# taz.de -- Rechte Reiche im rassistischen Video: Kündigung nach Hitlergruß auf Sylt
       
       > Partygäste filmen sich auf Sylt mit ausländerfeindlichen Parolen. Zwei
       > der mutmaßlichen Sänger:innen verlieren nun ihre Jobs. Die Polizei
       > ermittelt.
       
 (IMG) Bild: In einem Promi-Club auf Sylt kam es zu Naziparolen während einer Feier
       
       BERLIN taz | Ein Video von der Insel Sylt, das Partygäste mit rassistischen
       Äußerungen zeigt, hat für mindestens zwei Beteiligte nun Konsequenzen. Die
       taz hatte unter anderem eine weitere Person identifiziert, die auf dem
       Video einen Hitlergruß zeigte. Der Mann wurde deshalb nun entlassen. Das
       erklärte die Firma Serviceplan Group nach einer Anfrage der taz. In der
       Mail an die Marketing- und PR-Firma hatte die taz den Vorfall selbst
       zunächst noch gar nicht thematisiert, sondern nur um Kontakt zu dem
       Mitarbeiter gebeten. Anscheinend war das Video vom Pfingstwochenende aber
       bereits bekannt.
       
       Es machte seit Donnerstag in den sozialen Medien die Runde und zeigt eine
       Gruppe von rund 20 Menschen, die im Außenbereich des Pony Clubs in Kampen
       zu Diskomusik feiern. [1][Zum Song „L'Amour toujour“ von Gigi D'Agostino
       singen mindestens eine Frau und mehrere Männer die Zeilen „Deutschland den
       Deutschen, Ausländer raus“.]
       
       Einer der Männer deutet einen Hitlergruß an. Mehrere Social-Media-Profile
       dieses Mannes waren am Freitag abgeschaltet. Auf Linked-In hatte er unter
       anderem angegeben, im Bereich PR & Content Marketing bei der Firma
       Serviceplan Group zu arbeiten. Die Firma hat Standorte in Köln, Hamburg,
       Berlin und München. „Als der Vorfall bekannt wurde, hat die Serviceplan
       Group sofort gehandelt und eine fristlose Kündigung ausgesprochen“, hieß es
       als Antwort auf die Kontaktanfrage der taz. Man sei ein weltoffenes
       Unternehmen mit 6.000 Kolleg:innen aus mehr als 50 Ländern weltweit.
       „Rassismus wird innerhalb der Agenturgruppe in keiner Form geduldet.“
       
       Auch die Frau, die gleich zu Beginn des Video-Ausschnitts in Großaufnahme
       zu sehen ist, verlor am Freitag ihre Anstellung. Im Netz konnte man aus den
       Jahren 2019 und 2021 professionelle Modelfotos von ihr finden. Auch ihr
       Linked-In Profil ist mittlerweile unerreichbar. Dort hatte sie ein Studium
       an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) angegeben,
       sowie für die Influencerin Milena Karl zu arbeiten.
       
       Milena Karl hat auf Instagram über 800.000 FollowerInnen. Am
       Freitagnachmittag veröffentlichte sie ein Statement, in dem es hieß:
       „Abgesehen von dem ohnehin abscheulichen Inhalt des Videos hat es mich
       schockiert, verletzt und enttäuscht, zu sehen, dass eine der Personen aus
       dem Video mit mir in einem Anstellungsverhältnis stand.“ Unmittelbar nach
       Kenntnis des Videos sei das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung
       aufgehoben worden. „Ich bin selbst Migrantin und als werdende Mutter steht
       alles, was in diesem Video zu sehen ist, für eine Gesellschaft, in der ich
       mein Kind nicht großziehen möchte“, erklärte Karl.
       
       Auch die Hamburger Hochschule HAW distanzierte sich in einem Statement von
       dem Video und erklärte, man toleriere derartige menschenverachtenden
       Äußerungen in keiner Form. Es bestehe der Verdacht, dass es sich bei einer
       der beteiligten Personen um eine Studierende der HAW handele. „Hinweisen
       auf beteiligte Personen wird derzeit polizeilich nachgegangen“, das
       Fachkommissariat für Staatsschutz ermittle wegen des Verdachts auf
       Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen,
       erklärte die Hochschule. Die Frau und der Mann waren bis zum Freitagabend
       für die taz nicht zu erreichen.
       
