# taz.de -- Bildungsreferentin über Antifeminismus: „Gefährliches Weltbild“
       
       > Maiken Schiele vom Dissens e.V. sieht Antifeminismus als Kernbestandteil
       > von extrem rechtem Denken. Das Problem werde bislang verharmlost.
       
 (IMG) Bild: So hätten's die Rechten gerne: Familie vom alten Schlag, aufgenommen 1876 in Kanada
       
       taz: Frau Schiele, sind alle rechtsextremen Parteien auch antifeministisch? 
       
       Maiken Schiele: Ja, Antifeminismus ist Kernbestandteil von extrem rechtem
       Denken. Die ganz konkrete Vorstellung der Welt oder auch wie eine
       Bevölkerung aufgebaut sein sollte, enthält antifeministische Züge: Es gibt
       zwei Geschlechter, die Familie ist die Keimzelle der Nation und sichert den
       Fortbestand des vermeintlich „homogenen“ Volkes. Frauen sind da, um Kinder
       zu kriegen.
       
       Was genau verstehen Sie unter Antifeminismus? 
       
       [1][Antifeminismus] ist eine Ideologie, die ausgehend von verschiedenen
       Akteur*innen in organisierter Form beziehungsweise mit einer politischen
       Agenda gegen feministische Errungenschaften und die Auspluralisierung
       sexueller, geschlechtlicher und familialer Lebensformen vorgeht.
       
       Wie zeigt sich Antifeminismus in der AfD? 
       
       Im Programm für die Europawahl 2024 bekennt sich die Partei klar zur
       traditionellen Familie: Mann und Frau, verheiratet, viele Kinder. Das wird
       als Leitbild in die Gesellschaft getragen. Andere Lebensformen werden zwar
       toleriert, aber nicht gleichgestellt.
       
       Da wäre auch noch die Rhetorik der Partei zum Gendern. 
       
       Beim Thema „Gendern“ wird bei der [2][AfD] gern der Begriff der
       „Gender-Ideologie“ benutzt, um alle Forderungen, die mit Gender assoziiert
       werden, zu verunglimpfen und lächerlich zu machen. Das Gendern in der
       Sprache dient der AfD zufolge zum Durchsetzen dieser angeblichen Ideologie.
       
       Was kann diese Rhetorik bewirken? 
       
       Der Begriff „Gender“ ist ja sehr abstrakt. Ursprünglich meint der Begriff
       einfach, dass Geschlecht immer auch eine soziale Komponente hat. Er wird in
       dieser Rhetorik aber bewusst sinnentleert. Das ermöglicht den Rechten,
       abstrakte Bedrohungsszenarien rund um den Begriff zu konstruieren, die in
       der Bevölkerung sehr anschlussfähig sind.
       
       Auch Esmeralda Rizzi aus Italien wird berichten … 
       
       Die rechte Partei von Ministerpräsidentin [3][Giorgia Meloni], Fratelli
       d’Italia, hat das Familienbild betreffend ein ähnliches Programm. In
       Italien wird dazu stark gegen gleichgeschlechtliche Paare vorgegangen. Laut
       einer Verordnung des Innenministers soll die Staatsanwaltschaft
       Geburtsurkunden anfechten von Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern.
       Das hat erhebliche Folgen für den nicht leiblichen Elternteil, der das Kind
       dann beispielsweise nur noch mit einer Vollmacht aus der Schule abholen
       darf. Im April wurde zudem das Recht auf Abtreibung massiv angegangen.
       
       Wie hält es die AfD mit dem Thema? 
       
       Familienpolitik ist gleich Bevölkerungspolitik. Nicht Zugewanderte sollen
       die demografische Krise der sinkenden Geburtenrate lösen, sondern
       Deutschland soll das selber schaffen. Deswegen wollen sie Anreize für junge
       Paare schaffen, eine Familie zu gründen. Schwangerschaftsabbrüche stehen
       diesem Vorhaben natürlich diametral entgegen. Die AfD will diese nur noch
       mit kriminologischen oder medizinischen Indikationen erlauben.
       
       Nun ist Europawahl. Was bedeutet das für Sie? 
       
       Ich mache mir Sorgen über die Auswirkungen eines möglichen Rechtsrucks im
       EU-Parlament. Antifeminismus wird noch zu wenig thematisiert, zum Teil auch
       verharmlost. Er ist aber gefährlich, weil er ein Weltbild vorgibt, das
       Menschen nicht die gleichen Rechte einräumt und einigen ihre Existenz
       abspricht.
       
       3 Jun 2024
       
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