# taz.de -- Staatsbesuch aus Frankreich: Freundschaft in Zeiten des Krieges
       
       > Frankreichs Präsident Macron will der Ukraine erlauben, russische
       > Stützpunkte anzugreifen – der Kanzler nicht. Beide wollen Milliarden
       > EU-Investitionen.
       
 (IMG) Bild: Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz auf Schloss Meseberg am Dienstag
       
       BERLIN taz | Am dritten und letzten Tag [1][seines historischen Besuchs] in
       Deutschland trifft Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Bundeskanzler Olaf
       Scholz und Kabinettskolleg:innen an diesem Dienstagabend auf Schloss
       Meseberg. Von Verstimmungen ist keine Rede mehr. Stattdessen soll das
       Treffen die tiefe Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich zeigen.
       Man übt den Schulterschluss, blickt nach vorn und will Europa stärken.
       
       Auf der Agenda des deutsch-französischen Ministerrats am Dienstagabend
       standen jede Menge Themen: der Krieg in der Ukraine, der Krieg im Nahen
       Osten, europäische Verteidigungsstrategien.
       
       Es ist aber [2][vor allem ein Großkonflikt,] der Scholz und Macron
       umtreibt. Die russische Invasion in der Ukraine steckt im dritten Jahr, ein
       Ende ist nicht in Sicht. Frankreich und Deutschland haben Unterstützung für
       den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugesagt – [3][und zwar so
       lange wie nötig.]
       
       ## Macron: Ukraine soll Stellung in Russland angreifen dürfen
       
       Die Ukraine darf sich verteidigen, sagt Scholz bei der gemeinsamen
       Pressekonferenz. Macron wird noch deutlicher. „Wir müssen ihnen erlauben,
       militärische Stützpunkte zu neutralisieren, von denen aus Raketen
       abgeschossen werden“, sagt Macron. Und trifft damit einen Punkt, bei dem es
       nicht harmonisch zwischen Deutschland und Frankreich zugeht.
       
       Selenskyj drängt – wie auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der
       EU-Außenbeauftragte Josep Borrell – darauf, dass westliche Waffen auf
       russischem Territorium zum Einsatz kommen können. Scholz befürchtet eine
       Beteiligung Deutschlands am Krieg und bleibt verklausuliert, aber
       hartnäckig beim Nein. Für den Einsatz der in die Ukraine gelieferten Waffen
       gebe es Regelungen. Etwa, dass sich dieser „immer im Rahmen des
       Völkerrechts bewegen muss“, so Scholz. Dies habe bisher gut funktioniert.
       
       Zugleich betont der deutsche Kanzler aber, dass man es solidarisch
       geschafft habe, die Ukraine überhaupt zu unterstützen, sei ein Zeichen der
       Stärke. Genau damit hätte Russlands Präsident Wladimir Putin nicht
       gerechnet und auf die Schwäche des Westens gesetzt.
       
       Für einen Frieden in der Ukraine gehe man „Hand in Hand“, sagt Macron.
       Beide haben dasselbe Ziel, das soll klar werden. Gleichwohl auf
       unterschiedlichen Wegen. Damit Russland und die Ukraine am
       Verhandlungstisch sitzen können, muss aufgerüstet werden, darin besteht
       wiederum Einigkeit. Eine Eskalation wolle man aber nicht, sagt Macron.
       
       ## Stärkung der EU-Verteidigung
       
       Macron spricht [4][von mehr Autonomie, was die Verteidigung] auf
       europäischer Ebene angeht. Erneut pocht er darauf, dass europäische
       Rüstungsunternehmen gestärkt werden. Gemeinsame Strategien sollen
       vorangetrieben werden, aber Unterschiede nicht vergessen. Macron betont,
       dass Frankreich über Atomwaffen verfüge, Deutschland jedoch nicht. Auch die
       geografische Lage sei unterschiedlich.
       
       Hintergrund dieser Bemerkungen ist unter anderem, dass Frankreich sich
       nicht wie Deutschland und rund 20 andere Staaten an der European Sky Shield
       Initiative beteiligt. Macron höchstpersönlich will Selenskyj bei einem
       Besuch in der Normandie am 6. Juni anlässlich des 80. Jahrestags des D-Days
       über die Möglichkeiten der Verteidigung unterrichten.
       
       Ein weiteres Top-Thema des Treffens ist die europäische
       Wettbewerbsfähigkeit, die auf dem Spiel steht. Weniger Bürokratie fordert
       Scholz, mehr Hilfen für europäische Unternehmen. Macron setzt zudem auf
       mehr Digitalisierung und fordert ebenfalls ein Europa mit vereinfachten
       Regeln. Beide betonen die Wichtigkeit grüner Technologien und wollen
       Abhängigkeiten etwa von den USA oder China reduzieren. Scholz nennt keine
       Länder konkret, sondern formuliert nur den Weggang von Staaten „über den
       Teich“.
       
       ## Mehr Geld für die EU
       
       Mehr Verteidigung, mehr digitale Infrastruktur, mehr Widerstandsfähigkeit
       gegen Krisen und Konflikte, die Umsetzung des Green Deals: Das alles kostet
       Geld. Macron und Scholz stellen eine Verdopplung des EU-Budgets in den
       Raum. Man müsse die Blockade bei Investitionen überwinden, sagt der
       französische Staatschef – und spricht gar von Hunderten Milliarden Euro,
       die bereitgestellt werden müssten. Zum Ende des deutsch-französischen
       Ministerrats wurde eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, wie Wachstum
       und Wettbewerbsfähigkeit der EU gestärkt werden können. Konkret steht ein
       „Investitions-Schock“, wie Macron ihn nennt, in Höhe von rund 620
       Milliarden Euro an öffentlichen Investitionen an.
       
       Doch sowohl in Frankreich als auch in Deutschland setzen harte
       Haushaltsverhandlungen die beiden Regierungschefs unter Druck. Allein die
       Hilfen für die Ukraine kosten Milliarden – und das vermutlich noch viele
       Jahre. Auf G7-Ebene will man nun verstärkt Wege suchen, wie die Zinsen für
       eingefrorene russische Vermögen bereits jetzt für Wiederaufbau und
       Waffenhilfen für die Ukraine genutzt werden können.
       
       Es gibt also viel zu besprechen – und die deutsch-französische Freundschaft
       wird durch die Kriege in der Ukraine, aber auch in Nahost auf einen neuen
       Prüfstand gestellt. Wenn Deutschland und Frankreich die nächste Etappe zu
       einer gestärkten EU gemeinsam schaffen wollen, wird das von beiden Ländern
       Kompromisse und Anstrengungen erfordern.
       
       29 May 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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