       ## Entsetzen bis hoch ins Kanzleramt
       
       Das am Pfingstwochenende bei einer Party in der Sylter Promibar entstandene
       Video hat derweil bundesweit Empörung ausgelöst – bis hoch zum
       Bundeskanzleramt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Parolen
       als „ekelig“ und „nicht akzeptabel“.
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte den Zeitungen der Funke
       Mediengruppe: „Wer Nazi-Parolen wie „Deutschland den Deutschen – Ausländer
       raus“ grölt, ist eine Schande für Deutschland“. Es stelle sich die Frage,
       „ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer
       wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres
       Grundgesetzes mit Füßen tritt.“ Die Frage sei auch, welches hasserfüllte
       Klima solche Leute dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller
       Öffentlichkeit zu äußern.
       
       CSU-Generalsekretär Martin Huber hat die Menschen, die auf der Nordseeinsel
       Sylt rassistische Parolen gegrölt haben, dazu aufgefordert, sich freiwillig
       bei den Behörden zu melden. „Die Personen in dem Video sollten sich
       stellen“, sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. „Der Vorfall
       auf Sylt ist schockierend und widerwärtig.“ Wer solche ausländerfeindlichen
       Parolen rufe und feiere, müsse belangt werden. „Es macht fassungslos, dass
       so viele Menschen in aller Öffentlichkeit ihre Ausländerfeindlichkeit zur
       Schau stellen und niemand eingreift“, sagte Huber.
       
       Dabei scheint schon jetzt klar, dass die Ekstase am Nordseestrand auch
       rechtliche Konsequenzen haben wird. Wie die Polizei in Flensburg mitteilte,
       ermittelt nun der Staatsschutz – wegen Volksverhetzung und des Verwendens
       verfassungswidriger Kennzeichen. „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
       Flensburg und der Polizei richten sich zunächst gegen die Personen, die auf
       dem Video offensichtlich die oben genannten Äußerungen mitsingen bzw.
       Kennzeichen tätigen“, hieß es in der Mitteilung. Es sei aber nicht
       auszuschließen, „dass im Rahmen der Ermittlungen weitere Tatverdächtige
       hinzukommen, die auf diesem Video nicht abgebildet worden sind“.
       
       Die [2][Betreiber der Pony Bar hatten sich am Freitag selber an die Polizei
       gewendet], nachdem das Video am Donnerstagabend über Social-Media-Kanäle
       öffentlich geworden war. Zuvor hatten sie den extremistischen
       Sänger:innen Haus´verbot erteilt.
       
       ## Diskussionen im Netz
       
       Die auf Sylt grölenden, weißen Rich-Kids mit dicken Uhren, weißen Hemden
       und übergeworfenen Pullover haben auch online zu heftigen Reaktionen
       geführt. Denn während am Geburtstag des Grundgesetzes feierlich zum Schutz
       der Demokratie aufgerufen wird, scheint das Video genau das
       zusammenzufassen, was in den Augen vieler gerade schiefläuft: Rassismus,
       Ungleichheit, Vermögen.
       
       Wie kann es sein, dass so etwas unwidersprochen gesungen werden kann?, Wie
       kommen Junge darauf, rechts cool zu finden?, fragen sich im Netz viele. Von
       Entgleisungen ist die Rede. Auch die Forderungen nach Konsequenzen werden
       in den sozialen Medien lauter. „Ich hoffe so sehr, dass alle Personen, die
       dort erkennbar sind, eine Anzeige wegen Volksverhetzung bekommen und der
       Typ, der den Hitler Gruß gemacht hat, 10.000 Sozialstunden im
       Flüchtlingsheim bekommt“, schreibt etwa eine Person auf Instagram.
       
       Auch nach der Verantwortung der Betreiber des Nachtclubs, wo die Party an
       Pfingsten stattgefunden haben soll, wird gefragt. „Der Betreiber hat nichts
       gehört und nichts gesehen? Keiner vom Personal hat was gehört oder
       gesehen?“
       
       Tim Becker, Mitinhaber des Pony Clubs [3][hatte dazu der taz gesagt], auf
       Videoaufnahmen der Überwachungskameras in dem Club sei zu erkennen gewesen,
       dass nur etwa fünf Gäste die ausländerfeindlichen Parolen gesungen hätten.
       Insgesamt seien 400 bis 500 Menschen bei der Party gewesen. „In der
       Situation ist es unmöglich für die Türsteher oder Barleute, das
       rauszuhören“, so Becker. „Keiner von uns hat Kontakt zu Rechten. Wir werden
       zukünftig unsere Gäste dafür sensibilisieren, in solchen Fälle
       einzuschreiten.“
       
       Dass es sich bei den grölenden Rassist:innen sichtlich um Personen aus
       der Oberschicht handelt, lenkt die Debatte auf Social Media auch auf ein
       politisches Thema, das eher selten zusammen mit Nazis aufkommt:
       Steuerpolitik. „Heute ist ein guter Tag über die Erbschaftssteuer zu
       reden“, heißt es aus Reihen der SPD wie von Dario Schramm oder der
       Bundestagsabgeordneten Isabel Cademartori.
       
