder Seite des Mittellandkanals. Das mächtigere
       sitzt nördlich davon.“ Dort steht das VW-Werk.
       
       Heute hat die Stadt rund 125.000 Einwohner*innen. Die historische Prägung
       ist kaum zu übersehen: Die Haupteinkaufsstraße heißt immer noch
       Porschestraße, VW fördert Kunst und Kultur, sponsert Profi-Sportler*innen.
       Herzberg sagt: „Dass bis heute der Enkel des Kriegsverbrechers 53 Prozent
       der Anteile hält und die Straße Porschestraße heißt, macht deutlich, dass
       die Kontinuität des Nationalsozialismus nicht aufgearbeitet wurde.“
       
       Die Aktivist*innen üben auch Kritik an den Besitzverhältnissen der
       Volkswagen Group, die größtenteils in den Händen der Familien Porsche und
       Piëch liegt. Verschiedene Medien berichten von einer geplanten
       [4][Dividendenausschüttung von 4,5 Milliarden Euro für das Jahr 2023], der
       Umsatz liegt nach Volkswagen-Angaben bei 322 Milliarden Euro.
       
       ## Die IG Metall
       
       Rosswog ging es von Anfang an nicht um „ein bisschen weniger Autos“,
       sondern um eine andere Welt. „Das lässt sich aber nicht im luftleeren Raum
       machen“, sagt er. VW sollte der Ort der Auseinandersetzung sein, das
       konkrete Beispiel für die Utopie. Ein anderer Grund, sagt Rosswog: der hohe
       Organisierungsgrad der Gewerkschaft IG Metall. Sie vertritt
       Arbeiter*innen aus der Industrie, um die es den Aktivist*innen
       neben der ökologischen Komponente ihrer Vision auch geht. Doch der Kontakt
       mit der IG Metall lief anders als gedacht. „Am Anfang war uns nicht klar,
       dass es so miserabel sein wird.“
       
       Ein Jahr lang habe man „Klinken geputzt und Kaffee in Hinterzimmern
       geschlürft“. Immer wieder sei man vertröstet worden. „Es gibt unglaubliche
       Seilschaften, auch in der Stadt. ‚Ihr habt ja recht‘ oder ‚über Trinity
       reden wir nicht‘ haben wir immer wieder gehört“, sagt Rosswog. Nach einem
       Jahr stand fest: „Wir lassen uns nicht verarschen. Mir können Leute sagen,
       dass sie mich oder meine Position scheiße finden, aber so etwas kann ich
       einfach nicht ab.“
       
       Anfang August 2023 stellten dann (angeblich) Unbekannte eine Website
       online, auf der frei erfundene Pläne der IG Metall zur Transformation VWs
       veröffentlicht wurden. Am Tag danach sei man mit Transpi und Infotisch zum
       Sitz der IG Metall gegangen, sagt Rosswog. Man wollte reden, wurde
       weggeschickt. Tags darauf folgte eine größere Aktion, bei der die
       Aktivist*innen an den meterhohen Säulen vor dem Gebäude ein Banner
       aufhängten. Herzberg sagt, einige seien während der normalen Öffnungszeiten
       ins Gebäude gegangen, ebenfalls mit einem Plakat. Eine Person von ihnen
       werde nun wegen Hausfriedensbruch und Mittäterschaft angeklagt.
       
       Die IG Metall wandte sich danach endgültig von den Aktivist*innen ab,
       verteilte im Werk sogar Flyer zum Umgang mit der Amsel44. Der Inhalt:
       Argumente gegen die Forderungen der Gruppe. Die Hoffnung dieser, ihre
       Vision rund um Werksumstellung und Vergesellschaftung weiter zu spinnen,
       liegt nun auf den Kolleg*innen im Werk – und nicht bei der Gewerkschaft.
       
       Was sagt die IG Metall dazu? Für die sei es völlig normal, mit vielen
       gesellschaftlichen Akteuren im Austausch zu sein, schreibt Sprecher
       Steffen Schmidt. „Deswegen standen wir auch Gesprächen mit den Aktivisten
       aus dem Umfeld der Amsel44 zunächst offen gegenüber.“ Voraussetzung für
       ein Gespräche sei jedoch Vertrauen – diese Basis habe man nach der
       „Fake-Kampagne und der Besetzung des Hauses“ nicht mehr gesehen.
       
