# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Auf nach Essen, Faschos fressen
       
       > Was tun, wenn alle Parteien den Rechtsruck vorantreiben? Das Bündnis
       > gegen den AfD-Bundesparteitag macht es vor: Klassenkampf und ziviler
       > Ungehorsam.
       
 (IMG) Bild: Zusammen gegen Sparpolitik und Rassismus, der die AfD stärkt
       
       Der Autor Leo Fischer beschrieb [1][im „nd“] kürzlich den Zustand
       Deutschlands als einen der kollektiven, rassistischen Raserei. Dem ist
       nichts hinzuzufügen.
       
       Vergangene Woche wurde aus der Union gefordert, [2][ukrainische Geflüchtete
       ohne Arbeit ins Kriegsgebiet zurückzuschicken], die
       Innenminister:innen diskutieren auch Abschiebungen von kriminell
       gewordenen Menschen [3][nach Syrien und Afghanistan]. In [4][wahnwitziger
       Weise] geistert man der Idee nach, nach Europa geflüchtete Menschen in
       Afrika zu halten. [5][Asylknäste an den EU-Außengrenzen] sind ohnehin
       längst beschlossen. Das BCC enthüllte, wie die griechische Küstenwache
       [6][offenbar geflüchtete Menschen teils gefesselt ins Meer wirft – also
       ermordet]. Und das Sterben im Mittelmehr geht [7][ohnehin weiter].
       
       Mit allen Mitteln – an den EU-Außengrenzen offenbar inklusive des Mittels
       des staatlichen Terrorismus – wird die Entrechtung von Geflüchteten
       vorangetrieben. Im Inneren setzt sich derweil ein Modus bürgerlicher
       Politik durch, der „die Ausländer“ zum Sündenbock für alles macht. Um einen
       Begriff der Theoretiker:innen Chantal Mouffe und Ernesto Laclau
       zweckzuentfremden: Die konstruierte Gruppe „der Ausländer“ wird zu einem
       „universellen Signifikanten“ gemacht, zu einer Art Prisma, durch das alle
       anderen sozialen Probleme gesehen werden.
       
       ## Was heißt hier Antifaschismus?
       
       Mangelnde Zahnarzttermine erscheinen so nicht mehr als Ergebnis der
       Zwei-Klassen-Medizin, die neofeudalen Vermögensstrukturen nicht mehr als
       der Grund, warum am Sozialstaat gespart werden muss. Die Wohnungskrise ist
       plötzlich nicht mehr auf die kapitalistische Verwertung vom Recht auf
       Wohnen zurückzuführen. Sogar der Antisemitismus, nun wirklich die
       Meisterdisziplin der Deutschen, wird zu einem importierten Problem erklärt.
       Alle sozialen Probleme werden rassifiziert (nicht nur für die CDU gibt es
       inzwischen deutsche und nicht-deutsche Deutsche) und auf „die Anderen“
       geschoben.
       
       Natürlich kann man in dieser Situation, die von allen Parteien jenseits der
       Linken befeuert wird, nicht „nur“ die AfD bekämpfen, wie dies im Kontext
       der großen [8][Demowelle gegen rechts] immer wieder gefordert wurde. Wenn
       alle anderen relevanten Parteien die AfD hochzüchten, ist das Problem
       größer als Björn Höcke. Oder, besser formuliert: Dann muss man, um Höcke zu
       verhindern, auch den Politikmodus der bürgerlichen Parteien bekämpfen, für
       die Rassismus schon immer eine Ablenkungstaktik von der sozialen Frage war.
       
       Es war ein großes Defizit der Demowelle gegen rechts, diesen Zusammenhang
       oft nicht erkannt und stattdessen auf rein moralisierte Appelle des
       Zusammenhalts gesetzt zu haben. Verstanden hat dies dagegen das
       [9][„Widersetzen“-Bündnis], das die kommenden Massenproteste gegen den
       AfD-Bundesparteiparteitag in Essen (28.–30. 6.) organisiert. In der
       Mobilisierung wurde nicht nur der Klassenkampf als antifaschistisches Motiv
       wiederentdeckt. Das Bündnis wird den Protest auch zu den Orten der
       Täter:innen tragen, das heißt zum Parteitag der Faschist:innen, der mit
       zivilem Ungehorsam verhindert werden soll.
       
       Das ist richtig, denn nur so kann Antifaschismus funktionieren. „Egal ob
       wir hier seit Generationen leben, unsere Eltern oder wir selber hierher
       migriert sind. Wir halten den Laden gemeinsam am Laufen“, heißt es in einem
       Mobivideo. Ein Busfahrer, ein Mitarbeiter der BSR, eine Krankenpflegerin
       und eine Erzieherin machen darin deutlich: Die Sparpolitik der Regierung
       ist das Problem, nicht die migrantischen Kolleg:innen. Der entpolitisierte
       Ruf nach „Zusammenhalt“ wird so konkret: Zusammenhalt heißt, gemeinsam
       gegen die rassistische Spaltung zu kämpfen, die die Sparpolitik ermöglicht.
       
