# taz.de -- Neue Studie zu Antisemitismus in Europa: Ein „ständiger Begleiter“
       
       > Schon vor dem 7. Oktober nahm der Antisemitismus in Europa zu. Das zeigt
       > eine Studie, für die 8.000 Juden*Jüdinnen in 13 Ländern befragt
       > wurden.
       
 (IMG) Bild: Demonstration gegen Antisemitismus im Oktober 2023 in Berlin
       
       BERLIN taz | Schon im Frühjahr 2023 – also vor dem Angriff der Hamas auf
       Israel – bedrohte Antisemitismus die Juden*Jüdinnen in Europa
       zunehmend. Wie eine nun vorgestellte Befragung der EU-Agentur für
       Grundrechte zeigt, war die Lage in Deutschland damals besonders dramatisch.
       Hier erlebte binnen einen Jahres fast jede*r zehnte Angriffe – im
       EU-Schnitt waren es nur halb so viele. Und seit [1][dem 7. Oktober] hat
       sich die Lage weiter zugespitzt.
       
       Studienautorin Angelika Grabher-Wusche spricht von Antisemitismus als
       „Lebensrealität und ständigem Begleiter.“ Zwischen Januar und Juni letzten
       Jahres befragten sie und ihr Team insgesamt 8.000 Juden*Jüdinnen aus 13
       EU-Staaten, in denen der Großteil der jüdischen Bevölkerung Europas lebt.
       Abgesehen vom Anteil derjenigen, die antisemitische Belästigung und
       Angriffe erlebt haben, entsprachen die Zahlen aus Deutschland etwa dem
       EU-Durchschnitt.
       
       Und der ist erschreckend: Rund 80 Prozent der Befragten sahen demnach eine
       Zunahme des Antisemitismus in den vorangegangenen fünf Jahren. Fast alle
       waren mit Antisemitismus auch konkret konfrontiert, besonders oft im
       Internet. Etwa 60 Prozent gaben an, im vorangegangenen Jahr auch
       Antisemitismus durch Bekannte erlebt zu haben.
       
       Die Betroffenen berichteten von Täter*innen sowohl aus dem
       islamistischen, als auch dem rechts-, dem links- oder dem
       christlich-extremistischen Spektrum. Grabher-Wusche sagt: „Antisemitismus
       ist eine multidimensionale Erfahrung“. Teils, aber keineswegs immer spiele
       Israel eine Rolle bei den Vorfällen.
       
       ## Mehr Geld für Sicherheit
       
       Die Folge war schon damals ein enormes Bedrohungsgefühl EU-weit: Über die
       Hälfte der Befragten gab an, sich Sorgen um die eigene Sicherheit oder die
       der Familie zu machen. Drei Viertel sagten, sie versteckten zeitweise ihre
       jüdische Identität aus Angst, rund 35 Prozent gaben an, jüdische
       Veranstaltungen und Einrichtungen wie etwa Synagogen zu meiden.
       
       Und seit dem 7. Oktober? Dazu geht aus der Befragung selbst nichts hervor.
       Angelika Grabher-Wusche und ihr Team berichten aber aus weiteren Gesprächen
       mit jüdischen Verbänden seitdem: „Die Intensität und die Anzahl der
       Übergriffe hat sich deutlich erhöht.“
       
       Das zeigt sich auch in anderen Antisemitismus-Statistiken, die in jüngster
       Zeit erschienen. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen
       Antisemitismus (RIAS) hatte 2023 [2][doppelt so viele Vorfälle] in
       Deutschland registriert, wie im Vorjahr. Der Großteil entfiel dabei auf die
       Zeit ab dem 7. Oktober. Auch Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) weisen in
       diese Richtung: So registrierte die Polizei allein in den ersten elf Tagen
       nach dem Hamas-Angriff über 500 antisemitische Straftaten, noch einmal so
       viele kamen bis zum Jahresende hinzu.
       
       Grabher-Wusche und ihre Co-Autor*innen fordern von den nationalen
       Regierungen, deutlich mehr für die Sicherheit der Juden*Jüdinnen und
       ihrer Einrichtungen zu tun. Es brauche mehr Geld für Aktionspläne gegen
       Antisemitismus und konkrete Evaluierungsmechanismen der bestehenden
       Projekte. Online-Plattformen müssten zudem konsequenter verpflichtet
       werden, Hass-Posts zu entfern und zu melden.
       
       Schließlich müssten Juden*Jüdinnen selbst über Möglichkeiten aufgeklärt
       werden, antisemitische Vorfälle zu melden und Anzeige zu erheben. Das sei
       auch wichtig, um verlässlichere Statistiken über den Umfang des Problems zu
       ermöglichen, was wiederum Grundlage für den Kampf gegen Antisemitismus sei.
       
       11 Jul 2024
       
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