       ## Straßenbahnen aus VW-Werk? „Utopisch!“
       
       Bezüglich der inhaltlichen Forderung schreibt Schmidt, auch die IG Metall
       setze sich „generell für einen klimagerechten Umbau der Industrie“ ein.
       Eine Wende könne jedoch nur sozial fair und nicht auf Kosten von
       Arbeitsplätzen verlaufen. „Nur so lässt sich auch in der Bevölkerung das
       Verständnis für Klimaschutzmaßnahmen herstellen.“
       
       Die Forderung nach einem straßenbahnproduzierenden VW-Konzern halte die IG
       Metall für „utopisch“. Die Güter Auto und Straßenbahnen seien zu
       verschieden, entsprechend müsste sich die gesamte Produktion und das Wissen
       der Beschäftigten „quasi über Nacht“ wandeln. Schmidt stellt zudem infrage,
       ob die Produktion von Straßenbahnen „so eine rosige Zukunft hat, wie die
       Amsel44 bescheinigt. Die Fahrgastzahlen im ÖPNV steigen zwar wieder, haben
       aber auch 2023 noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht“, sagt er.
       
       Dass die massenhafte Produktion von Straßenbahnen nur Sinn ergibt, wenn die
       Schiene massiv ausgebaut wird und sich Politik und Gesellschaft zu einer
       radikalen Verkehrswende bekennen, ist der Amsel44 klar.
       
       Die bundesweit agierende IG Metall positioniert sich beim Thema
       Verkehrswende klarer, forderte Anfang des Jahres gemeinsam mit anderen
       Organisationen von der Ampelregierung, „in der verbleibenden Amtszeit ihre
       Verkehrspolitik stärker an ökologischen und sozialen Kriterien
       auszurichten“. Im entsprechenden Papier heißt es: „Wir brauchen einen
       anderen Mix mit einer deutlich gestärkten Rolle von Schienenverkehr,
       öffentlichem Verkehr und Radverkehr sowie einer neuen, darauf abgestimmten
       und in Anzahl und Wege-Umfang reduzierten Rolle des Automobils.“
       
       Man hätte gern öffentlich mit den VW-Managern gestritten, sagt Rosswog.
       Immer wieder habe man sie eingeladen – ohne Erfolg. So haben sich die
       Aktivist*innen mit offenen Diskussionsrunden, beispielsweise zum
       Trinity-Werk, zufriedengeben müssen – und parallel geschaut, wie sie in die
       Hauptversammlungen kommen.
       
       „Es ist und bleibt unser Anspruch, für den Wunsch vieler Menschen nach
       individueller Mobilität die passenden Angebote zu unterbreiten“, schreibt
       ein VW-Sprecher.
       
       ## Ermittlungen und Geldstrafen
       
       VW sei an einem konstruktiven Dialog interessiert und „offen für Kritik“,
       so der Konzernsprecher. Proteste gehörten zur freien Meinungsäußerung.
       Aber: „Die Form des Protests sollte sich dabei stets innerhalb der
       gesetzlichen Grenzen bewegen, gewaltfrei durchgeführt werden und die
       Eigentumsrechte anderer respektieren.“ Er spielt auf gefälschte Plakate an,
       die wenige Wochen vor dem Protesttag in Wolfsburg aufgetaucht sind. Unter
       anderem Wolfgang Porsches Gesicht inklusive VW-Logo war darauf gedruckt,
       versehen mit dem ausgedachten Zitat: „Als Enkel des Kriegsverbrechers
       Ferdinand Porsche sind mir Ausbeutungsstrukturen durchaus bekannt. Deswegen
       sollte gerade bei VW endlich Schluss sein, auch mit dem Leben auf Kosten
       Anderer für einige Wenige wie mich. VW steht ab sofort für
       Vergesellschaftung wagen.“ Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig
       bestätigt, dass Ermittlungen eingeleitet wurden.
       
       Vorige Woche stand Rosswog vor Gericht. Er erzählt, dass er wegen
       Stickerklebens zu einer Geldstrafe veruteilt worden sei. „Berufung
       einzulegen ist ja kein Problem“, sagt Rosswog.
       