       In Essen starten [10][die Proteste] am Freitag (28. 6.) mit einer Rave-Demo
       (Startpunkt Hauptbahnhof, 19 Uhr). Am Samstag (29. 6.) starten ab 6 Uhr
       morgens Aktionen des zivilen Ungehorsams, um die Anreise der AfD zur
       Grugahalle (Ort des Parteitags) zu verhindern. Um 10 Uhr startet die
       Großdemonstration „Gesicht zeigen: Gegen Hass und Hetze“ vom Hauptbahnhof
       an der Straße Freiheit. Es gibt ein Protestcamp im Löwental im Stadtteil
       Werden. Alleine aus Berlin fahren acht Soli-Busse, für die [11][noch
       Tickets verfügbar] sind. Die Busse starten zu unterschiedlichen Zeiten am
       Freitag vom Ostbahnhof, dem Alexanderplatz oder dem Messedamm.
       
       ## Antifa-Aufwärmprogramm in Berlin
       
       Zum Aufwärmen in Berlin findet im Vorfeld eine [12][Demo gegen den
       Rechtsextremismus in Frankreich] statt, wo die rechtsextreme LePen-Partei
       Rassemblement National droht, die Macht zu übernehmen. Gegen diese Gefahr
       haben die linken Parteien binnen kürzester Zeit ein breites Bündnis
       angekündigt, das auch einen linken Wahlsieg möglich macht. Es gilt deshalb,
       für die internationale Solidarität auf die Straße zu gehen (Mittwoch, 26.
       6., Oranienplatz, 17 Uhr).
       
       Wer über einzelne Demos hinaus aktiv werden möchte, sollte zum [13][Offenen
       Antifa Treffen] kommen, das alle 14 Tage im Bandito Rosso* stattfindet.
       Dieses Mal gibt es einen Input zu den Stonewall Protesten, den Riots nach
       einer Razzia in der queeren Bar Stonewall Inn, die auch den Geburtsmoment
       der CSD-Demonstrationen markieren. Das Treffen findet als Plenum statt,
       anschließend gibt es die Möglichkeit, sich kennenzulernen (Mittwoch, 26.
       6., Lottumstr. 10a, P-Berg, 19 Uhr).
       
       Solidarität gegen Nazis heißt auch, sich vor Gericht nicht mit Nazis
       alleine zu lassen. Am Freitag ist der nächste Protesttag gegen die Rechten,
       die am 5. Februar 2022 den damals 17-Jährigen Dilan angegriffen haben
       sollen. Die [14][Unterstützung im Gerichtssaal] ist wichtig, um Dilan nicht
       alleine zu lassen – denn auch die Faschofreunde der Angeklagten hatten in
       der Vergangenheit versucht, Plätze im Gerichtssaal zu besetzen. Verhandelt
       wird der Widerspruch von einem mutmaßlichen Mittäter gegen dessen Urteil
       (Freitag, 28. 6., Landgericht Berlin, Wilsnacker Straße 4, 9:20 Uhr vor dem
       Gericht).
       
       Wer sich tiefergehend mit der Krise der Linken und der rechten Bedrohung
       auseinandersetzen will, dem seien noch zwei Veranstaltungen ans Herz
       gelegt. Unter dem Motto [15][„Ist die AfD noch zu stoppen?“] organisiert
       [16][der AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West] und der [17][Teilhabe
       e.V.] eine Diskussion, in der die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahlen
       in Bezug auf AfD und BSW erörtert werden sollen. So soll das Gefühl von
       Hilflosigkeit durchbrochen und Wege gefunden werden, den Durchmarsch der
       AfD noch zu verhindern (Freitag, 28. 6., Versammlungsraum im Mehringhof, 19
       Uhr).
       
       Die [18][IL Berlin] setzt sich derweil in den dunklen Zeiten der Gegenwart
       mit ihren eigenen Konzepten von Theorie und Praxis auseinander. Aus dieser
       Selbstreflexion ist das Papier „Die IL im Umbruch. Gegenmacht aufbauen,
       Gelegenheiten ergreifen“ (zum Download: [19][hier]) entstanden, das mit
       [20][Raul Zelik und der IL Berlin diskutiert] werden soll. (Dienstag, 2.
       Juli, Aquarium (Südblock), Skalitzer Str. 6, 19 Uhr).
       
       25 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183143.die-stimme-der-vernunft-kein-halten-mehr.html
 (DIR) [2] /Dobrindt-will-Ukrainer-ausweisen/!6016040
 (DIR) [3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Fegebank-fuer-Abschiebung-von-Straftaetern-nach-Syrien-und-Afghanistan,fegebank512.html
 (DIR) [4] /Asyldebatte-in-Deutschland/!6015927
 (DIR) [5] /Reform-des-EU-Asylsystems/!6000276
 (DIR) [6] /Migrationspolitik-in-der-EU/!6014828
 (DIR) [7] /Rettung-auf-dem-Mittelmeer/!6018470
 (DIR) [8] /Schwerpunkt-Demos-gegen-rechts/!t5338539
 (DIR) [9] https://widersetzen.com/
 (DIR) [10] https://widersetzen.com/#aktionsbild
 (DIR) [11] https://busse.gemeinsam-laut.de/fahrten
 (DIR) [12] https://radar.squat.net/en/node/483827?language=en
 (DIR) [13] https://oatberlin.noblogs.org/
 (DIR) [14] https://kontrapolis.info/13389/
 (DIR) [15] https://radar.squat.net/en/node/481485?language=en
 (DIR) [16] https://geschichtevonuntenostwest.org/
 (DIR) [17] https://teilhabe-berlin.de/
 (DIR) [18] https://berlin.interventionistische-linke.org/
 (DIR) [19] https://interventionistische-linke.org/umbruch
 (DIR) [20] https://radar.squat.net/en/node/483997?language=en
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
       
       ## TAGS
       
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       ohne Erfolg.