       Campact und Luisa Neubauer nutzten die Gelegenheit wiederum, um für
       Demokratie-Demos am 31. Mai zu werben. Jürgen Trittin (Grüne) und Ulrich
       Schneider (Paritätischer Wohlfahrtsverband) bitten erstmal Punks, sie mögen
       nach Sylt zurückkommen. [4][Im vergangenen Sommer hatte ein Camp von
       Punkern auf der Nobelinsel für Debatten gesorgt].
       
       ## Rechte Influencer wollen Vorfall runterspielen
       
       Doch da ist nicht nur Entsetzen. Rechte Influencer belächeln den
       allgemeinen Aufschrei, das Video selbst verharmlosen sie. „Von besoffenen
       Jugendlichen, die Spaß haben“, ist die Rede.
       
       Reimond Hoffmann, AfD-Politiker mit Verbindungen zur Identitären Bewegung,
       äußerte sich auf einem mittlerweile gelöschten Tweet, er verstünde den Hass
       auf „gut gelaunte Leute nicht“, doch „Heimatliebe und gute Laune“
       verstünden „Linksextreme“ nicht. Stattdessen versuchen sich rechte Accounts
       an What-Aboutisms und Relativierungen mit Verweisen auf die Islamistische
       Demonstration in Hamburg und Antisemitismus an deutschen Universitäten.
       
       Darauf entgegnet Publizist Max Czollek nur: „Erinnerungskultur gilt für
       alle & nicht nur, wenns in die eigene Abschiebeagenda passt“.
       
       24 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rechtsextreme-Gesaenge-auf-Sylt/!6012559
 (DIR) [2] /Rechtsextreme-Gesaenge-auf-Sylt/!6012559
 (DIR) [3] /Rechtsextreme-Gesaenge-auf-Sylt/!6012559
 (DIR) [4] /Protest-auf-Sylt/!5949361
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
 (DIR) Anne Fromm
 (DIR) Amelie Sittenauer
 (DIR) Gereon Asmuth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Sylt
 (DIR) Social Media
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) GNS
 (DIR) IG
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Sylt
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Umgang mit Rassismus: Wenn das Gesetz nicht schützt
       
       Das Recht schützt von Rassismus Betroffene eher schlecht. Daher braucht es
       mündige Bürger*innen, die bei Ausfällen einschreiten.
       
 (DIR) Nach dem Skandal-Video von Sylt: Der Norden grölt rassistisch
       
       Aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
       werden weitere Fälle rassistischer Gesänge auf Partys bekannt.
       
 (DIR) Rassistische Ausfälle auf Sylt: Überall – nur nicht „bei uns“
       
       Wenn selbst Julian Reichelt sich über die Rassist:innen von Sylt empört,
       zeigt das vor allem, wie externalisiert der eigene Rassismus ist.
       
 (DIR) Neue Details zu Skandal-Video von Sylt: Champagner, Rolex und Rassismus
       
       Junge Leute grölen an Pfingsten auf Sylt rassistische Parolen. Der taz
       liegen mehr Videos der Beteiligten vor. Sie zeigen Protz und Saufgelage.
       
 (DIR) Deutsches Entsetzen über Sylt-Video: Das Versagen liegt in der Mitte
       
       Die Deutschen sind wieder gut geworden? Die AfD im Bundestag,
       anti-israelische Studierende oder eine rassistische Party auf Sylt stellen
       das infrage.
       
 (DIR) Schützenfest bei Vechta: Ermittlungen wegen rassistischer Gesänge
       
       Auch bei einem Schützenfest in der Nähe von Vechta grölen junge Menschen
       rassistische Parolen zu einem bekannten Song. Der Staatsschutz ermittelt.
       
 (DIR) Rechtsextreme Gesänge auf Sylt: Rassismus als Partykracher
       
       Vor einem Promiclub auf Sylt werden ausländerfeindliche Parolen zu
       Discomusik gesungen. Seit Monaten geht diese Version in rechtsextremen
       Kreisen viral.
       
 (DIR) Protest auf Sylt: Punk ist zurück
       
       Ein Camp am Rande von Westerland will im zweiten Sommer in Folge
       politischen Protest auf die Insel bringen. Aber die Punks sind nicht
       willkommen.
       
 (DIR) Klima wandelt sich, Gesellschaft auch: Abschied von Sylt
       
       Die Insel wird verschwinden, wenn der Meeresspiegel steigt. Das alte Sylt
       ist längst untergegangen, mit ihm das Aufstiegsversprechen der alten BRD.