       ## Die alternative Hauptversammlung
       
       Am Werkstor Ost, an dem die meisten Arbeiter*innen ein und aus gehen,
       findet am Mittag die alternative Hauptversammlung statt – in Präsenz. Zwei
       Pavillons, Biertischgarnituren, ein Podium aus Aktivistinnen, einer
       Ökonomin und zwei VW-Angestellten. Etwa 20 Menschen hören zu – das sind
       wenige. Vor zwei Jahren aber, sagt Thorsten Donnermeier von VW in Kassel,
       habe man nicht mal über eine alternative Produktion geredet.
       
       „Angefangen haben immer wenige.“ Donnermeier erzählt von Arbeitsplatzabbau
       und dem enormen Druck. Die gesundheitlichen Folgen: Bandscheibenvorfälle,
       Hörprobleme, Darmprobleme durch die ständige Schichtarbeit. „Die Frage ist
       immer, ob das was mit der Arbeit zu tun hat – aber unter gleichaltrigen
       Arbeitskollegen hat jeder dritte die gleichen Beschwerden.“
       
       VW-Betriebsrat Lars Hirsekorn erlebt diese Probleme in seiner täglichen
       Arbeit. Seit Fridays for Future beschäftige er sich aber auch mit den
       klimaschädlichen Auswirkungen des Produkts Auto. „Wenn wir hier in 20
       Jahren noch arbeiten und leben wollen, muss was passieren. Die ganze
       Gesellschaft muss sich bewegen.“ Eine Veränderung gemeinsam mit den
       Eigentümerfamilien funktioniere nicht.
       
       Das Werk ist nach Ansicht von Herzberg und Rosswog nicht zu groß, um
       Straßenbahnen herzustellen. „Man braucht viele Ingenieur*innen“, sagt
       Rosswog. Die Anforderungen an die Bahnen – Kurven, Steigungen – seien von
       Stadt zu Stadt unterschiedlich. Und die derzeit produzierenden Unternehmen
       hätten die Auftragsbücher für zehn Jahre voll. Zudem, sagt Herzberg, gehe
       es auch um den Rückbau von Altlasten; darum, Menschen erst mal aus ihren
       „Bullshit-Jobs“ mit entsprechenden Krankheitsbildern zu holen.
       
       ## Bald wird das Haus im Amselweg verkauft
       
       Die Frage, ob die Arbeiter*innen überhaupt etwas anderes bauen können,
       beantwortet Donnermeier klar mit Ja. „Ich habe Schlosser gelernt, nicht
       Automobilbauer.“ Die Vision der Aktivist*innen hält er für ein Ziel,
       „für das wir kämpfen sollten.“ Das sehen noch nicht alle so: „Dummes
       Gelaber“, oder „Geh arbeiten“, sagen Arbeiter im Vorbeigehen. Den meisten
       sei es schlicht egal, was sie produzieren, meint Hirsekorn. Auch er hält
       die Straßenbahnpläne mit dem Blick auf das Fabrikgelände und das Wissen der
       Belegschaft für sinnvoll und machbar.
       
       Am Protesttag nehmen auch andere Gruppen teil, darunter Die Falken, die
       Letzte Generation, Robin Wood. Letztere haben ein Banner dabei: „Porsche,
       Hands off Bosco D’Arneo“. Annika Fuchs, Mobilitätsreferentin bei Robin
       Wood, erklärt, dass VW-Tochter Porsche im süditalienischen Apulien eine
       Teststrecke erweitern und dafür einen alten Eichenwald roden will.
       
       Das Haus im Amselweg 44 soll im Sommer verkauft werden. „Selbst in so einer
       Höhle des Löwen intervenieren zu können macht mich dankbar“, resümiert
       Rosswog nach fast zwei Jahren, auch mit Blick auf die Aufmerksamkeit in den
       Medien für ihre Aktionen, die für die Gruppe durchaus als Erfolg verbucht
       werden können. Er wird im Herbst Vorträge halten, einen Film über die
       Proteste im Gepäck. Es wird nicht seine erste Vortragstour sein und auch
       nicht das erste Projekthaus, das er hinter sich lässt. Bereits 2009 begann
       seine Aktivisten-Reise mit dem Thema „geldfrei leben“.
       
       Lotte Herzberg geht es gut mit der Vorstellung, wegzugehen – wohin, weiß
       sie noch nicht. Und man werde ja wiederkommen, „wenn das Landgericht
       Braunschweig uns einlädt“.
       
       31 May 2024
       
       ## LINKS
       
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