# taz.de -- Aufruhr bei der Deutschen Bahn: Wo soll das enden?
       
       > Die Bahn kriegt immer mehr Geld. Trotzdem überlegt sie, wo sie kürzen
       > kann. Und wird fündig: nicht bei Manager-Gehältern, sondern im
       > Fernverkehr.
       
 (IMG) Bild: Stillgelegt: Die Bahnstrecke von Bautzen nach Bad Schandau steht symbolisch für zahlreiche Bahnverbindungen im Osten
       
       Die Deutsche Bahn kriegt Milliarden, so viele wie noch nie. Endlich werden
       marode Schienen saniert, neue Gleise verlegt, endlich fahren mehr Züge. So
       könnte man sich eine stabile Bahnpolitik 2024 vorstellen. Schließlich hat
       die Bundesregierung der DB Anfang dieses Jahres rund 27 Milliarden Euro
       versprochen.
       
       Jetzt hat [1][der Spiegel berichtet], dass die Bahn ihr Angebot nicht etwa
       aufstocken, sondern Verbindungen kappen will. Und dann auch noch an Orten,
       die sowieso schon nicht besonders gut angebunden sind. Mehrere davon liegen
       in Thüringen und Sachsen, wo im Herbst Landtagswahlen anstehen und die AfD
       gefährlichen Auftrieb hat. Und das alles drohe, gerade weil die Bahn mehr
       Geld bekommen hat.
       
       Die DB [2][wies die Berichte Mittwochnachmittag zurück]: „Wir haben im
       April unsere Planungen für den Fahrplan 2025 abgeschlossen“, teilte Michael
       Peterson, Vorstand im Bereich Personenfernverkehr mit. „Dieser Fahrplan
       sieht derzeit keine der genannten Angebotskürzungen vor.“
       
       Als sich die Ampelkoalition im Januar nach langen Verhandlungen über den
       Bundeshaushalt dazu durchgerungen hatte, der Bahn eine Finanzspritze zu
       verpassen, war ein Teil der Lösung, das Eigenkapital des Staatskonzerns zu
       erhöhen. Wenn alles Geld für die verlustreiche DB AG direkt aus
       Bundesmitteln geflossen wäre, hätte das die allzu festgezurrte
       Schuldenbremse gelockert. Deshalb schob die Regierung den Verkauf ihrer
       Anteile an der Deutschen Post und der Telekom an und staffierte die Bahn
       mit dem Erlös aus.
       
       ## Mehr Eigenkapital, mehr Renditenzwang
       
       Schon okay, könnte man meinen – die Schuldenbremse bremst immer noch, die
       Bahn geht trotzdem nicht leer aus. Wäre da nicht das
       Eisenbahnregulierungsgesetz, das besagt: Je höher das Eigenkapital des
       Unternehmens, desto höher die Rendite, die es erwirtschaften muss.
       
       Die [3][DB aber schreibt dunkelrote Zahlen]. Erstens, weil der Bund
       jahrelang an seiner Bahninfrastruktur gespart hat. Zweitens, weil das
       Bahnmanagement lieber in prestigeträchtige Großprojekte wie Stuttgart 21
       investiert, als in ein zuverlässiges Schienennetz.
       
       Um Gewinn zu machen, verteuerte der Konzern die Benutzung der Schienen, die
       sogenannten Trassenpreise.
       
       Die höheren Preise treffen allerdings auch die Fernverkehrssparte. Die
       Bereiche Infrastruktur und Fernverkehr innerhalb des Konzerns dürfen sich
       kein Geld hin und her schieben, das ist gesetzlich geregelt. Deshalb muss
       die DB Fernverkehr AG zahlen, wenn sie Züge auf den Gleisen der DB InfraGO
       AG fahren lassen will.
       
       ## Sorge vor IC- und ICE-Streichungen
       
       Schon seit einiger Zeit macht sich in Regierungskreisen die Sorge breit:
       Das könnte die Fernverkehrssparte so sehr in die finanzielle Bredouille
       bringen, dass sie über die Streichung von IC- und ICE-Verbindungen
       nachdenken muss.
       
       Laut Spiegel deutete die Bahn konkrete Streichungspläne schon im Februar in
       einem Brief an die Bundesnetzagentur an, auf Strecken, die wenig befahren
       und deshalb wenig wirtschaftlich sind. Laut Bahn ist zwar nichts konkret
       geplant, Peterson räumte aber ein: „Die derzeit im Raum stehende drastische
       Erhöhung der Trassenentgelte stellt die DB Fernverkehr AG vor erhebliche
       Herausforderungen“, und er fügte hinzu: „Je nach Höhe der zusätzlichen
       Belastungen sind wir gezwungen, den Umfang unseres Fahrplanangebotes
       bundesweit zu überprüfen.“
       
       Sollte es wirklich zu Streichungen kommen, wäre es eine Katastrophe mit
       Ansage. Der Bund musste mit steigenden Trassenpreisen rechnen, als er das
       Kapital der DB erhöhte. Fahrlässig, die Verkehrswende so zu gefährden.
       
       Vor allem aber darf die Bahn den Verkehr nicht ausgerechnet dort ausdünnen,
       wo er eh schon dünn ist. Das wäre nicht nur ein fatales Zeichen für die
       Verkehrswende, sondern auch für die Gesellschaft vor Ort.
       
       26 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/deutsche-bahn-plant-offenbar-fernzuege-zu-streichen-besonders-im-osten-a-a145999a-e9d6-4adc-96c7-cc6d44d75feb
 (DIR) [2] https://www.deutschebahn.com/de/presse/pressestart_zentrales_uebersicht/Dementi-der-DB-zu-aktuellem-Bericht-des-SPIEGEL--12916230
 (DIR) [3] /Jahresbilanz-der-DB/!5996626
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nanja Boenisch
       
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