# taz.de -- G20-Prozess in Hamburg: Schöffe mit eigener Mission
       
       > Ein Schöffe im Rondenbarg-Prozess hat sich über einen Fernsehbericht beim
       > NDR beschwert. Der war ihm zu kritisch gegenüber der Polizei.
       
 (IMG) Bild: Schöffengericht im Prozess gegen G20-Gegner: unvoreingenommen?
       
       HAMBURG taz | Wenn am heutigen Donnerstag mit dem 17. Verhandlungstag der
       sogenannte [1][Rondenbarg-Prozess gegen G20-Demonstrant:innen] fortgesetzt
       wird, richtet sich der Blick zunächst auf einen der beiden
       Schöff:innen der Großen Strafkammer. Und auf die Vorsitzende
       Richterin.
       
       Denn gegen beide haben die Verteidiger der Angeklagten Befangenheitsanträge
       gestellt wegen eines Vorgangs, der insbesondere die Unvoreingenommenheit
       des Schöffen beträchtlich in Zweifel zieht: Er soll sich aus Wut über einen
       Fernsehbericht nach dem vergangenen Verhandlungstag beim NDR beschwert
       haben, weil ihm dieser zu kritisch gegenüber der Polizei ausgefallen sei.
       Auch die Richterin soll in der Folge versucht haben, dessen Einschätzung
       „inhaltlich unterstützend auszulegen“, kritisiert Verteidiger Sven Richwin.
       
       Die Staatsanwaltschaft hatte in diesem Verfahren ursprünglich sechs
       Teilnehmer:innen des Protests gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg
       angeklagt. Sie wirft ihnen besonders schweren Landfriedensbruch, tätlichen
       Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte gefährliche Körperverletzung,
       Bildung einer bewaffneten Gruppe und Sachbeschädigung vor. Mittlerweile
       stehen nur noch zwei Angeklagte vor Gericht.
       
       Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die Ereignisse am Rondenbarg im
       Hamburger Westen. Dort kam es während des Gipfels am frühen Morgen zu
       Auseinandersetzungen zwischen rund 200 Demonstrant:innen und der
       Polizei. Demonstrant:innen warfen Steine und Böller in Richtung der
       Wasserwerfer, daraufhin schlugen Polizist:innen mit Knüppeln und
       Fäusten auf die Menge ein und drängten sie zusammen. In Panik versuchten
       Demonstrant:innen über eine Brüstung zu fliehen, die zusammenbrach: Es
       gab viele Verletzte, mehr als ein Dutzend davon schwer.
       
       ## Schöffe beschwert sich beim NDR
       
       Am vergangenen Verhandlungstag sagte deshalb der damalige Einsatzleiter der
       Polizei als Zeuge aus, worüber der NDR anschließend im „Hamburg Journal“
       berichtete. In dem Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass
       Notfallmediziner:innen G20-Gegner:innen versorgen mussten, die „von
       Polizisten bei der Festnahme verletzt worden waren“. Da die
       Demonstrant:innen von zwei Seiten von der Polizei eingekesselt waren,
       hätten sie „keine Chance“ gehabt, „zu entkommen“. Der Beitrag schließt
       damit, dass die Staatsanwaltschaft in der Folge insgesamt 70 Anklagen gegen
       Demonstrant:innen erhoben hatte, aber keine gegen Polizist:innen.
       
       Das brachte den Schöffen so in Rage, dass er sich daraufhin beim NDR
       beschwerte. „In einem wutbürgerlichen Tonfall“, betont Richwin, sei es dem
       Schöffen darum gegangen, die Polizei in Schutz zu nehmen. In einer zweiten
       Mail habe er seiner Kritik noch Nachdruck verliehen. „Das löst bei den
       Angeklagten verständlicherweise Besorgnis aus“, sagt Richwin.
       
       Schließlich müssen Schöff:innen ihr Amt unvoreingenommen, neutral und
       ohne Vorurteile ausüben. „In ihrem äußeren Verhalten müssen Schöffen alles
       vermeiden, was geeignet sein könnte, bei anderen Personen Zweifel an ihrer
       Unparteilichkeit zu erwecken“, heißt es in einem von der Stadt Hamburg
       veröffentlichten Merkblatt, das den Ehrenamtlichen als Hilfestellung dienen
       soll. Schließlich sind sie in ihren Rechten den Berufsrichter:innen
       grundsätzlich gleichgestellt, unterliegen aber ebenso dem Mäßigungs- und
       Zurückhaltungsgebot.
       
       Weil der Schöffe also während des laufenden Prozesses und vor Abschluss der
       Beweisaufnahme versucht hat, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen,
       hält ihn die Verteidigung für befangen. „Er hat sich seine Meinung schon
       gebildet“, sagt Richwin. Und die Vorsitzende Richterin habe das auch getan.
       Sie wurde später über die Beschwerde des Schöffen informiert, kritisierte
       zwar sein Verhalten, ließ sich dann aber auch „inhaltlich auf die
       Diskussion ein und nahm den Schöffen in Schutz“, sagt Richwin. Deshalb
       liege nun auch gegen sie ein Befangenheitsantrag vor.
       
       ## Fortlaufende Debatte um Polizeigewalt
       
       Die Verteidigung der beiden Angeklagten hält das ganze Verfahren ohnehin
       für politisch motiviert. Von den Vorwürfen ist nur noch der des
       Landfriedensbruchs übrig geblieben. Sollten die beiden Angeklagten, die
       nachweislich selbst keine Gewalt ausgeübt haben, dafür bestraft werden,
       wäre das ein Novum in der Rechtsprechung. „Und die Äußerungen des Schöffen
       und der Richterin reihen sich ein in den politischen Streit, ob es während
       des G20-Gipfels Polizeigewalt gegeben hat“, sagt Richwin.
       
       Parallel zum laufenden Verfahren muss über die Anträge nun eine andere
       Kammer am Hamburger Landgericht entscheiden, teilt Gerichtssprecherin
       Marayke Frantzen mit. Sollte die Richterin tatsächlich befangen sein, wäre
       der Prozess geplatzt. Für den Schöffen ist, wie in solchen Verfahren
       üblich, bereits ein Ergänzungsschöffe bestellt, der dann nahtlos
       einspringen würde.
       
       12 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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